Glosse Medical Christmas
Beginnen wir bei den Hausärzten: Die müssen erstmal nachschauen, wie man Weihnachten aktuell feiert. Insgesamt haben sie wenig Zeit. Für Gesang, Geschenke und Essen jeweils ca. 7 Minuten. Mehr lässt die Kasse nicht zu – außer es handelt sich um ein Privatfest. Damit das Ganze nicht ausartet, überweisen viele Allgemeinmediziner die Cousinen und Co. zu ihren Geschwistern. Ganz anders bei den Urologen: Dort geht es an Weihnachten hoch her. Es werden Witze unter der Gürtellinie erzählt und der Großvater trägt beim Essen einen Blasenkatheter, damit er nicht so oft zum Wasserlassen aufsteht.
Wechseln wir zu den Psychiatern. Bei ihnen steht der Weihnachtsbaum nicht, er liegt auf der Couch zum Reden. Das muss ja depressiv machen, so abgehackt zu sein. Apropos Weihnachtsbaum, der fällt bei Chirurgen karg aus. Äste zum Behängen gibt es nicht, sie wurden vorher fachgerecht abgesägt. Orthopäden müssen beinahe ganz auf das Fest verzichten. Ihre Bäume werden so lange mit Stützhölzchen gerade ausgerichtet, bis der Abend fast vorbei ist. Gute Orthopäden könnten das bestimmt besser, aber gibt es die überhaupt? Radiologen feiern nicht groß, sie begnügen sich wie gewohnt mit der Mattscheibe und schauen einen schönen Röntgenfilm oder Szinterella.
Bei Anästhesisten herrscht an Weihnachten Ruhe. Der Kollege selbst liegt still unterm Tannenbaum und beobachtet die Schwankungen des Gewächses. Die intensivmedizinische Weihnachtsmusik trifft den Takt der Wiederbelebung. „Oh du selige“, „Leise rieselt der Schnee“ und „O Tannenbaum“ kann man zwar mit 100–120 bpm abspielen, doch am besten passt „Last Christmas“. Mit seinen 108 bpm soll der Song je nach Dosis Tote aufwecken können.
Welche Dosis Homöopathen wählen, ist einfach: Nach Apfel, Nuss und Mandelkern (jeweils D6, in drei verschiedenen Fläschchen, sonst kann man sie nicht unterscheiden) versammeln sie sich um den Weihnachtsbaum. Da man den ja nicht zu sich nimmt, darf es ein normaler Baum sein, der mit zehn Schüttelschlägen in den Ständer getrieben wird. Geschenke gibt es natürlich verpackt in homöopathischen Dosen. Trotzdem freut man sich und genießt das familiäre Beisammensein. Ob der Aperitif – sagen wir ein Martini – geschüttelt oder gerührt zu sich genommen wird, bleibt Geschmackssache. Genau wie die Höhe der Potenz, der Opa soll ja nicht schon vor dem Essen mit seinen Nachkriegsgeschichten loslegen. Abends singen alle gemeinsam „Stille Nacht, heilige Nacht“. Denn: Wer heiligt, hat bekanntlich recht.
Tim Förderer
Redakteur Medizin