Impfstoff ist aus
Heute ist die zweite Zosterimpfung dran. Also schnell in der zugegeben etwas verfrühten Mittagspause ins Auto und zum Hausarzt. Der residiert über der Apotheke – ideal, um das rasch ausgestellte Rezept einzulösen. So hat sich das der 64-Jährige gedacht. Dann aber die unliebsame Überraschung: Der Totimpfstoff ist aus, voraussichtlich erst Ende des Jahres wird die Einzeldosis wieder verfügbar sein. Den Zehnerpack wird es vielleicht wieder ab Juli geben. Ein Lieferengpass aufgrund der hohen Nachfrage, erklärt ihm der Hausarzt nach Blick in den Computer. Der Anruf unten in der Apotheke hilft auch nicht weiter: keine einzige Vakzine mehr im Kühlschrank.
Und jetzt? Die Grundimmunisierung erfordert zwei Impfstoffgaben im Abstand von zwei Monaten. Falls es nicht anders geht, sind auch sechs Monate erlaubt. Doch angesichts der Lieferprognose scheint auch dieses Intervall uneinhaltbar. Ratlosigkeit beim Patienten, Ratlosigkeit beim Arzt.
Doch der 64-Jährige gibt nicht auf, hängt sich ans Telefon, klappert die zahllosen Apotheken der Stadt ab – seine Mittagspause ist mittlerweile weit überzogen. Bei gefühlt Nummer 25 wird er endlich fündig: Eine einzige Impfstoffdosis ist in der kleinen Vorortapotheke noch vorhanden. Also wieder rein ins Auto, das Medikament besorgen, zurück zum Hausarzt, impfen lassen – Glück gehabt.
Viele andere „angeimpfte“ Patienten werden genau das nicht haben. Sie können nur hoffen, dass das STIKO-Prinzip „jede Impfung zählt“ auch für die Zoster-Immunisierung gilt. Die zweite Impfung solle umgehend bei Wiederverfügbarkeit des Impfstoffs nachgeholt werden, heißt es beim RKI. Prima. Fragt sich nur, wie viel Impfschutz dann noch erreichbar ist.
Da empfiehlt die STIKO Ende 2018 eine neue Standardimpfung für Menschen ab 60 Jahre und besonders gefährdete Personen ab 50 Jahre und wenige Monate später lässt sich diese Empfehlung schon nicht mehr umsetzen. Freude kommt auf, vor allem bei den Ärzten, die ihre Patienten erst mit viel Mühe von der Sinnhaftigkeit der Immunisierung überzeugt haben und sie nun in den Wartestand schicken müssen.
Birgit Maronde
Chefredakteurin Medical Tribune