Digitales auf rosafarbenem Papier
Ein amtliches Verzeichnis für Apps auf Kassenrezept – das ist nicht der größte Digitalisierungs-Coup des Bundesgesundheitsministers. Aber als „Weltneuheit“ (Jens Spahn) klingt es aufregender als das elektronische Rezept, das Deutschland laut gematik 2022 als 18. Nation in Europa einführen wird. Zwei digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA) hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach eingehender Prüfung jetzt in sein Verzeichnis aufgenommen. Spahn selbst sagt, dass diese Liste nur langsam wachsen wird.
Das liegt an dem neuen Prüf- und Zulassungsverfahren, außerhalb des Zugriffs des G-BA. Damit sind erst noch Erfahrungen zu sammeln. Und es muss gelingen, Vertrauen in die Nützlichkeit und Sicherheit der Anwendungen herzustellen. Für Anbieter und Krankenkassen bleibt aber auch die Alternative, mittels Selektivvertrag Versicherte exklusiv mit Gesundheits-Apps zu beglücken. Zumal GKV-Spitzenverband und KBV die DiGA-Kosten schon gleich zum Start der BfArM-Liste kritisch kommentieren: Freie Preissetzung des Herstellers im ersten Jahr und das bei teilweise noch fehlendem Nachweis eines „positiven Versorgungseffekts“ – das klingt nach Wirtschaftsförderung.
Solange es eine wirtschaftliche Alternative zu einer DiGA gibt, muss sich kein Arzt gedrängt fühlen, etwas Digitales zu verordnen. Schließlich kann ein Versicherter seine Krankenkasse auch direkt um Kostenerstattung bitten. Dennoch werden sich die Verordner dem neuen Thema nicht entziehen können. Klar: Selbst wenn BfArM, DiGA-Anbieter und Krankenkassen die Versicherten eifrig informieren, bleibt der Erklärungsaufwand bei bestimmten Patientengruppen hoch. Es werden aber auch Patienten wegen einer App nachfragen, die sich auskennen. Hierauf sollte das Praxisteam vorbereitet sein. Anwendungen, von deren Nützlichkeit und Praktikabilität Praxen und Anwender überzeugt sind, werden gerne eingesetzt werden. Berichte über bedenkliche Datennutzungen, brisante Hackerangriffe sowie persönliche Erfahrungen mit IT-Pannen mahnen allerdings zu vorsichtigen Prognosen bezüglich der internationalen Vorreiterrolle Deutschlands.
Michael Reischmann
Ressortleiter Gesundheitspolitik