Körperverletzung mit Todesfolge, Vergewaltigung, Entführung – Ex-Kardiologe vorzeitig frei
Alles begann im Juli 1982 in Lindau am Bodensee. Dr. Krombach, damals verheiratet in dritter Ehe mit der Französin Danielle Bamberski, arbeitete zu der Zeit als niedergelassener Internist und Kardiologe in der Stadt.
Im Sommer des Jahres verbrachten seine Stiefkinder, die 14-jährige Kalinka und ihr jüngerer Bruder Nicolas, ihre Ferien am Bodensee. Am Morgen des 10. Juli lag das Mädchen tot in seinem Bett, angeblich erstickt an Erbrochenem.
2011 in Frankreich verhaftet, 2014 rechtskräftig verurteilt
Die genauen Umstände ihres Todes wurden nie geklärt. Für den Vater von Kalinka, André Bamberski, stand jedoch schnell fest, dass Dr. Krombach den Tod seiner Tochter verschuldet hatte, vermeintlich um eine Vergewaltigung zu vertuschen.
Bamberski begann eine Hetzjagd auf den Arzt, die 2011 mit der Verhaftung des Facharztes in Frankreich endete. Das Urteil lautete 15 Jahre Haft wegen vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Darüber hinaus sollte der Internist 400 000 Euro an die Hinterbliebenen von Kalinka zahlen.
Obwohl Dr. Krombach das Urteil durch seinen französischen Anwalt, Yves Levano, mehrfach anfechten ließ, wurde es 2014 rechtskräftig, unter anderem aufgrund der Zeugenaussagen mehrerer Frauen, die von sexuellen Übergriffen des Arztes berichtet hatten.
Dr. Krombach, inzwischen 84 Jahre alt, verbüßte sechs Jahre in einem Gefängnis in der Nähe von Paris. Im Februar dieses Jahres wurde er aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus der Haft entlassen und in eine Gesundheitseinrichtung verlegt. Der ehemalige Internist, der bis heute seine Unschuld beteuert, hat nach eigenen Angaben während der Haft mehrere Herzinfarkte erlitten. Auch soll er an Demenz leiden.
Zwar hatte ein Pariser Gericht den Kardiologen bereits 1995 in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft wegen des Todes seiner Stieftochter verurteilt und einen europäischen Haftbefehl erlassen. Das Urteil wurde aber vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte kassiert und damit nie rechtskräftig, mit der Begründung, der Angeklagte sei weder selbst anwesend gewesen noch sei er anwaltlich vertreten worden.
Genitalien verschwanden kurz nach der Obduktion
Der Fall gab zugleich zahlreiche Rätsel auf. So hatte Dr. Krombach vor Gericht ausgesagt, dass er Kalinka, als er sie morgens leblos im Bett vorfand, diverse Medikamente in die Venen sowie ins Herz gespritzt habe, um das Mädchen zu reanimieren, obwohl es dem Obduktionsbericht zufolge zu dem Zeitpunkt bereits mehrere Stunden tot war.
Die Genitalien von Kalinka wiederum verschwanden kurz nach der Obduktion auf mysteriöse Weise. Zudem erfolgte kein Spermaabstrich, sodass eine Vergewaltigung schwer nachweisbar war.
Doch obwohl Bamberski den Gang durch alle Instanzen antrat, um Dr. Krombach der Schuld am Tod seiner Tochter zu überführen, stellt die deutsche Justiz schließlich alle Ermittlungen ein und weigerte sich, den Arzt nach Frankreich zu überstellen.
Der Fall bekam erst eine neue Wende, als Dr. Krombach wegen eines weiteren Sexualverbrechens angeklagt wurde. So hatte der Internist eine Magenspiegelung bei der 16-jährigen Nichte seiner Haushaltshilfe in seiner Praxis zum Anlass genommen, das sedierte Mädchen zu missbrauchen. Die junge Frau zeigte den Arzt daraufhin wegen Vergewaltigung an. 1997 verurteilte ihn das Landgericht Kempten zu zwei Jahren auf Bewährung.
Infolge des Urteils verlor Dr. Krombach zudem nach 45 Jahren ununterbrochener internistischer Tätigkeit seine Approbation. Zahlreiche Versuche, beim Hessischen Landesprüfungsamt wieder eine vollumfängliche Berufserlaubnis zu erlangen, scheiterten, unter anderem an einem psychiatrischen Gutachten.
Darin wird dem Internisten eine Neigung zu sexuellen Impulshandlungen bescheinigt und darauf hingewiesen, dass eine Wiederholung der Tat nicht ausgeschlossen werden könne. Ein Rückfallrisiko in abhängiger Beschäftigung unter Aufsicht eines approbierten Arztes sei dagegen auszuschließen, heißt es.
Das aber wollte Dr. Krombach nicht akzeptieren. Und obwohl er offiziell nie wieder als Arzt tätig werden durfte, tingelte der Internist in den Folgejahren durch Deutschland und arbeitete in mehreren Praxen sowie der Klinik Sonnenhalde in Bad Mergentheim. Erst 2006 flog der Betrug auf. Diesmal lautete das Urteil durch das Landgericht Coburg zwei Jahre und vier Monate auf Bewährung.
Bamberski, den der Tod seiner Tochter nie losgelassen hatte, hielt 2009 den Zeitpunkt für gekommen, Dr. Krombach in Frankreich endlich der aus seiner Sicht gerechten Strafe zuzuführen und ließ den Arzt zu diesem Zweck entführen. Der Franzose heuerte dafür drei Kriminelle an, die Dr. Krombach im September des Jahres vor seinem Haus am Bodensee auflauerten, ihn zusammenschlugen, nach Frankreich verschleppten und gefesselt und geknebelt vor dem Gerichtsgebäude im elsässischen Mülhausen ablegten.
Den Fall mit Sebastian Koch und Daniel Auteuil verfilmt
Ein Pariser Gericht griff trotz des ungewöhnlichen Aktes von Selbstjustiz den Fall auf und verurteilte Krombach schließlich zu 15 Jahren Haft. Auch Bamberski musste sich vor Gericht verantworten. Er erhielt für die Anstiftung zur Verschleppung ein Jahr Haft auf Bewährung.
Der Fall Kalinka schlug daraufhin so hohe Wellen, dass er 2016 mit Sebastian Koch als Krombach und Daniel Auteuil als Bamberski in den Hauptrollen verfilmt wurde („Im Namen meiner Tochter“).
Medcial-Tribune-Bericht