AML Zwischen Hoffnung und Vorausverfügung
Menschen mit akuter myeloischer Leukämie (AML) und hohem Risiko überschätzen oft ihre Prognose. Und es wird zu selten frühzeitig mit ihnen und ihren Angehörigen über Präferenzen für das Lebensende gesprochen, betonte Dr. Hannah R. Abrams vom Massachusetts General Hospital in Boston. Wie sie berichtete, hatten einer Auswertung von 200 Personen mit Hochrisiko-AML zufolge nur 8,5 % zum Zeitpunkt der Diagnosestellung bereits Verfügungen zur Einschränkung von kardiopulmonaler Wiederbelebung, mechanischer Beatmung oder Intensivbehandlung am Lebensende getroffen. Da etwa ein Drittel der AML-Patienten am Lebensende noch intensivmedizinisch versorgt wird, sind diese Angaben wichtig, so die Referentin.
Laut den Studienergebnissen erfolgten Entscheidungen zu Wiederbelebung, Beatmung und Intensivbehandlung am Lebensende nur bei 16 % der Erkrankten präemptiv, also vor Eintreten einer entsprechenden Situationsveränderung. In 32 % der Fälle waren die Gespräche und Entscheidungen antizipatorisch, das heißt sie erfolgten mit Eintreten einer akuten klinischen Verschlechterung. Bei mehr als der Hälfte der Patienten (52 %) gab es erst nach deutlicher Verschlechterung eine Mitteilung des Arztes an die Familien, dass eine kardiopulmonale Wiederbelebung oder Intubation sinnlos sei.
Weniger als die Hälfte der Betroffenen und Angehörigen entscheidet zusammen
Die Dokumentation des Ausschlusses lebensverlängernder Maßnahmen erfolgte in mehr als der Hälfte der Fälle erst in den letzten zwei Lebenswochen und nur 60,5 % der Erkrankten konnten noch selbst in die Entscheidung mit einbezogen werden. Bei weniger als 50 % waren Betroffene und Angehörige gemeinsam an dem Prozess beteiligt. Für 26,3 % erfolgte die Dokumentation der Therapiepräferenzen am Lebensende erst während der intensivmedizinischen Behandlung. Bei 42,1 % der jeweils letzten Gespräche waren palliativmedizinisch geschulte Personen involviert.
Auch auf Meinungsänderung Rücksicht nehmen
Dr. Abrams forderte zu einer früheren Diskussion auf, um die Beteiligung der Erkrankten sicherzustellen. Sie weiß aber auch, dass es schwierig ist, schon nach Diagnosestellung Präferenzen am Lebensende anzusprechen. Es sei aber für alle Beteiligten wichtig, betonte sie: Patienten könnten ihre Prognose realistischer einschätzen und Ärzte sowie medizinisches Fachpersonal die Therapiestrategien besser nach den individuellen Präferenzen des Betroffenen ausrichten. Ein einziges Gespräch genüge dabei nicht. Die Vorausverfügungen zum Lebensende sollten immer wieder angesprochen werden, da sich Entscheidungen im Krankheitsverlauf ändern können, gab Dr. Abrams zu bedenken.
Quelle: Abrams RA et al. 2021 ASH Annual Meeting; Abstract 109
Kongressbericht: 2021 ASH Annual Meeting