Pharmastrategie Lauterbach bläst zur Aufholjagd bei Forschung und Produktion

Gesundheitspolitik Autor: Angela Monecke

Als weitere Anreize für die Pharmaproduktion prüfen die zuständigen Ministerien Förderinstrumente für den Aufbau neuer Produktionsstätten. Als weitere Anreize für die Pharmaproduktion prüfen die zuständigen Ministerien Förderinstrumente für den Aufbau neuer Produktionsstätten. © Olga – stock.adobe.com

Deutschland als Standort für die Arzneimittelindustrie attraktiver machen. Das steht hinter der neuen nationalen Pharmastrategie, die das Bundeskabinett Ende 2023 beschlossen hat. Ein Aktionsplan soll Produktion und Forschung stärken, verkündet das BMG.

Die Rahmenbedingungen für die Herstellung und Entwicklung von Arzneimitteln verbessern, die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben, Anreize für die Ansiedlung von Produktionsstätten in Deutschland setzen und Innovationsprojekte der Pharmaindustrie fördern. Das sieht die ressortübergreifende Strategie vor, die drei Bundesministerien gemeinsam tragen: Gesundheit, Wirtschaft, Forschung. 

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) kündigte an, dass Deutschland „im Wettbewerb der Wissenschaft international wieder ganz oben mitspielen“ werde. Die medizinische Forschung stärken will er u.a. durch schnellere Zulassungsverfahren und unbürokratische Genehmigungen. Ganz vorn stehe hierbei die „digitale Nutzung von Gesundheitsdaten“. 

Bundeswirtschaftsminister Dr. phil. Robert Habeck fokussierte auf den Anspruch, „unser Land wieder zu einem attraktiven Standort für Forschung, Entwicklung und Produktion von Arzneimitteln zu machen.“ Dass Deutschland im Pharma­bereich auf eine „sehr starke und erfolgreiche Grundlagenforschung aufbauen“ könne, betonte Bundesforschungsministerin ­Bettina Stark-Watzinger (FDP). „Noch zu selten“ gelänge allerdings „der Transfer von Forschungsergebnissen in die Arzneimittelentwicklung und Anwendung“. Gezielte Fördermaßnahmen würde ihr Ministerium daher unterstützen, etwa für die Entwicklung neuer Antibiotika und neuer Arzneimittel für seltene Erkrankungen. 

Zentraler Bestandteil der Pharmastrategie ist die Beschleunigung klinischer Prüfungen. Hier soll eine neue Bundes-Ethik-Kommission beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) über wichtige Forschungsanträge entscheiden und Antragsverfahren bündeln. Die Genehmigung von Anträgen für nationale Studien wird um 19 auf fünf Tage gekürzt. Studien sollen auch jenseits von Universitätskliniken durchgeführt werden können. Für fast alle Arzneimittel übernimmt künftig das BfArM als zentraler Ansprechpartner für die pharmazeutische Industrie die Koordinierung und das Verfahrensmanagement für Zulassungsverfahren und Anträge zu klinischen Prüfungen. Diese Vorhaben sollen die Zulassungsstrukturen stärken. 

Auch der Digitalisierung im Gesundheitswesen soll die Strategie Dampf machen, indem sie u.a. Pharmaunternehmen beim Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) auf Antrag die Forschung an Gesundheitsdaten ermöglicht. Länderübergreifende Forschungsvorhaben beaufsichtigen und genehmigen darf künftig nur noch die jeweils federführende Landesdatenschutzbehörde.

Als weitere Anreize für die Pharmaproduktion prüfen die zuständigen Ministerien Förderinstrumente für den Aufbau neuer Produktionsstätten. Zudem sollen Rabattverträge für in der EU hergestellte onkologische Arzneimittel bevorzugt werden. 

