Korruptionsfall Alexander B. Goldesel-Gutachten auch von Ärzten bezahlt

Gesundheitspolitik Autor: Anouschka Wasner

Die Strategie des Oberstaatsanwalts bescherte ihm früher Geld – jetzt Untersuchungshaft. (Agenturfoto) Die Strategie des Oberstaatsanwalts bescherte ihm früher Geld – jetzt Untersuchungshaft. (Agenturfoto) © motortion – stock.adobe.com

Im Korruptionsfall des Ex-Leiters der Zentralstelle für Medizinstrafrecht Hessen gibt es neue Erkenntnisse. Diese lassen es sicher erscheinen, dass auch Beschuldigten ungerechtfertigte Kosten auferlegt wurden. Und sind vielleicht nicht nur die Rechnungen, sondern auch die Inhalte der Gutachten angreifbar?

Eigentlich hätte der unter Korruptionsverdacht stehende Alexander B. den Haftbefehl in seiner Wohnung entgegennehmen sollen. Doch er hatte sich nicht an die Meldeauflagen gehalten, denen er unterlag. „Mittels technischer Überwachungsmaßnahmen konnte der Beschuldigte jedoch lokalisiert werden“, so die Staatsanwaltschaft. Jetzt sitzt der ehemalige Leiter der Zentralstelle für Medizinstrafrecht (ZMS), der sich schließlich selbst zum Polizeirevier begab, erneut in Untersuchungshaft.

Der neue Haftbefehl war erforderlich, weil die Ermittlungen neben dem Korruptionsvorwurf von Kick-back-Zahlungen jetzt auch einen dringenden Tatverdacht wegen „gewerbsmäßiger Untreue“ und Steuerhinterziehung in einer Vielzahl von Fällen begründeten. Erkenntnisse aus Unterlagen und Datenträgern sowie Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten haben ergeben, dass Oberstaatsanwalt Alexander B. die ZMS „gezielt instrumentalisiert“ haben soll, um einer auf seine Initia­tive hin gegründeten Firma sowie deren Mitarbeiterinnen und sich selbst auf Kosten der hessischen Justiz Einnahmen zu verschaffen.

Laut Staatsanwaltschaft ist dem Land Hessen hierdurch allein für die Zeit von August 2015 bis Juli 2020 und nur für die bereits ermittelten Fälle ein Schaden in Höhe von 558.000 Euro entstanden. Die Höhe des Gesamtschadens könne angesichts der andauernden Ermittlungen nicht abschließend beziffert werden.

Wie funktionierte das ­„System B.“?

Wurden der Zentralstelle für Medizinstrafrecht (ZMS) ein Verdacht auf Fehlverhalten angezeigt, ließ ihr Leiter Oberstaatsanwalt Alexander B. im Rahmen der Ermittlungen Gutachten bei bestimmten Unternehmen erstellen. Als Gegenleistung erhielt er von den Firmen Kick-back-Zahlungen. Finanzieller Schaden enstand z.B. dadurch, dass Tätigkeiten vergeben wurden, die eigentlich in den Aufgabenbereich der Staatsanwaltschaft fallen –„bis hin zur Abfassung erheblicher Teile von Anklageschriften“. Außerdem unterschieden die Rechnungsstellungen nicht zwischen Hilfstätigkeiten und Sachverständigentätigkeit, es wurden allgemeine Betriebskosten abgerechnet – und zwar als in einzelnen Verfahren angefallene Kosten – sowie Leistungen, für die keine Notwendigkeit bestand oder die gar nicht erbracht wurden, und es wurden Leistungen mehrfach abgerechnet. Die Rechnungen wurden von Alexander B. selbst abgezeichnet. Die Kosten für die Gutachten wurden entweder vom Land Hessen oder von den Beschuldigten getragen – häufig Niedergelassene.

Geschädigt wurde jedoch nicht nur das Land Hessen, „sondern in einzelnen Fällen auch Verurteilte, denen Verfahrenskosten auferlegt wurden, die sie nicht hätten erbringen müssen“. So hatte es ein Vertreter der ermittelnden Frankfurter Staatsanwaltschaft im Dezember 2021 vor dem rechtspolitischen Ausschuss des Hessischen Landtages formuliert.

Validität der Gutachten könnte neu betrachtet werden

Das ist naheliegend: In Fällen, in denen ein Verfahren gegen Auflage eingestellt wird oder der Beschuldigte verliert, werden die Kosten für Gutachten häufig vom Beschuldigten getragen. Doch nicht nur das: Da die Staatsanwaltschaft jetzt genauer benennt, wie die Gutachten erstellt wurden, stellt sich die Frage, wie stichhaltig diese überhaupt sind. Für den beschuldigten Oberstaatsanwalt sieht das Gesetz für die gewerbsmäßige Untreue im Amt, die schwere Bestechlichkeit sowie die Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall jeweils Freiheitsstrafen von bis zu zehn Jahren vor. Die Ermittlungen gegen den Oberstaatsanwalt und acht weitere Beschuldigte, darunter auch der nächste Mitarbeiter von Alexander B., ein weiterer Staatsanwalt, dauern an.

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