Cannabis-Legalisierung Lauterbach klärt an Schulen auf
"Mit der Strategie, Cannabis illegal zu belassen, sind wir gescheitert“, räumte der Bundesgesundheitsminister bei seinem Besuch des Käthe-Kollwitz-Gymnasiums (Prenzlauer Berg) ein. Der Anstieg der Konsumentenzahl gerade bei den Heranwachsenden sei alarmierend. So sei die Zahl der kiffenden 14- bis 18-Jährigen zwischen 2011 und 2021 um 50 % gestiegen. Bei den 18- bis 25-Jährigen seien es sogar 100 % gewesen.
Cannabisprodukte seien zugleich gefährlicher geworden, da der Gehalt der psychoaktiven Substanz THC zugenommen habe und es zunehmend mehr toxische Beimengungen gebe. Dabei sei das Gehirn bis zu einem Lebensalter von 25 Jahren besonders anfällig für Schäden, die durch Cannabiskonsum verursacht werden können, erklärte Prof. Lauterbach. Dies beträfe vor allem das Aufmerksamkeits- und Erinnerungsvermögen sowie das planvolle Denken.
Nach dem Erlass des Cannabisgesetzes (CanG) zum 1. April sei das Thema aber endlich raus aus der Tabuzone, sodass man gezielter über die Gefahren der Droge informieren und damit den Kinder- und Jugendschutz vorantreiben könne. Prof. Lauterbach berief sich auf Studien aus Kanada und einigen US-Bundesstaaten, die belegten, dass der Cannabiskonsum bei den Heranwachsenden seit der dortigen Legalisierung, verbunden mit Aufklärungsmaßnahmen, stagniere.
Die in der Aula des Gymnasiums versammelten Schülerinnen und Schüler äußerten sich skeptisch zu den Auslassungen des Ministers. „Wieso wird Cannabis für 18-Jährige zulässig sein, obwohl der Cannabiskonsum nachgewiesenermaßen der Gehirnentwicklung schadet und diese erst mit 25 Jahren vollendet ist?“, wollte beispielsweise die Elftklässlerin Emilia Schwartzberg wissen. Prof. Lauterbach entgegnete, dass man bei einer höheren Altersgrenze die 18- bis 25-Jährigen weiter dem Schwarzmarkt überlassen hätte. Gerade dort werde mit Cannabisprodukten gehandelt, die einen deutlich höheren THC-Gehalt als die im Gesetz fixierten 10 % aufwiesen.
Weitergabe an Minderjährige ist strafbar
Seit April 2024 sind Besitz und Konsum von Cannabis für Erwachsene teilweise erlaubt. Über 18-Jährige dürfen nun 25 g besitzen. In den heimischen vier Wänden gilt eine Grenze von 50 g. Außerdem darf jeder Erwachsene maximal drei weibliche Pflanzen züchten, wobei das dabei geerntete Cannabis nur für den Eigenverbrauch bestimmt ist. Wer nicht selbst anbauen möchte, kann Mitglied einer Anbaugenossenschaft werden. Nach dem CanG dürfen bis zu 500 Mitglieder pro Verein Cannabis gemeinschaftlich anbauen. Erste Änderungen am CanG sehen vor, dass Behörden Vereinen die Genehmigung verweigern dürfen, wenn deren Anbauflächen oder Gewächshäuser „in einem baulichen Verbund“ stehen oder dicht beieinander sind. Clubmitgliedern ist es gestattet, über ihren Verein 25 g pro Tag und 50 g im Monat zu beziehen. Bei 18- bis 21-Jährigen dürfen es nur bis zu 30 g im Monat sein. Minderjährige dürfen weiterhin kein Cannabis anbauen oder erwerben. Die Weitergabe an sie bleibt strafbar. Wer gewerbsmäßig Cannabis an Minderjährige weitergibt, muss neuerdings mit mindestens zwei Jahren Haft rechnen. Für Autofahrer soll künftig ein Grenzwert von 3,5 ng THC pro ml Blutserum gelten. Wird der Wert erreicht und zusätzlich Alkohol nachgewiesen, können Bußgelder von 1.000 bis 5.000 Euro und ein Monat Fahrverbot drohen.
