Sechs Jahre – und jetzt? Wie das Urteil gegen Alexander Badle, den korrupten Korruptionsjäger, bewertet werden kann
Geachtet und gefürchtet: Viele Jahre lang führte der Frankfurter Ex-Oberstaatsanwalt Alexander Badle mit strenger Hand die Sonderermittlungen gegen Korruption im Gesundheitswesen in Hessen. Die von ihm geschaffene bundesweit erste Struktur im Medizinwirtschaftsstrafrecht erarbeitete sich dabei einen hervorragenden Ruf als konsequente Kämpferin gegen Betrug in der ärztlichen Abrechnung.
Mit dieser Struktur zog sich Badle aber auch einen Kick-back-Goldesel groß, der seinesgleichen sucht. Irgendwann wurde man misstrauisch, und um es kurz zu machen: Das Geschäft flog auf und einer der großen Justizskandale der Nachkriegszeit verlangte nach Aufklärung.
Korruption im Gesundheitswesen – Der Fall Alexander B.
Medical Tribune begleitet den Fall Badle seit seiner ersten Festnahme im Juli 2020. Lesen Sie mehr dazu im Blog „Korruption im Gesundheitswesen – Der Fall Alexander B.“.
In einem fünfmonatigen Prozess zwischen Januar und Mai 2023 gestand Badle, in seiner Funktion als Korruptionsbekämpfer über viele Jahre lang Schmiergelder akzeptiert und verlangt zu haben. Vor sechs Monaten verurteilte das Landgericht Frankfurt ihn dann wegen Korruption, Untreue und Steuerhinterziehung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren. Schuldig gesprochen wurde er der Bestechlichkeit in 86 Fällen, der Untreue in 54 Fällen und der Steuerhinterziehung in 9 Fällen. Der Anklage zufolge kassierte Badle allein im nicht verjährten Zeitraum zwischen 2015 und 2020 Bestechungsgelder von rund 350.000 Euro.
Was steht auf den Seiten vom Urteil, die noch fehlen?
Jetzt liegt das Urteil schwarz auf weiß auf dem Tisch: sechs Jahre und Einzug der Taterträge. Überraschungen enthält das schriftliche Urteil keine gegenüber dem, was bereits im Mai bekannt wurde. Von den 320 Seiten wurden bislang aber nur 88 veröffentlicht, da Badle Revision einlegen will. Das Verfahren liegt jetzt beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe.
Der Fachanwalt für Medizinrecht Dirk R. Hartmann aus Frankfurt am Main, der vielfach Ärztinnen und Ärzte vertreten hatte, gegen die der Oberstaatsanwalt ermittelte, findet, dass sich das Gericht Mühe gegeben habe, den komplexen Sachverhalt, der bis in die 2000er Jahre zurückreicht, aufzuarbeiten. Die Einlassung von Badle dagegen sei ihm eher halbherzig und etwas selbstmitleidig vorgekommen. Deswegen sei der nicht veröffentlichte Teil des Urteils, der sich mit der Strafzumessung beschäftig, interessant. „Ich würde gerne wissen, wie das beim Gericht ankam.“
Mit einer Freiheitstrafe im gegebenen Rahmen habe er gerechnet. „Ich habe allerdings von manchen Ärzten gehört, dass ihnen das Urteil zu mild erscheint und dass sie sich mehr an Aufarbeitung speziell der damaligen Abläufe bei der Staatsanwaltschaft gewünscht hätten. Das waren besonders Ärzte, die von Badle strafverfolgt wurden und bei denen es zu einer Verurteilung gekommen ist“, so RA Hartmann.
Auch Dr. Alexander Dorn, Fachanwalt für Medizinrecht, kennt Badle aus seiner juristischen Tätigkeit heraus und hat sich mit dem Fall auseinandergesetzt. Dass der Ex-Oberstaatsanwalt verurteilt wurde, sei sicher eine Genugtuung für die Ärztinnen und Ärzte in Hessen, sagt er. In der Höhe der Strafe sei das Urteil seiner Meinung nach angemessen. Allerdings sollte die „Ära Badle“ noch weiter aufgearbeitet werden, so der Rechtsanwalt.
Aber was heißt die Verurteilung für jene Ärztinnen und Ärzte, gegen die der Ex-Oberstaatsanwalt Ermittlungen geführt hatte? Rechtsanwalt Hartmann hat Verständnis für die Betroffenheit von Ärztinnen und Ärzten, deren Verfahren gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt wurde oder die die Verfahrenskosten tragen mussten und sich jetzt die Frage stellen, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Sie würden sich jetzt verständlicherweise missbraucht und als Opfer fühlen. Aber: „Das stimmt in aller Regel nur für die Kosten, nicht für das, was die Ärztinnen und Ärzte getan haben. Die Ermittlungsergebnisse aus den Verfahren gegen die Ärztinnen und Ärzte werden nicht alleine in Zweifel gezogen, weil der Staatsanwalt selbst korrupt gewesen sein soll.“
In der Regel können Ermittlungsergebnisse eingestellter Verfahren nicht mehr angegriffen werden, erklärt er dazu. Und auch bei Verurteilungen sind die Hürden für eine Wiederaufnahme hoch. „Abgesehen davon ist fraglich, ob ein damals gegen Auflage eingestelltes Verfahren oder ein Urteil heute mit einem anderen Ergebnis ausgehen würde. Mit anderen Worten: Ärztinnen und Ärzte mit einer früheren Verurteilung können jetzt nicht grundsätzlich mit einem Freispruch rechnen.“
RA Dorn sieht das ähnlich: „Dass bereits abgeschlossene Verfahren wieder aufgenommen werden, etwa um die zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ausgehandelten Ergebnisse zu korrigieren, halte ich für ebenso zweifelhaft wie unwahrscheinlich.“ Möglicherweise sollten betroffene Ärztinnen und Ärzte mit ihren damaligen Verteidigern diskutieren, ob ein optimales Ergebnis erreicht wurde.
Die Verfahren in Hessen sind weniger geworden
Interessant ist aus seiner Sicht, dass sich seit der Causa Badle die Zahl der Verfahren, die in Hessen gegen Ärztinnen und Ärzte geführt werde, spürbar verringert hat. „Die Staatsanwaltschaft Fulda, die nun zuständig ist, betreibt die Verfahren mit mehr Augenmaß als es die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main getan hat.“ Zudem würden keine „Sachverständigen“ mehr eingesetzt, was den Verfahren gut tue.
Mit einer Entscheidung über die Revision ist im Frühjahr 2024 zu rechnen. Es wird nicht erwartet, dass im Rahmen der Revision oder der Ermittlungsverfahren gegen zwei weitere Staatsanwälte neue Erkenntnisse zu Tage kommen.
Quelle: Medical-Tribune-Recherche