Mangelhafte Kasseninfo Fachverbände zerreißen Allergiemittel-Schreiben der Barmer

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

Ein Arznei-Informationsschreiben der Barmer sorgte in etlichen Ärzteorganisationen für Kritik. Ein Arznei-Informationsschreiben der Barmer sorgte in etlichen Ärzteorganisationen für Kritik. © Wayhome Studio – stock.adobe.com

Eine Arznei-Info der Barmer zu einem Mittel gegen Hausstaubmilbenallergie hat zu heftiger Kritik von sechs medizinischen Fachgesellschaften bzw. Berufsverbänden geführt. In einem offenen Brief warnen diese: Das Kassenschreiben enthalte inhaltliche Fehler, durch Fehlverordnungen könne das Wohl von Patienten gefährdet werden.

In einem „Informationsschreiben nach § 73 Abs. 8 SGB V“ zur Sicherung der wirtschaftlichen Verordnungsweise wies die Barmer im März Ärzte auf das Medikament Acarizax® hin: Dieses sei „einzigartig bei Hausstaubmilben-Rhinitis und -Asthma“. Der Brief landete auch beim Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD). Und der warnt – zusammen mit dem Verband der Allergologen, der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin, dem Berufsverband der HNO-Ärzte, dem Verband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner sowie dem Berufsverband für Pneumologie, Allergologie, Schlaf- und Beatmungsmedizin Nordrhein –, die Kollegen: Das Schreiben der Kasse sei „leider inhaltlich fehlerhaft“ und könne zu „Fehlverordnungen“ führen.  

Das Produkt ist indiziert bei Erwachsenen mit Hausstaubmilbenallergie, bei denen eine durch diese Milben hervorgerufene, anhaltende mittelschwere bis schwere allergische Rhinitis trotz symptomlindernder Medikamente vorliegt und/oder allergisches Asthma, das mit inhalativen Kortikosteroiden nicht gut kontrolliert und mit milder bis schwerer allergischer Rhinitis auf Hausstaubmilben assoziiert ist.  

Mittel ist nicht für die orale Therapie zugelassen 

Die Ärzteorganisationen monieren am Barmer-Schreiben eine undifferenzierte Darstellung der Behandlungsmöglichkeiten von Asthma. Die Behauptung eines Alleinstellungsmerkmals („einzigartig“ und demnach nicht austauschbar) sei falsch. Nachweislich seien Produkte anderer Hersteller verfügbar. Das empfohlene Mittel sei zum Teil sogar kontraindiziert. Zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Asthma sei es nicht zugelassen. 

Das Mittel sei ferner nicht für die orale Therapie zugelassen. Für Patienten, die es fälschlicherweise so anwenden, sehen die Ärzteverbände Risiken; zumindest werde höchstwahrscheinlich keine Wirkung eintreten. Es sei höchst irritierend, dass eine gesetzliche Krankenkasse die zugelassene Applikationsart ändere und Empfehlungen abgebe, die wissenschaftlich nicht belegt seien und Patienten gefährdeten. 

Das aufgeführte Arzneimittel Orylmyte® sei ebenfalls zugelassen zur Behandlung einer allergischen Rhinitis durch Hausstaubmilben und könne auch eingesetzt werden, wenn diese mit Asthma kombiniert sei. Der von der Barmer aufgestellte, intransparente Preisvergleich führe die behandelnden Ärzte in die Irre, meinen die Fachgesellschaften. Angeblich sei Acarizax® gegenüber Orylmyte® auf Basis von Tagestherapie-Kosten günstiger. Nach Ansicht der Ärzteorganisationen bilden die dargestellten Kosten jedoch nicht die tatsächlichen Aufwendungen ab.  

Die Barmer hält die Kritik an ihrem Informationsschreiben für „unberechtigt“, antwortet deren Pressestelle. Für die genannten Anwendungsgebiete seien die beiden aufgeführten Präparate die einzigen von der EMA zugelassenen Arzneimittel mit einer wissenschaftlich nachgewiesenen Wirksamkeit. „Andere Arzneimittel in der gleichen Darreichungsform erfüllen diese Voraussetzungen nicht, werden aber dennoch häufig von Ärzten verordnet. Unser Schreiben an die Ärzte zielt in erster Linie darauf ab, hierüber zu informieren“, so die Kasse. 

Für ein „korrigiertes Informationsschreiben“, wie von den Fachgesellschaften gefordert, sieht die Barmer „keinen Anlass“. Sie steht aber u.a. mit dem Verband Deutscher Allergologen im Dialog und zeigt sich bereit für einen „sachlich-fachlichen“ Austausch über Arzneimittelverordnungen mit den anderen Fachgesellschaften.

Medical-Tribune-Bericht