Luftschadstoffe „Passivrauchen im Wohngebiet“

Gesundheitspolitik Autor: Michael Reischmann

Jährlich sterben in Deutschland rund 70.000 Menschen aufgrund von Luftschadstoffen. Jährlich sterben in Deutschland rund 70.000 Menschen aufgrund von Luftschadstoffen. © Grzegorz Polak – stock.adobe.com

Die EU will die Grenzwerte für Luftschadstoffe überarbeiten. Allerdings bleiben auch diese bei Feinstaub und Stickstoffdioxid hinter den Empfehlungen der WHO zurück. Bundesärztekammer und Gesundheitsverbände fordern die Ampel auf, sich in der EU für deutlich weniger Emissionen stark zu machen.

Die EU-Kommission hat im Oktober 2022 Vorschläge für eine Überarbeitung der Luftqualitätsrichtlinie gemacht. Diese gehen der Bundesärztekammer und den Gesundheitsverbänden Health and Environment Alliance (HEAL) sowie Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) aber nicht weit genug. Sie fordern: Das Europäische Parlament und der EU-Umweltministerrat sollen sich für die vollständige Angleichung der Grenzwerte an die wissenschaftlich fundierten WHO-Empfehlungen bis spätestens 2030 einsetzen. 

Bei den WHO-Werten handele es sich nämlich um Konzentrationen, oberhalb derer schwerwiegende Gesundheitseffekte mit großer Sicherheit nachzuweisen seien. Aufgrund des Vorsorgeprinzips sei zu handeln. Der direkte Appell von BÄK & Co. geht an Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne), Deutschland in der EU in eine Vorreiterrolle zu bringen.

Für Feinstaub empfiehlt die WHO 2021 eine Langzeitbelastung mit kleinen Partikeln (PM 2,5) von höchstens 5 statt der seit 2008 in der EU geltenden 25 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Für Stickstoffdioxid empfiehlt sie einen Wert von 10 μg/m³, statt der jetzt geltenden 40. Die EU-Kommission schlägt zunächst Grenzwerte von 10 μg/m3 für Feinstaub (PM 2,5) und ­­­20 μg/m3 für NO2 vor und weitere Absenkungen bis 2050. Neben solchen Jahresdurchschnittswerten gibt es auch Werte für Tagesbelastungen. Bei den Ist-Werten lag Deutschland 2019 beim Feinstaub mit 12 μg/m3 im europäischen Mittelfeld, beim Stickstoffdioxid fast ganz hinten. 

Das größte umweltbedingte Risiko für die Gesundheit

„Ungesunde Luft betrifft uns alle. Jeder Einzelne ist vulnerabel und jeder Einzelne hat ein Interesse daran, dass die Gesetze zur Luftqualität unsere Gesundheit in größtmöglichem Maße schützen“, sagt die Ärztin Prof. Dr. Barbara Hoffmann von der Universität Düsseldorf. Etwa 8 % aller Todesfälle hierzulande, also ca. 70.000 pro Jahr, werden mit Feinstaub, NO2 und Ozon in Verbindung gebracht. Schlechte Luftqualität trägt erheblich zu Schlaganfällen, Herz-Kreislauferkrankungen, Lungenkrebs sowie chronischen und akuten Atemwegserkrankungen wie Asthma bei. Studien zeigen auch Zusammenhänge zwischen Luftverschmutzung und Diabetes, Demenz sowie Schäden für die Gesundheit von Kindern auf.  

„Wenn wir strikte Grenzwerte haben, müssen Maßnahmen getroffen werden, die auch dem Klima dienen, denn Luftverschmutzung und CO2-Ausstoß haben dieselbe Ursache: das Verbrennen fossiler Brennstoffe“, sagt Anne Stauffer, stellvertretende Geschäftsführerin bei HEAL. Die vier großen Quellen der Feinstaubbelastung sind der Verkehr, die Industrie und Energieerzeugung, die Landwirtschaft sowie Heizungen. Die Teilchen werden durch die Luftströmungen über hunderte Kilometer hinweg – auch in sog. Reinluftgebiete – verteilt.

Die Biologin Dr. Anja Behrens, Sprecherin der AG Saubere Luft bei KLUG, legt das Augenmerk auf die Haushalte: Kamine und Öfen, in denen Holz verbrannt wird, sowie Pellet-Heizungen stoßen je nach Technik mehr Feinstaub aus als Öl- und Gas-Heizungen. Beide Nutzungsformen hätten in den letzten Jahren zugenommen. Dabei sei Holz keine CO2-neutrale Energiequelle. Auch werde die Luft wegen des hohen Rußanteils keinesfalls besser. Besonders gesundheitsschädlich sei, dass beim unvollständigen Verbrennen von Holz in Kaminen und Öfen polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) entstehen, die nachweislich kanzerogen sind. 

Wärmepumpen helfen mehr als das Verbrennen von Holz

„Die toxische Mischung von Schadstoffen verursacht durch Emissionen aus Öfen ist ähnlich der Schädigung durch Zigarettenrauch. Wir haben im Grunde Passivrauchen in Wohn­gebieten – und das oft viele Stunden am Abend oder am Wochenende, wenn viele Menschen zu Hause sind“, sagt Dr. Behrens. In Deutschland stammten 90 % der gesamten PAK-Emissionen aus Haushalten. Durch Umstellen auf erneuerbare Energien und Wärmepumpen könne dies weitgehend vermieden werden. Holz sollte für andere Dinge als zum Verbrennen genutzt werden.

Quelle: Pressebericht Bundesärztekammer