Germany‘s Next Versorgungsmodell
Symptome, Laborwerte und Allgemeinzustand eines Patienten erfordern eine schnelle Abklärung – aber trotz zeitaufwendiger telefonischer Intervention will es nicht klappen mit den Terminen. Am Ende bleibt nichts anderes übrig, als den Patienten einzuweisen. Nach fünf Tagen steht er mit vollständiger differenzialdiagnostischer Abklärung wieder in der Praxis. Die gleiche ambulante Prozedur hätte gut und gerne sechs Wochen gedauert! Geht eigentlich gar nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, weder aus medizinischer noch aus politischer Sicht.
Längst werden Rufe lauter, wir könnten die ambulante Versorgung nicht sicherstellen. Das müssen wir selbstkritisch hinterfragen, auch mit Blick auf die überfüllten Krankenhausambulanzen. Mit Medizinstudenten habe ich Notfallambulanzen besucht. Die angehenden Ärztinnen/Ärzte haben die Wartenden gefragt, warum sie auch zu besten Sprechstundenzeiten dort stundenlang verharrten. Die Antworten rechtfertigten in der Regel tatsächlich den Bedarf an medizinischem Sachverstand – aber nur selten, warum dieser in der Ambulanz eines Krankenhauses eingeholt werden musste! Überhaupt nicht nachvollziehbar war, dass offensichtlich gerade um die Mittagszeit vielen Patienten vom Praxispersonal telefonisch der Rat gegeben wurde, am besten doch gleich das Krankenhaus aufzusuchen ...
Die vor einem Jahr von der KBV und dem Marburger Bund vorgeschlagene so sinnvolle Lenkung der Patientenströme über die 116 117, und zwar rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr, findet sich jetzt auch im Spahn’schen Terminservice- und Versorgungsgesetz TSVG. Ein teures – das Geld muss der Leistung folgen – „Rundum-Sorglos-Paket“, für dessen öffentlichkeitswirksame Umsetzung sich niedergelassenen Haus-/Fachärzte und Krankenhausärzte lautstark einsetzen sollten.
Gut funktioniert's z.B. im Klinikum Frankfurt Hoechst
Entsprechende gute Modelle funktionieren längst bei uns, so wie beispielsweise im integrierten Notfallzentrum am Klinikum Frankfurt Hoechst. 50 000 Patienten suchen jährlich diese Notaufnahme auf, ein Großteil kann wieder nach Hause. Im Oktober 2017 startete hier die koordinierte Notaufnahme. Kernelement ist der gemeinsame Tresen von Ärztlicher Bereitschaftsdienst Zentrale (ÄBZ) und Klinikum, an dem eine Triage durch geschulte Pflegekräfte stattfindet. Die Mitarbeiter am Tresen leiten die ambulanten Fälle außerhalb der Sprechstundenzeiten an die ÄBZ (KV) im Klinikum weiter, zu Sprechstundenzeiten werden die ambulanten Patienten an Partnerpraxen vermittelt. Stationäre Fälle werden in der Klinik versorgt.
Wenn der Bayerische Facharztverband (BFAV) auffordert, sich von den Zwängen der budgetierten Kassen-Medizin unabhängig zu machen, so ist das Labsal für unsere geschundenen Seelen. Aber zu wenige Kolleginnen und Kollegen folgen solchen Aufrufen und sie verpuffen meistens. Zuletzt hatte es im Jahr 2010 der damalige Chef des Bayerischen Hausärzteverbandes Wolfgang Hoppenthaler versucht, indem er mit dem „Korbmodell“ für einen Ausstieg der bayerischen Hausärzte aus dem KV-System warb. Der Plan scheiterte an der Masse. Der damalige bayerische Gesundheitsminister Söder drohte übrigens zu diesem Anlass, im Falle eines Ausstiegs der Hausärzte, Mediziner aus dem Osten Europas nach Bayern zu holen.
Unsere Energie sollten wir einsetzen für (auch sektorenübergreifende) Versorgungsmodelle, auch wenn diese zunächst von der KV als nicht durchführbar bezeichnet werden. Was sie als verlängerter Arm des Gesetzgebers auch tun muss. Wir als Niedergelassene haben aber viel mehr Spielräume als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts!
Die Idee muss hilfreich sein und Mitstreiter finden
In der Eifel zum Beispiel hatte die Ärztegenossenschaft Medicus rund um den Hausarzt Michael Jager die Idee, mit einem MVZ die medizinische Versorgung von 100 000 Einwohnern im Eifelkreis Bitburg-Prüm zu sichern. Allerdings ohne Unterschrift eines jeden der teilnehmenden Ärzte unter eine selbstschuldnerische Bürgschaft. Die wollte der Zulassungsausschuss aber haben. Bundesgesundheitsminister Spahn hat jetzt gerade Medicus den Weg frei gemacht: „Genossenschaftler müssen nicht für Regresse haften.“ Jetzt will auch die KV der Genossenschaft Medicus keine Steine mehr in den Weg legen und reagiert damit bravourös.
Auch wenn mir Aktionen à la Hoppenthaler oder BFAV lieb wären: Sie sind realpolitisch nicht umsetzbar. Dagegen finden sich für Modelle, die vielleicht nicht sofort von der KV unterstützt werden können, aber unsere Situation verbessern und uns den Sicherstellungsauftrag sichern, meist genügend Mitstreiter – auch dank eines ehrgeizigen Bundesgesundheitsministers.