Wünsche zum Jahreswechsel
Ich will keine Autokratie, poche jedoch auf eine lebenswerte Zukunft. Darum wünsche ich mir hier und heute eine Zeitenwende:
EU, Bundes- und Länderregierungen – sie alle fackeln und frickeln nicht länger, sie setzen ehrgeizige Pläne strategisch klug, gerichtsfest und transparent um und niemand kann sich dem legal entziehen.
Wer den Klimakollaps verhindern will, muss jetzt klotzen: Bazooka statt Nagelschere. Also: Radikal den Flugverkehr runterfahren, Kreuzfahrtschiffe einmotten, überhaupt das unnötige Reisen unattraktiv machen. Lieber mehr auf Videokonferenzen, Webcams und die Reportagen im Dritten setzen. Man muss nicht überall selbst hin. Pizza Hawaii und Chicken Vindaloo werden auch nach Hause geliefert. Und wenn schon fahren, dann bitte in leeren, pünktlichen Zügen und mit E-Bikes auf Solarstrom. Sobald es dunkel wird, bleibt man allerdings schön daheim. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Industrie bringen bekanntermaßen nix.
Der Staat muss folglich den Umbau und das Geld dafür selbst in die Hand nehmen. Vorschläge: Das Bildungssystem wird digitalisiert, Pflegeberufe und Öffentlicher Gesundheitsdienst werden aufgewertet, deutsche Braunkohle wird durch russisches Gas ersetzt und Jogi Löw durch ... ach, jetzt schweife ich ab.
Keiner wird zurückgelassen, sondern der Wandel sozial abgefedert. Wer in einer krisenanfälligen Branche nicht mehr arbeiten kann oder darf, bekommt – bis wir übern Berg sind – eine Art Grundeinkommen, Finanzspritzen und Steuererleichterungen angeboten.
Und am Jahresende gilt dann: Böllern und öffentliches Saufen in Cliquen sind verboten! So bleiben Luft und Gehwege sauber, Sanitäter und Haustiere schlafen durch. Oder am besten ein ganzes Jahr lang den kommerziellen Ringelpiez ersatzlos streichen: Festivals, olympische Spiele, Oktoberfest, James-Bond-Premiere – verzichten wir auf diesen Konsumterror, Event-Diät ist angesagt!
Am Ende werden Sie erkennen: Der Globus seufzt auf, das Vertrauen in Politik und Wissenschaft sowie die eigenen Lebensgeister wird gestärkt. Weniger Treibhausgasemissionen, glückliche Familien, Solidarität bis in die Konzernspitzen – diesem Neuanfang wohnt ein wahrer Zauber inne. Jetzt wollen Sie sagen: Wie krank klingt das denn? Das sind doch groteske Fantasien. Dazu wird es niemals kommen.
Stopft ihm den Mund und am besten noch die Nase! Okay, ich höre auf. Aber man wird ja mal Visionen haben dürfen.
Michael Reischmann
Ressortleiter Gesundheitspolitik
Anm. d. Red.: Der Autor hat offenbar erneut seinen bereits für den Jahreswechsel 2019/20 verworfenen Text übermittelt. Wir bitten das zu entschuldigen und wünschen Ihnen ein friedvolles, gesundes 2021. Wird schon werden.