Wenn ein Staatsanwalt, der gegen die Korruption kämpft, sich schmieren lässt
Bei dem laut einer Pressemeldung der Staatsanwaltschaft Frankfurt am 23.07.2020 festgenommenen Beamten des höheren Justizdienstes handelt es sich offensichtlich um Alexander B., Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main und Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im Gesundheitswesen. Der 53-jährige Beschuldigte befindet sich aktuell in Untersuchungshaft, genauso wie ein weiterer Verdächtiger in dieser Sache.
Seit 2019 ermittelt die Frankfurter Staatsanwaltschaft bereits gegen Alexander B. und einen 54-jährigen Unternehmer wegen des Verdachts der gewerbsmäßigen Bestechlichkeit bzw. Bestechung. Am 23. Juni wurden dann zehn Objekte, darunter die Wohnungen der beiden Beschuldigten in Frankfurt und im Hochtaunuskreis sowie der Arbeitsplatz des Beamten durchsucht.
Den bisherigen Ermittlungen zufolge besteht der Verdacht, dass der Unternehmer auf Initiative von Alexander B. im Jahr 2005 eine Gesellschaft gegründet hat, deren Geschäftszweck überwiegend im Erstellen von Gutachten für Justizbehörden bestand. In den letzten zehn Jahren soll das Unternehmen so mehr als 90 % seiner Einnahmen aus Gutachtenvergütungen von Justizbehörden in Höhe von über 12,5 Millionen Euro auf Grund von Aufträgen des Staatsanwaltes erzielt haben.
Arreste wurden erwirkt
Gegen diesen wiederum besteht der Verdacht, dem begünstigten Unternehmen zu Gutachtenaufträgen in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren verholfen zu haben. Als Gegenleistung soll er einen Teil der Erlöse erhalten haben. Von August 2015 bis Juli 2020 sollen auf diese Weise Zahlungen in Höhe von über 240 000 Euro an den Staatsanwalt geflossen sein.
Bei den Durchsuchungsmaßnahmen wurden laut Staatsanwaltschaft neben Bargeld im vierstelligen Bereich Unterlagen und elektronische Datenträger sichergestellt, die jetzt ausgewertet werden sollen. Um eine Vermögensabschöpfung zu verhindern, wurden Arreste erwirkt. Die Ermittlungen sollen auf eine Strafanzeige aus dem persönlichen Umfeld des Staatsanwaltes zurückgehen. Weitere Auskünfte will die Staatsanwaltschaft derzeit aus ermittlungstaktischen Gründen nicht erteilen.
Die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag und der SPD in Hessen, Nancy Faeser, hat Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) aufgefordert, den Landtag umfassend über die Korruptionsaffäre zu informieren. Der Fall habe eine Dimension, die eine umgehende Unterrichtung des Parlaments erforderlich mache.
Anderthalb Jahrzehnte unentdeckt geblieben
„Soweit wir aus den Medien wissen, hat ein Oberstaatsanwalt über einen Zeitraum von 15 Jahren Gutachteraufträge im Wert von mehr als zwölf Millionen Euro an ein einziges Unternehmen vergeben und dafür hunderttausende Euro an Schmiergeldern kassiert. Es ist unfassbar, dass ein einzelner Beamter jahrzehntelang offensichtlich ohne jede Kontrolle über Gutachteraufträge in diesem Umfang entscheiden kann.“ Sie fordert, die Justizministerin müsse schleunigst klären, wo und warum das System der Auftragsvergabe bei der Generalstaatsanwaltschaft versagt hat. Es beschädige das Ansehen der gesamten Justiz, wenn derartig dreiste Korruption in einer ihrer wichtigsten Behörden anderthalb Jahrzehnte unentdeckt bliebe.
Alexander B. war seit 2002 bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main, seit 2009 mit dem Schwerpunkt in der Bekämpfung von Vermögensstraftaten sowie Korruption im Gesundheitswesen. 2010 wurde er Oberstaatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, 2014 übernahm er das Amt des Pressesprechers. Alexander B. gilt als Experte im Medizinwirtschaftsstrafrecht und ist Mitherausgeber der Zeitschrift medstra – Zeitschrift für Medizinstrafrecht.