Bessere Versorgung dank ePA erwartet „Der Datensatz ist in dieser Form weltweit einmalig“

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Die ePA ist da! Zumindest teilweise. In ausgewählten Testregionen wird sie schon genutzt, ein bundesweiter Rollout könnte laut Prof. Lauterbach im April erfolgen. Die ePA ist da! Zumindest teilweise. In ausgewählten Testregionen wird sie schon genutzt, ein bundesweiter Rollout könnte laut Prof. Lauterbach im April erfolgen. © woravut - stock.adobe.com

Trotz der Warnungen des Chaos Computer Clubs vor möglichen Datenlücken hat der Bundesgesundheitsminister den Test der elektronische Patientenakte in den Modellregionen Hamburg, Franken und NRW wie geplant gestartet. Vier Wochen lang sammeln circa 300 Praxen, Apotheken und Krankenhäusern Erfahrungen mit der Praxistauglichkeit des Systems. 

Der Rollout der ePA könnte im April erfolgen, nach Auswertung der Testergebnisse und ggf. Anpassungen, so Prof. Karl Lauterbach. Sichtlich zufrieden spricht er von einer „neuen Epoche der Digitalisierung des deutschen Gesundheitssystems und vom größten Digitalisierungsprojekt in der Geschichte Deutschlands“. Mehr als 20 Jahre nach der Ursprungsidee werde die ePA für alle nun Wirklichkeit.

Prof. Lauterbach zufolge hilft die ePA zusammen mit der Telemedizin gegen überfüllte Praxen und vermeidet Doppeluntersuchungen. Besonders hebt Prof. Lauterbach die Vorteile für chronisch oder an Krebs Erkrankte hervor. Bislang sei es ja eher die Ausnahme, dass alle Behandlungsergebnisse einem Arzt vorlägen. 

Der Minister verweist auf Therapieversuche in der Onkologie. „Was aber die beste Behandlung ist, das wissen wir in der Regel nicht“, moniert er. „Wir wissen nicht, welche Kombination im Alltag für die Patienten die besten Behandlungsergebnisse bringt.“ In Zukunft werde man dank der ePA-Daten mehr wissen. 

Künstliche Intelligenz sei in der Lage, durch Datenauswertung Durchbrüche zu ermöglichen

Aufgrund „die Gnade der späten Geburt“ der ePA könne zugleich Künstliche Intelligenz berücksichtigt werden, so der Minister. KI sei in der Lage, bei der Datenauswertung unfassbar zu unterstützen und Durchbrüche zu ermöglichen – auf individueller Ebene und in der Forschung. „Wir sehen jetzt zum Beispiel im deutschen Mammografie-Screening, was ja eine sehr hohe Qualität hat, dass die Unterstützung der Auswertung durch KI dazu führt, dass mehr Tumore richtig entdeckt werden.“ 

Die ePA ermöglicht laut Minister in der Onkologie, Kosten zu sparen. Es gebe 250.000 Euro, teils 300.000 Euro teure Krebsbehandlungen, die zum Teil niemals auch nur die Chance einer Wirkung hätten. Mithilfe der Digitalisierung und des Forschungsdatenzentrums werde sich das ändern.

Operation, Chemo-, Immun- und Gentherapie oder Kombinationen, – was ist in welcher Reihenfolge für welchen Patienten optimal? Damit werde man sich beschäftigen und einen wesentlichen Beitrag zur Heilung von Krebskrankheiten liefern können. „Der Datensatz ist in dieser Form weltweit einmalig“, bemerkt Prof. Lauterbach stolz. „Wir werfen das Geld zum Teil, wenn man ehrlich ist, zum Fenster raus“, so Lauterbach der Minister zur aktuellen Lage. 

Erst starten, wenn alles reibungslos läuft

MEDI Baden-Württemberg macht mit einer Aufklärungskampagnen auf ungeklärte Fragen und Schwachstellen der ePA aufmerksam. Patienten werden auch darauf hingewiesen, dass sie formlos bei ihrer Krankenkasse der ePA widersprechen können. Das sei mit keiner Benachteiligung bei der ärztlichen Behandlung verbunden. 
Ein Kritikpunkt lautet: „Durch den Zugriff auf die ePA und somit auf die Befunde unserer Patientinnen und Patienten durch künftig mehr Personen, sehen wir unsere ärztliche Schweigepflicht gefährdet.“ Die Politik habe vorgesehen, dass nicht nur die an der Behandlung Beteiligten, sondern auch Forschungseinrichtungen oder Firmen auf die pseudonymisierten Daten zugreifen können. Damit sei Vertraulichkeit der Gesundheitsdaten nicht mehr gegeben. 

