„Aut idem“ oder etwas ganz anderes

Kolumnen Autor: Dr. Frauke Gehring

Manche wissen nicht, dass es den selben Wirkstoff oft von verschiedenen Unternehmen gibt. Den Frust lassen sie dann in Apotheke oder Arztpraxis aus. (Agenturfoto) Manche wissen nicht, dass es den selben Wirkstoff oft von verschiedenen Unternehmen gibt. Den Frust lassen sie dann in Apotheke oder Arztpraxis aus. (Agenturfoto) © iStock/FG Trade; MT

Kennen Sie diese Patientinnen und Patienten, die auf gleiche Namen und Verpackungen beharren? Unsere Kolumnistin hatte kürzlich wieder die Freude – und spricht ihr Mitgefühl an Apotheken aus.

Es war so laut, dass ich dachte, ich hätte vergessen, meine Sprechzimmertür zu schließen: „Diese blöden Pillen können Sie selber fressen!“, schrie eine Patientin und schleuderte meiner Rezeptionistin die Packung auf den Tisch. „Ich bin doch kein Versuchskaninchen! Wenn das so weiter geht, suche ich mir einen anderen Arzt!“ Reflex­artig dachte ich: „Das wäre eine gute Idee. Dann ginge es uns allen besser, auch den PatientInnen, die diesen Ausbruch mit anhören mussten“. Ich entschuldigte mich bei meinem Gegenüber und öffnete die Tür: „Das können Sie gleich alles mit uns besprechen“, sagte ich der erbosten Mittfünfzigerin, „Bitte nehmen Sie Platz“.

Später fragte ich unsere Mitarbeiterin nach dem Grund des Aufruhrs. „Sie hat ein anderes Generikum  von der Apotheke bekommen als gewöhnlich“, klärte sie mich auf. „Das war alles“. Abgesehen davon, dass das kein Grund war, sich wie ein Springteufelchen aufzuführen, war diese Substitution ein stetes Ärgernis. Jetzt hatte es anscheinend wieder eine Runde Rabattverhandlungen gegeben und die Karten waren wieder völlig neu gemischt worden.

Längst habe ich es aufgegeben, mich auf irgendein Generikum festzulegen, auch wenn ich es gerne täte – insbesondere bei den Firmen, die uns noch mit Mustern versorgen, und von denen ich weiß, dass auch ihre Galenik zuverlässig ist. Aber mein aut-idem-Kreuzchen mache ich für sie nur bei manchen Medikamenten wie L-Thyroxin, das doch recht unterschiedlich verstoffwechselt wird, oder bei Patienten, die sonst heillos durcheinander ­geraten.

Darum gibt es immer wieder Verwirrung. „Nein, nicht Ramipril,“, sagte ein älterer Herr, ich habe doch RamiLich!“ Dabei schaut er mich an, als ob meine Schusseligkeit ihn demnächst das Leben kosten würde. Es dauerte eine Weile, ihm zu erklären, dass es sich um das gleiche Medikament handele; im Laufe des Gespräches war ich noch gezwungen, zu erläutern, dass Ramicomp trotz des ähnlichen Namens dann doch etwas anderes wäre, aber mit Ramiplus wiederum baugleich sei. Ein Blick in seine Augen zeigte mir, dass er sich fragte, wer von uns noch alle Tassen im Schrank hatte. Das war aber noch harmlos; gefährlich wurde es bei einer Patientin, die mit vermeintlich verschiedenen Substanzen ihre Schmerzen im Griff hielt: „Viermal am Tag nehme ich Novaminsulfon-Tropfen“, erzählte sie mir, als wir über ihre deutlich erhöhten Leberwerte sprachen. „Die hat man mir im Krankenhaus verschrieben. Aber weil das nicht reichte, habe ich zusätzlich Metamizol-Tabletten genommen, bis zu vier am Tag“. Sie war fassungslos, als sie erfuhr, dass sie ein und dasselbe in zwei verschiedenen Zubereitungen „kombiniert“ hatte.

Das erinnerte mich an einen ihrer Leidensgenossen, der nach einem Stent zusätzlich zu ASS noch Plavix bekommen, und das, durch einen Kommunikationsfehler bedingt, munter mit einem Clopidogrel-Generikum kombiniert hatte. „Ach, hätte ich Plavix dafür absetzen sollen?“, fragte er arglos, während mir kalte Schauer des Schreckens über den Rücken liefen.

Ich wage kaum, mir vorzustellen, was die Apotheker alles ertragen müssen, die die Pillenschachteln aushändigen müssen: „Meine Packung war aber immer blau!“ und „Das ist nicht das, was meine Ärztin aufgeschrieben hat!“. Ich werde mal danach fragen, denn Empathie hat sich das Team „meiner“ Apotheke längst verdient. In regelmäßigen Abständen taucht nämlich jemand in der Praxis auf und fragt freundlich und diskret, ob es sich bei einem ausgestellten Rezept um ein Versehen handeln könnte – schließlich habe der Patient vor zwei Wochen ein Rezept über die gleiche Substanz mit einem anderen Namen eingelöst.

Liebes Apo-Team: Ich weiß, was ich an euch habe! Jetzt wird es Zeit für ein offizielles Dankeschön. Hier ist es!