G-BA beschließt Disease-Management-Programm zu chronischen Kreuzschmerzen

Gesundheitspolitik Autor: Isabel Aulehla

Der Behandlungsplan soll Menschen mit chronischem Rückenleiden helfen, stößt aber stattdessen auf Kritik. Der Behandlungsplan soll Menschen mit chronischem Rückenleiden helfen, stößt aber stattdessen auf Kritik. © iStock/ChesiireCat

Das neue DMP Rückenschmerz betont die Selbstverantwortung der Patienten. Bei Vertretern der Krankenkassen ist das Programm umstritten.

Es ist eines der Beispiele für das oft beklagte langsame Arbeiten des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Mehr als fünf Jahre der Diskussion hat es gekostet, bis es am 18. April 2019 so weit war: Nach hitzigen Debatten hat der G-BA die Anforderungen an das Disease-Management-Programm (DMP) chronischer Rückenschmerz beschlossen – offenbar gegen die Stimmen des GKV-Spitzenverbandes.

Wenn das Bundesgesundheitsministerium den Beschluss nicht beanstandet, tritt dieser nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Die Umsetzung erfolgt auf der Basis regionaler Verträge zwischen Krankenkassen und Ärzten/Kliniken – wobei zuvor das Bundesversicherungsamt prüft, ob die Anforderungen des G-BA eingehalten werden.

Das DMP soll Patienten offenstehen, die länger als zwölf Wochen unter Rückenschmerzen leiden. Voraussetzung ist, dass diese Schmerzen nicht auf spezifische Ursachen wie etwa Wirbelkörperfrakturen, rheumatische Erkrankungen oder einen Tumor im Bereich der Wirbelsäule zurückzuführen sind. Ausgeschlossen sind auch Patienten, deren Rückenschmerzen als Berufserkrankung anerkannt wurden.

Zentraler Bestandteil der Therapie ist Bewegung

Zur Diagnostik gehört das Feststellen des Ausmaßes der Schmerzstärke und einer funktionellen Beeinträchtigung von mindestens Grad II, erhoben durch den Patientenfragebogen „Chronic Pain Grade“. Bevor sich der Patient ins DMP einschreibt, hat der Arzt zu prüfen, ob eine medizinische Rehabilitation sinnvoll ist. Bei Patienten, die trotz leitliniengerechter Therapie unter anhaltenden aktivitätseinschränkenden oder progredienten Kreuzschmerzen leiden, kommt bildgebende Diagnostik in Betracht.

Der Arzt hat darüber aufzuklären, dass chronischen Rückenschmerzen biopsychosoziale Faktoren zugrunde liegen. Die Patienten sollen zu körperlicher Aktivität motiviert werden. Jeder Teilnehmer soll mit dem Arzt einen Therapieplan mit Zielen formulieren. Medikamenten kommt eine unterstützende Funktion zu.

Ein weiterer Bestandteil des DMP sind Gruppenschulungen, die ein somatisches und ein psychisches Modul enthalten. Die Basismaßnahmen, die einheitlich durchzuführen sind, können durch individuelle Behandlungen ergänzt werden. Sie umfassen verschiedene Möglichkeiten der angeleiteten Bewegungstherapie. Je nach Befund kann etwa zwischen Krankengymnastik, Entspannungsverfahren oder Ergotherapie gewählt werden. Nach zwei Jahren soll der behandelnde Arzt gemeinsam mit dem Patienten prüfen, ob eine weitere Teilnahme am DMP sinnvoll ist.

Es wird „großer Wert auf eine gesicherte Diagnose gelegt“

Das DMP ist schon seit 2014 ge­plant. Aufgrund der häufig schwammigen Diagnose „Rückenschmerz“ ist es umstritten. Bereits 2017 sprach die Techniker Krankenkasse einem festgelegten Behandlungsprogramm für Kreuzschmerzen den Sinn ab: „Bei Rückenschmerzen ist die Dia­gnose diffus und oft unspezifisch, die Ursachen sind vielfältig, die Zielgruppe nicht klar abgrenzbar.“ Kritisiert wird auch, dass die Empfehlungen des IQWiG, auf denen das Programm beruht, nicht vollständig evidenzbasiert seien.

Professor Dr. ­Elisabeth Pott, Vorsitzende des G-BA-Unterausschusses DMP, beruhigt: „Rückenschmerz stellt kein klar umrissenes Krankheitsbild dar, sondern es handelt sich um Symptome mit unterschiedlichen Ursachen; im DMP wird, um eine Fehlversorgung zu vermeiden, großer Wert auf eine gesicherte Diagnose gelegt.“

Derzeit sind für sechs Indikationen DMP zuge­lassen. 2017 waren ca. 6,8 Mio. Versicherte eingeschrieben. Weitere Programme für Depressionen, Osteoporose und rheumatoide Arthritis sollen folgen.

Medical-Tribune-Bericht