Mit Social Clubs den Schwarzmarkt bekämpfen
Ein wichtiges Ziel des Gesetzes sei es aber, den Schwarzmarkt zu bekämpfen. Deswegen erlaube das CanG unter anderem die Gründung genossenschaftlich organisierter Anbauvereinigungen, sog. Social Clubs, in denen Erwachsene gemeinschaftlich Cannabis anbauen und zum Eigenkonsum der Clubmitglieder abgeben dürften. Dies sei der vernünftigste Weg, ein legales Angebot zu schaffen, für das zugleich nicht geworben werden dürfe, gab sich der Minister überzeugt.
Der Schüler Anton Beecken warf Prof. Lauterbach vor, dass das Gesetz überhastet erlassen worden sei, um Wählerstimmen einzufangen. Aus seiner Sicht sei der Gesetzestext an vielen Stellen noch lückenhaft und müsse nachgebessert werden, so der Elftklässler. Großen Regelungsbedarf sieht er vor allem noch auf Ebene der Bundesländer hinsichtlich Präventions- und Interventionsmaßnahmen bei Jugendlichen.
Das Thema beschäftigte auch den Schüler Jasper Matthiessen. Er wollte wissen, mit welchen konkreten Maßnahmen man Jugendliche durch Präventionsmaßnahmen vor einem zu leichtsinnigen Konsum schützen könne. Hierzu hatte Prof. Lauterbach eine ganz klare Meinung. Die Diskussionen über die gesundheitlichen und sozialen Risiken des Cannabiskonsums dürften nicht ideologisch geführt werden.
Die Botschaft dürfe nicht lauten: „Bitte nicht kiffen!“, sagte der Minister. Besser sei es, den jungen Leuten die wissenschaftliche Studienlage zu erläutern und sie faktenorientiert aufzuklären, indem man sie z.B. darüber informiere, dass Gehirnrezeptoren durch Cannabiskonsum kaputtgingen oder dass die Droge den IQ ruinieren könne.
Bundesländer und Lehrer sollen ebenfalls aufklären
„Wie genau wollen sie die Informationen vermitteln?“, fragte Emilia. Prof. Lauterbach verwies zum einen auf die laufende sowie weitere geplante Aufklärungskampagnen des Bundes. Für diese werde das neue „Bundesinstitut für Prävention und Aufklärung in der Medizin“ zuständig sein, das sich derzeit im Aufbau befindet und das die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in dieser Frage ablösen wird. Zum anderen zeigte er sich zuversichtlich, dass die Bundesländer bei den Aufklärungskampagnen mitziehen werden, nachdem sie ihren anfänglichen Widerstand gegen eine Legalisierung aufgegeben hätten. In den Schulen würden die Risiken des Cannabiskonsums bislang noch viel zu selten thematisiert, monierte der Minister. Er appellierte an Lehrerinnen und Lehrer, sich stärker zu engagieren.
Mehrere Schüler äußerten allerdings Zweifel, dass es den Schulen angesichts des „kaputten Bildungssystems“ und des Personalmangels flächendeckend gelingen könne, eine sinnvolle Prävention zu betreiben. Information und Aufklärungskampagnen seien das eine, merkte Jasper an. Es fehlten aber vielerorts Ansprechpartner, wie Sozialarbeiter, die in der Lage seien, den Schülerinnen und Schülern auch bei Problemen zur Seite zu stehen.
In der Pflicht, Aufklärung zu betreiben, sieht sich indes auch die Ärzteschaft. „Da die Droge vor allem bei jungen Menschen zu ernsten psychischen Erkrankungen und sogar zu dauerhaften Hirnschäden führen kann, ist es besonders wichtig, frühzeitig über mögliche Folgen des Cannabiskonsums aufzuklären“, so Dr. Edgar Pinkowski, Präsident der Landesärztekammer Hessen.
Die Kammer habe deshalb ein eigenes Präventionsprojekt zum Thema Cannabis konzipiert. Unter dem Titel „Kiffen bis der Arzt kommt?“ soll an hessischen Schulen unter Beteiligung hessischer Jugendlicher der 9. und 10. Klassen ohne erhobenen Zeigefinger über die Risiken von Cannabis informiert werden. Der Auftakt erfolgte jüngst in einer Frankfurter Schule.
Quelle: Medical-Tribune-Bericht