Und immer ist die Politik schuld
Corona hat Deutschland fest im Griff, die Infektionszahlen gehen einfach nicht nach unten, die Todesrate ist nach wie vor hoch. Die Schuldigen für die Misere sind schnell gefunden: Ganz klar, die Politiker haben versagt, allen voran Gesundheitsminister Jens Spahn, der das (angebliche) Impfdesaster zu verantworten hat, und die Ministerpräsidenten der Länder, die für einen bundesweiten Flickenteppich an Lockdown-Regelungen sorgen. Medial aber auch in privaten Diskussionen wird ordentlich auf sie eingeknüppelt. Ob zu Recht oder zu Unrecht sei dahingestellt.
Für die permanente öffentliche Schelte eignen sich die Politiker ja auch viel besser als die eigene Bevölkerung, in der weite Teile das Coronaschutzfähnchen nur dann hochhalten, solange ihre eigenen Interessen nicht tangiert werden. Weihnachten mit der ganzen Familie, die Silvesterparty mit Freunden feiern: Verboten, aber dennoch für viele kein Problem. Zum Rodeln oder Skifahren in die Schneeregionen fahren? Selbstverständlich! Kindergeburtstag mit 30 Gästen feiern, warum denn nicht? Im Treppenhaus oder vor der Haustür mit dem Nachbarn schwatzen ohne Abstand und Mundschutz – genauso „normal“ wie die Drängelei im Supermarkt.
Und auch das: Als Arzt/Ärztin oder Pflegekraft in Krankenhaus bzw. Seniorenheim die Coronaimpfung ablehnen – gutes Recht. Warum sollte man schließlich potenziell dazu beitragen, dass Infektionsrisiko der anvertrauten Alten und Kranken zu mindern. In manchen Pflegeheimen soll die Corona-Impfquote beim Personal maximal 50 % betragen – ein aus meiner Sicht untragbarer Zustand!
Wir werden es nicht schaffen, aus der Pandemie herauszukommen, wenn sich nicht wirklich jeder Einzelne am Riemen reißt, seinen Egoismus hintan stellt und sein Scherflein beiträgt. Dies müsste der wesentliche Aspekt in den medialen Coronadebatte sein und nicht, ob Frau Merkel hier und Herr Söder dort Fehler gemacht haben. Anders als in einer Autokratie kann die Politik bei uns nur Rahmenbedingungen schaffen, ob sie erfolgreich sind, liegt auch an uns selbst.
Birgit Maronde
Chefredakteurin Medical Tribune