Gesundheitspolitische Veränderungen Keine Reform-Scheibchen mehr
Der Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes Fachärzte (SpiFa) Dr. Dirk Heinrich machte beim Fachärztetag klar, was die 135.000 vertretenen Kolleginnen und Kollegen von der Politik erwarten: Handeln. Es herrsche viel Unruhe unter den Ärztinnen und Ärzten angesichts der anstehenden Krankenhausreform, mahnte der SpiFa-Chef in Richtung des anwesenden Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach. Wer behalte den Arbeitsplatz, welche Abteilung überlebe, seien aktuell die Fragen. Patienten wüssten nicht, ob die Klinik vor Ort weiterbestehe. Weiterbildungsassistenten wüssten nicht, ob sie ihre Weiterbildung so fortführen könnten.
Eine Krankenhausreform werde gebraucht, aber „aus einem Guß“, betonte der SpiFa-Chef. Die Krankenhausreform müsse mit weiteren angestoßenen Reformen wie der Ambulantisierung bisher stationär erbrachter Leistungen notwendigerweise verzahnt werden. „Wir können uns auch finanziell eine scheibchenweise stattfindende Krankenhausreform gar nicht leisten.“ Eine umfangreiche Transformation lasse sich auch ohne entsprechende Finanzierung nicht machen, stellte Dr. Heinrich klar. Für die ambulantisierte Medizin, die dann im niedergelassenen Bereich zu Veränderungen führe, müsse eine entsprechende Strukturfinanzierung stattfinden.
Ein weiteres Problemfeld, auf das der SpiFa-Vorsitzende hinwies: Das hybride Arbeiten über Klinik und Niederlassung hinweg. Die zur Verfügung stehenden gesetzlichen Instrumente des SGB V seien nicht ausreichend. Anpassungen ließen sich aber im Versorgungsgesetz I unterbringen: „Wir brauchen eine Statusdefinition des niedergelassenen Arztes in der stationären Versorgung, denn ansonsten steht uns der Paragraf 299a des Strafgesetzbuches immer entgegen.“ Den Anti-Korruptionsparagrafen sieht der SpiFa-Vorsitzende im Moment als den größten Hemmschuh einer besseren Verzahnung zwischen ambulant und stationär. Niedergelassene könnten zwar in Teilanstellung arbeiten, das aber wolle doch eigentlich niemand. Dieser Hemmschuh müsse schnell beseitigt werden, um zu einem dynamischen Veränderungsprozess in den niedergelassenen Strukturen zu kommen.
Angesichts des demografischen Wandels müssten Ärztinnen und Ärzte zudem lange im Beruf gehalten werden, zu entsprechenden Bedingungen: „Wir würden auch bis 70 arbeiten – aber nicht, wenn man jeden Tag einen neuen Knüppel zwischen die Beine geworfen bekommt von irgendeiner Seite“, so Dr. Heinrich.
Angesichts der „völlig aus dem Ruder gelaufenen und fachgruppenungerechten Budgetierung“ forderte er weiteres politisches Handeln: „Das Ding muss weg!“ Er drängt auf Entbudgetierung aller Fachgruppen, ersetzt durch eine intelligente Patientensteuerung per Überweisung. Wenn der Bedarf einer fachärztlichen Untersuchung festgestellt werde, dann gebe es doch keinen vernünftigen Grund für eine Budgetierung dieser bereits als notwendig festgestellten Untersuchung und Diagnostik. Sein Appell an die Krankenkassen: „Gestehen Sie auch unserem medizinischen Fachpersonal die Entlohnung zu, die Sie Ihren eigenen Sozialversicherungsfachangestellten gewähren.“
Lauterbach: „Wir entlasten und entbürokratisieren“
Der Bundesgesundheitsminister reagierte mit Verweis auf bereits laufende Gesetzesbestrebungen. Gesetze kämen früher, schneller oder auch umfänglicher. Dennoch sieht er das Gesundheitswesen „am Vorabend einer Notsituation“. Digitalisierung, Ärztemangel, Prävention seien nur einige der Themen auf der politischen Agenda. Und die Krankenhausreform – „eine riesige und gute Reform, durch die die Weiterbildung gefördert wird“, wie der Minister betont. Es werde mehr Spezialisierung geben und Entbürokratisierung. Auch der Facharztstandard werde vorgegeben. Die Reform ist zurzeit in der regierungsinternen Koordination und soll in Kürze öffentlich werden.
Auch die Entbudgetierung der Hausärzte und eine Jahrespauschale für die hausärztliche Versorgung sind vorgesehen. Ebenso ein weitestgehender Verzicht auf den Arzneimittelregress. Investorenbetriebene MVZ sollen drastisch eingeschränkt werden. Er sei auch bereit, dem Thema GOÄ seine Gedanken zu öffnen, so Prof. Lauterbach. Dann betonte er noch Pläne zu 1.000 Gesundheitskiosken „in den ärmsten Gegenden Deutschlands“. Die fachärztliche Budgetierung in diesen Bereichen könne man sich noch einmal anschauen. Angedacht ist von ihm eine Regelung zur Steuerung der Terminvergabe in Facharztpraxen mit extrabudgetären Anteilen. Der Minister bestätigte zudem, dass ein Status gebraucht werde, der es ermöglicht, gleichzeitig als Krankenhausarzt und als Vertragsarzt zu arbeiten.
Quelle: 10. SpiFa-Fachärztetag 2024