164.400 Euro für ein Lebensjahr
Wenn es darum geht, das Kosten-Nutzen-Verhältnis von medizinischen Maßnahmen zu bewerten, wird als ein international gebräuchlicher Referenzpunkt der „Wert eines statistischen Lebensjahres“ (VSLY) herangezogen. Um einen internationalen Vergleich zu erhalten, werteten Gesundheitsökonomen am DKFZ 120 Studien zur impliziten oder expliziten Zahlungsbereitschaft für die Verringerung lebensverkürzender Risiken aus. Diese wurden in den Jahren 1995 bis 2015 publiziert und bieten empirisch ermittelte Schätzwerte.
Die Werte der einzelnen Länder rechneten die Autoren über den Vergleich der Kaufkraft in Euro um. Demnach liegt der Wert eines Lebensjahres (ohne Berücksichtigung der Lebensqualität) weltweit im Median bei 164.409 Euro. Im Detail wurden jedoch die von den Autoren erwarteten Unterschiede deutlich. So streuen die Werte von 43 000 Euro in Asien über 136.147 bis 180.750 Euro in Europa bzw. 173.868 Euro in Deutschland bis zu 271.179 Euro in Nordamerika.
Die Umrechnung auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ergab, dass Asien und Europa mit einer Zahlungsbereitschaft des 5,1-fachen bzw. 5,2-fachen des BIP/Kopf für ein gewonnenes Lebensjahr in etwa gleichauf lagen. US-Amerikaner und Kanadier sind dagegen bereit, das 6,9-fache des BIP/Kopf für ein weiteres Lebensjahr zu investieren.
Allerdings liegen diese Werte oft deutlich über den üblichen Standards (Benchmarks für Kostenwirksamkeit), erklären die Autoren. Die Weltgesundheitsorganisation geht vom Ein- bis Dreifachen des BIP pro Kopf aus. In England werden im Regelfall 20.000 bis 30.000 Pfund angesetzt.
Amerikanern ist ihr Leben besonders viel wert
„Wirklich zwingende Erklärungen dafür, warum Nordamerikaner mehr für ein gewonnenes Lebensjahr zu zahlen bereit sind als der Rest der Welt, haben wir nicht“, sagt Studienleiter Professor Dr. Michael Schlander von der Abteilung Gesundheitsökonomie des DKFZ. Allerdings sei aus internationalen Vergleichen bekannt, dass in Ländern mit einem höheren verfügbaren Einkommen die Akzeptanz höherer Gesundheitsausgaben überproportional zunehme. Zugleich zeigte die Analyse, dass die derzeit in vielen Ländern verwendeten Richtgrößen für den VSLY deutlich zu niedrig angesetzt sind.
Die Autoren meinen, dass ihre Ergebnisse als Richtwerte helfen könnten, die Kosteneffektivität medizinischer Leistungen zu beurteilen – zumindest in jenen Ländern, die medizinische Maßnahmen nach dieser Logik bewerten. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern sei es in Deutschland bislang nicht üblich, einem gewonnenen Lebensjahr einen Geldwert zuzuerkennen.
Ab welchem Lohn reizt ein riskanter Job?
Doch gibt es überhaupt den „richtigen“, universellen und für alle denkbaren Situationen einheitlichen Wert eines statistischen Lebensjahres? Aus Sicht der Wissenschaftler kann es einen solchen „aus ethischen und sozialen Gründen“ nicht geben. Einen „Ankerwert“, der die Präferenzen der Bürger reflektiert, halten sie jedoch für nützlich.
Ökonomen wählten heute zwei verschiedene Ansätze zum Ermitteln eines solchen Wertes. So gebe es Befragungen der Menschen dazu, wie viel sie für eine Maßnahme zur Senkung ihres Sterblichkeitsrisiko zu zahlen bereit sind, z.B. für die Anschaffung eines Airbags im Auto. Ein anderer Ansatz beruhe auf indirekten Methoden. Ökonomen untersuchen beispielsweise, um wie viel höher der Arbeitslohn ausfallen muss, damit Menschen eine riskantere Beschäftigung annehmen.