Es werbe der Sport
Hat es Sie bei der Handball-WM gestört, dass auf den T-Shirts der deutschen Nationalmannschaft das AOK-Logo prangte? Mich nicht. Leistungssport-Wettkämpfe finden nun mal in Reklamegewändern zwischen Werbeflächen statt. Doch dürfen die gesetzlichen Krankenkassen dafür Geld der Beitragszahler ausgeben? Der Bundesgesundheitsminister meint jetzt „Nein“. Per Verordnung soll der GKV die Banden- und Trikotwerbung im Spitzen- und Profisport verboten werden. Im Ministerium glaubt man nämlich, dass den „hohen Ausgaben“ für diese „reine Marken- oder Imagewerbung“ ... „kein angemessener Nutzen in Form von Wechselbewegungen bei den Krankenkassen-Mitgliedern“ gegenübersteht. Werbung auf Plakatwänden, mit Anzeigen oder bei Konzerten bleibt aber erlaubt. Wer erkennt die Logik?
Üblicherweise singen die Regierenden gerne das Lied vom Wettbewerb; der Mitgliederwechsel zwischen den Kassen wurde 2021 weiter erleichtert. Doch grundsätzlich ist zu bedenken: Bei 100 gesetzlichen Versicherern mit geschätzt 95 % identischem Angebot hat das Image eines Akteurs durchaus Einfluss auf Mitgliedertreue und -gewinnung. Ähnlich wie bei Mineralwasser, Benzin oder einem generischen Wirkstoff achten die Kunden nicht nur auf den niedrigsten Preis, sondern auch auf Marken. Dass „Kranken“-Kassen massenmedial mit erfolgreichen Athleten und coolen Sportarten in Verbindung gebracht werden wollen, ist also nicht abwegig.
Die Frage ist auch, ob das geplante Verbot dazu führt, dass die Kassen mehr Geld fürs Sponsoring lokaler Clubs und Veranstaltungen ausgeben, die etwas mit ihrem Leistungsangebot zu tun haben. Denn die Werbeausgaben der Kassen sind jetzt schon begrenzt und sollen es bleiben. 2020 betrug das Limit 4,78 Euro je Mitglied. Zum Vergleich: 2019 gab die GKV für Gesundheitsförderung und Prävention 8,64 Euro je Versicherten aus. Allerdings will das BMG, dass aus diesem Gesamtwerbebudget künftig auch andere Aufwände finanziert werden. Das betrifft z.B. das Honorar gewerblicher Werber, die laut Ersatzkassenverband 2020 maximal 95 Euro je aufgenommenem Mitglied erhielten. Geld spart das am Ende aber wohl auch nicht. Denn dann werden Angestellte diese Aufgabe übernehmen, die die Kassen mehr kosten. So ist das eben mit einem künstlichen Wettbewerb in einem Markt, der keiner ist.
Michael Reischmann
Ressortleiter Gesundheitspolitik