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Antibiotikaforschung frühzeitig fördern

Die Forschung und Entwicklung von knappen Medikamenten (z.B. Antibiotika, Arzneimittel für seltene Erkrankungen) will die Regierung besonders in der frühen Entwicklungsphase weiter fördern. Im Wachstumschancengesetz ist u.a. eine umfangreiche Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung für hierzulande forschende Pharmaunternehmen vorgesehen.

Auch die gesetzlichen Regeln für die Preisbildung innovativer Arzneimittel (AMNOG) sollen evaluiert und der Industrie vertrauliche Erstattungsbeträge ermöglicht werden. Überdies ist beabsichtigt, den Herstellerabschlag für erstattungsfähige Arzneimittel ohne Festbetrag auf dem Niveau von 7 % zu stabilisieren. 

Als „große Chance“ schätzt vfa-Präsident Han Steutel die Pharmastrategie ein. Mit ihr lasse sich nicht nur die „schleichende Abwanderung einer innovationsstarken Industrie“ stoppen – auch Impulse für „große Investitionsentscheidungen“ könne man nun geben und „Wettbewerbsvorteile“ gegenüber anderen Standorten ausbauen. Dass Deutschland als Forschungs- und Entwicklungsstandort in den vergangenen Jahren im internationalen Vergleich an Attraktivität verloren hat, bemängelt die Pharmaindustrie schon lange. 

Industrie: Starre Preisdeckel, willkürliche Abschläge

Vor allem die Regelungen des Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinStG), das im Oktober 2022 verabschiedet worden war, müssten dringend korrigiert werden, kritisiert Dr. Gerd Kräh, Lilly Deutschland. Zuvor habe man „für nachweislich bessere Arzneien auch bessere Preise verhandeln“ können. „Heute hebeln starre Preisdeckel und nachträgliche, willkürliche Abschläge auf bereits verhandelte Preise bestehende Vereinbarungen des ­AMNOG aus und behindern Innovationen“, so Dr. Kräh. 

Trotz des in Branchenkreisen als innovationsfeindlich angesehenen deutschen Klimas hat sich der US-Pharmakonzern Eli Lilly für den Bau einer Hightech-Produktionsstätte in Alzey, Rheinland-Pfalz, entschieden. Mit 2,3 Mrd. Euro sei es die größte Einzelinvestition des Unternehmens in den zurückliegenden Jahren, erklärt er. Die Anlage in Alzey wurde zudem ohne staatliche Zuschüsse realisiert und soll später Arbeitsplätze für bis zu 1.000 hochqualifizierte Fachkräfte schaffen. Mit dem Vorhaben baut das Pharmaunternehmen sein weltweites Produktionsnetzwerk für injizierbare Medikamente weiter aus. 

AMNOG-Reform soll mehr Flexibilität bringen  

Andreas Gerber, Janssen Deutschland, hat, wie alle anderen Unternehmen seiner Branche, vor allem die anstehende AMNOG-Reform im Blick. Ziel müsse ein System sein, „das in der Lage ist, neue Medikamente und Therapieansätze, etwa im Bereich der Gen- und Zelltherapien, angemessen zu bewerten“, sagte er. Dies erfordere u.a. mehr Flexibilität bei neuen Studiendesigns, die Akzeptanz neuer patientenrelevanter Endpunkte und eine entsprechende Berücksichtigung von Gesundheitsdaten. Bei der sich anschließenden Preisfindung dürfe  man „das Kernprinzip der nutzenbasierten Preisfindung für innovative Arzneimittel nicht aushöhlen“, fordert Gerber. „Was besser ist bzw. wirkt, darf auch mehr kosten.“

Die ressortübergreifende Pharmastrategie sei ein erster Schritt hin zu mehr Flexibilität und weniger Regulation für forschende Unternehmen, so Dr. Kräh von Lilly. Ablesen lasse sich dies bereits in den Eckpunkten des angekündigten Medizinforschungsgesetzes. Wie Digital-Gesetz und GDNG ist es Teil der Pharmastrategie. Die einzelnen Punkte müsse man nun „zügig in Gesetzentwürfe gießen“. 

Medical-Tribune-Bericht