Praxiskolumne Ist die Kritik an „Medfluencern“ berechtigt?

Kolumnen Autor: Sebastian Alsleben

„Medfluencer“ stehen vermehrt in Kritik. (Agenturfoto) „Medfluencer“ stehen vermehrt in Kritik. (Agenturfoto) © Serhii – stock.adobe.com; MTD

In meiner letzten Kolumne habe ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, dazu aufgefordert, sich auf Social Media zu engagieren. Seitdem sind mir ein sehr kritischer Beitrag eines öffentlich-rechtlichen Senders und mehrere negative Zeitungsartikel zu diesem Thema aufgefallen. Der Vorwurf: Ärztinnen und Ärzte, aber auch Medizinstudierende würden ihre (zukünftige) Berufsbezeichnung auf fragwürdige Weise ausnutzen, um sich im Netz einen Namen zu machen. Zeit für eine genauere Betrachtung des Begriffs „Medfluencer“!

Ein Medfluencer ist eine Person, die im medizinischen Bereich arbeitet und gleichzeitig im Internet über gesundheitliche Themen aufklärt. Das Interesse an diesen Inhalten ist groß. So hat zum Beispiel Felix Berndt mit seinem TikTok-Account „Doc Felix“ aktuell 750.000 ­Follower, auch auf Instagram folgen ihm fast 300.000 Menschen. Seine Videos werden millionenfach geklickt.

Ich halte es grundsätzlich für sinnvoll, wenn eine Person ihre Reichweite nutzt, um für eine gesundheitlich besser aufgeklärte Gesellschaft zu sorgen. Woran entzündet sich aber die Kritik an Medfluencern? Im Fokus stehen vor allem zwei Punkte.

Der erste Kritikpunkt bezieht sich auf das Heilmittelwerbegesetz. Darin ist bekanntlich definiert, in welchem Umfang Ärztinnen und Ärzte Werbung machen dürfen. Für diese Kolumne habe ich mit mehreren Medizinrechtlern gesprochen. Ohne Anspruch auf rechtliche Gültigkeit zu erheben, hier eine kurze Zusammenfassung: Im Grundsatz darf in begrenztem Maße Werbung für die eigene ärztliche Tätigkeit gemacht werden. Anders sieht es bei einer Werbetätigkeit für Firmen und andere Dritte aus. Hier besteht ein klares Werbeverbot, zumindest für Medizinprodukte. Dazu zählen nicht nur Arzneimittel, sondern auch Produkte etwa aus dem Beauty-Segment. Laut den von mir befragten Juristen ist auch das Werben für Produkte aus dem nicht-medizinischen Bereich mit äußerster Vorsicht zu genießen. Denn es wird gewissermaßen unterstellt, dass die Reputation des Arztberufs ausgenutzt werden könnte, um das Vertrauen in ein Produkt zu erhöhen.

Das ist keine reine Theorie: Seitdem mir mittlerweile knapp 30.000 Personen auf meinem Instagramkanal folgen, kontaktieren mich immer öfter Firmen per E-Mail und stellen Kooperationsanfragen. Mit teils sehr lukrativen Angeboten.

Ich halte die bestehende Regelung im Grundsatz für richtig. Denn Personen im medizinischen Bereich – und dazu gehören auch Studierende der Medizin – sollten unabhängig von privatwirtschaftlichen Interessen aufklären. Bei nicht-medizinischen Produkten wie beispielsweise Kleidung, Reiseempfehlungen und Ähnlichem sehe ich das allerdings anders. Viele Prominente oder Influencer werben für Produkte und starten Kooperationen. Und als Arzt empfehle ich ja nicht aus medizinischer Sicht, einen bestimmten Pullover zu tragen. Ich nutze vielleicht meine Reichweite, aber nicht meine ärztliche Autorität.

Der zweite Kritikpunkt richtet sich gegen Medizinstudentinnen und -studenten, die online bereits Menschen beraten, ohne je einen Patienten eigenverantwortlich behandelt zu haben. Ähnliche Kritik wird an Felix Brandt bzw. Doc Felix gerichtet, der, zumindest den öffentlich verfügbaren Informationen nach zu urteilen, nie praktiziert hat.

Ich verstehe das Argument der praktischen Erfahrung, die im Arztberuf schon immer eine wichtige Rolle gespielt hat. Dennoch: Muss ein Video zu einem Medizinthema, das gut aufbereitet und fachlich korrekt ist, zwingend von einem praktizierenden Arzt stammen? Ich denke nicht.

Zu beiden Kritikpunkten wird sich so schnell kein Konsens bilden. Daher muss sich jeder einzelne von uns Medfluencern mit seiner eigenen Verantwortung beschäftigen – und sich in Zweifelsfragen am ärztlichen Berufsethos orientieren. Dann steht einer breiten und qualitativ guten Gesundheitsaufklärung im Netz nichts im Wege.