Sperenzien in den Spritzenhäusern
Ob im Ruhestand oder in Elternzeit: Der Appell zur Mitarbeit in den Corona-Impfzentren richtete sich Ende letzten Jahres an alle Ärzte, die ein Jota Zeit aufbringen konnten. Als Teilzeitkraft in der Redaktion hatte ich den Gedanken, die Sache mit zu unterstützen. Auf meine E-Mail an die Landesärztekammer Hessen bekam ich auch binnen weniger Stunden eine Antwort mit der Bitte, meine Daten, d.h. zeitliche Verfügbarkeit, Sprachkenntnisse, mögliche Einsatzorte, Notfallkenntnisse etc., einzureichen. Gesagt, getan – und damit endet die Geschichte eigentlich. Denn das war das Letzte, was ich hörte.
Als ich ein paar Wochen später bei der Kammer nachfragte, hieß es, man habe meine Daten an die entsprechenden Zentren weitergeleitet, die dort Verantwortlichen würden auf mich zukommen. Da das niemals geschah, dachte ich, gut, die haben sicher genug Leute, auf mich kommt es da nicht mehr an. Doch wie sich im Freundes- und Bekanntenkreis herausstellte, bin ich wahrlich kein Einzelfall und die Kommunikation treibt keine oder bunte Blüten. Ein befreundeter Chirurg im frischen Vorruhestand, der sich für alle Zentren im Umkreis von 50 km anbot, hörte ebenfalls kein einziges Wort. Ein Kollege in Elternzeit, kurz vor der internistischen Facharztprüfung stehend, erhielt auf eigene Nachfrage in den Zentren die Antwort, sie suchten erst mal Vollzeitärzte. Inzwischen bekam er einen Honorarvertrag im Taunus und einen Dienstplan, in dem er sich für 4-Stunden-Schichten eintragen sollte, wurde aber bisher trotzdem noch nicht eingesetzt. Parallel dazu erfuhr er aus dem Impfzentrum der Landeshauptstadt, dass sein Profil den dortigen Anforderungen nicht genüge. Gut, dass es für die ländlichere Region ausreicht.
Nach all dem wundert mich nicht, dass Hessen in der Impfhitliste der Länder den letzten Platz belegt. Und jetzt sollen es also die Hausärzte richten. Da frage ich mich: Wollen die das überhaupt? Und wäre es nicht sinnvoller, erst mal die offenbar ungenutzten Kapazitäten auszuschöpfen? Aber wer weiß, wenn das mit den Hausärzten nicht klappt, vielleicht verfolgt man in Deutschland dann ähnliche Modelle wie in Israel. Dort konnte sich die inzwischen etwas impfmüde Bevölkerung ein paar Tage lang bei Ikea impfen lassen. Möglicherweise heißt es also hierzulande auch bald: Zweimal Köttbullar und einmal AstraZeneca – zum Mitnehmen bitte.
Dr. Anja Braunwarth
Redakteurin Medizin