Befürchtet wird ferner ein „gestörter Praxisablauf“. Die bisherigen Digitalisierungsprojekte (Telematik, eRezept) hätten durch häufige Probleme den Praxisablauf erheblich behindert. Dass Praxen Zeit für Beratungen zur ePA-Einführung haben, sieht der Verband nicht. Die ePA-Testphase von einem Monat erscheint MEDI als zu unrealistisch und nicht sachgerecht.

Der Ärzteverband fordert, die ePA erst dann bundesweit auszurollen, wenn garantiert werden kann, dass sie sicher und im Alltag praktikabel ist.
In einem gemeinsam mit 27 anderen Verbänden und Institutionen unterzeichneten Brief wird das Bundesgesundheitsministerium aufgefordert, Sicherheitslücken zu schließen sowie Risiken der ePA-Nutzung transparent zu machen. Aufklärung sei zwingend erforderlich, um die Akzeptanz der Patientinnen und Patienten, aber auch der Ärzte. und Psychotherapeutenschaft zu gewinnen. MEDI prüft, wie aussichtsreich eine Klage gegen die ePA sein könnte. 

www.medi-verbund.de/epa/

Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer, kommentiert mögliche Einsparungen durch die Digitalisierung verhaltender. Diese ließen sich nicht beziffern. Viel entscheidender sei der Datennutzen hinsichtlich der Arzneimitteltherapiesicherheit. Und in Notfallsituationen ließen sich Patienten besser, schneller und passender behandeln. „Ich glaube, diese Vorteile müssen wir jetzt tatsächlich mal umsetzen.“ Dänemark, Estland und andere nordeuropäische Staaten seien Vorbilder, denen man nacheifern könne. 

„Die Sicherheit der ePA für alle hat für uns oberste Priorität“, verspricht der Minister mit Blick auf die Bedenken des Chaos Computer Clubs. „Mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik haben wir Regeln gefunden, die den Start der ePA in den Pilotregionen ermöglicht und zwar auf einem Sicherheitsniveau, was sehr hoch und akzeptabel ist.“ Bis zum Rollout in ganz Deutschland sollen alle großen Probleme gelöst sein. „Mit der Anhäufung von Bedenken allein retten wir keinen einzigen Krebspatienten vor dem vermeidbaren Tod.“ Es sei nicht ausgeschlossen, dass eine ePA angegriffen werde, weil beispielsweise der Patient unvorsichtig war oder der Versicherer. Aber es gebe auch jetzt Tag in Praxen oder in Krankenhäusern Datensicherheitsprobleme. „Dafür haften diejenigen, die den Fehler gemacht haben.“ 

Bei der ePA überwiegt der Nutzen das Risiko bei Weitem

Dr. Reinhardt sieht das kritischer: Wenn in der Pilotphase oder danach festgestellt werde, dass die Sicherheit nicht gewährleistet werden könne – „von 100 % sprechen wir nicht“ –, dann könne nicht mehr zur ePA geraten werden.

„Ich würde auch nicht meine Hand dafür ins Feuer legen, dass so eine Akte hundertprozentig sicher ist“, sagt Dr. Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse. Aber bei der ePA überwiege der Nutzen das Risiko bei Weitem. Dr. Baas hätte gern, dass künftig die Krankenkassen mit Zustimmung des Patienten auf dessen ePA-Daten zugreifen können, um ihm Versorgungsangebote machen zu können.

Derzeit stellen die Krankenversicherungen die rund 70 Millionen Patientenakten elektronisch bereit. Laut Minister können Versicherte ab Mitte Februar in ihrer ePA sehen, welche Diagnosen und Leistungen die Ärzte in den letzten Jahren abgerechnet haben. Es werde Patienten ebenso früh möglich sein, selbst alte Befunde einzustellen. 

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