Diabetes und Klimawandel Zwei globale Probleme auf Kollisionskurs
Diabetes ist im Wesentlichen und zunehmend ein Problem des globalen Südens. Dort, wo die Versorgung schlecht ist, wo Kühlketten nicht funktionieren, wo viele Flüchtlingslager sind“, erklärte Prof. Dr. Rainer Sauerborn vom Universitätsklinikum Heidelberg. Laut Vorhersagen der International Diabetes Federation (IDF) werden im Jahr 2045 etwa 80 % aller Menschen mit Diabetes in den sogenannten Entwicklungsländern leben. Das sei aber genau die Zone der Welt, in der es am heißesten sein wird und bereits jetzt schon sehr heiß ist. „Somit müssen wir mit einer Überlappung der Gefahrenzonen rechnen“, mahnte Prof. Sauerborn.
Bereits vor Jahren hat die IDF über Zusammenhänge zwischen Klimawandel und Diabetesinzidenz einerseits sowie der Diabetessterblichkeit andererseits umfassend Stellung bezogen, erinnerte der Experte. Exemplarisch verdeutlichte er die Assoziation zwischen Luftverschmutzung und Diabetesinzidenz: Feine Partikel stören die Insulinproduktion der Inselzellen im Pankreas und erhöhen die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken. Laut Barker-Hypothese führe auch Unterernährung im Mutterleib zu erhöhtem Risiko, im Erwachsenenalter an Diabetes zu erkranken.
Dreifach geschwächte Thermoregulation
Zweifelsohne ist Hitze mit all ihren unmittelbaren Auswirkungen besonders brisant. Prof. Sauerborn: „Menschen mit Diabetes zeigen eine größere Vulnerabilität gegenüber Hitzestress.“ Ihre Thermoregulation sei in drei Punkten gestört: So setze die körperliche Reaktion der Betroffenen auf Hitze im Vergleich zur Normalbevölkerung verspätet ein. Sie hat zugleich eine geringere Sensitivität und eine verminderte maximale Temperaturreduktion. „Diese drei geschwächten physiologischen Antworten kombinieren sich zu einer extrem schlechten Hitzeabfuhr“, kommentierte der Forscher. Weltweit belegen zahlreiche epidemiologische Studien, dass es direkte Effekte von Hitze auf die Mortalität von Menschen mit Diabetes gibt.
Auch extreme Wetterereignisse bergen für diese Patientengruppe erhebliche Risiken, wenn es dabei zu massiven Problemen im Gesundheitssystem kommt. Prekär sind beispielsweise Störungen von Infrastruktur und Stromversorgung mit einer Unterbrechung von Kühlketten. Prof. Sauerborn verglich die Situation mit zwei auf Kollisionskurs aufeinander zufahrenden Zügen in dem Bereich der Welt, wo sich ohnehin viele Probleme ansammelten: „Einerseits nimmt die Diabetesprävalenz in den sogenannten Entwicklungsländern zu. Auf der anderen Seite wird es dort immer heißer.“
Quelle: Diabetes Herbsttagung 2021