Feinstaub und Straßenlärm Apoplex aus der Luft
Allein auf die Feinstaubbelastung sind weltweit jährlich vier Millionen Todesfälle und 118 Millionen verlorene gesunde Lebensjahre zurückzuführen, sagte Dr. Kathrin Wolf vom Institut für Epidemiologie am Helmholtz-Institut München. Nahezu jedes Organsystem kann durch Luftschadstoffe geschädigt werden. Das Gehirn macht hier keine Ausnahme – man findet bei hoher Luftbelastung u.a. vermehrte Schlaganfälle, verminderte neurokognitive Funktionen und gehäufte Fälle von Demenz und Morbus Alzheimer.
Während schädliche Gase wie Stickstoffdioxid (NO2), Ozon, Schwefeldioxid (SO2) und Kohlenmonoxid europaweit zu einem Großteil reguliert sind, ist das für den schädlichen Feinstaub in puncto Zusammensetzung bisher nicht der Fall. Dabei ist die Situation in Europa noch vergleichsweise günstig. Trotz gestiegenem Bruttosozialprodukt sind die Schadstoffemissionen in den letzten 20 Jahren deutlich zurückgegangen – genauso wie die geschätzte Zahl vorzeitiger Todesfälle durch die Luftverschmutzung. Trotzdem sind auch wir nicht auf der sicheren Seite, betonte Dr. Wolf.
In neueren Studien wurde gezeigt, dass sich kein Schwellenwert definieren lässt, ab dem Luftschadstoffe gesundheitlich unbedenklich sind. Zudem sind die EU-Grenzwerte für Feinstaub und NO2 deutlich höher als die zuletzt 2021 von der WHO bestimmten: Für die jährliche Belastung mit Feinstaub (PM2,5) liegt der Grenzwert in der EU bei 25 µg/m3, die WHO fordert einen Grenzwert von 5 µg/m3.
In der europaweiten ELAPSE-Studie* wurde deutlich, dass die EU-Grenzwerte in Wohngebieten zumeist eingehalten werden können. Die Werte aller untersuchten Regionen lagen aber deutlich über den wesentlich strengeren WHO-Grenzwerten. Bei den Bemühungen um die Luftreinhaltung sollte man daher auch bei uns nicht nachlassen.
Eine sauberere Luft könnte positive Auswirkungen auf die Häufigkeit von Schlaganfällen haben. Nach einer Metaanalyse von 2019 steigt die Inzidenz von Schlaganfällen pro Zunahme des PM2,5 um 5 µg/m3 um 11 % an. Das gleiche gilt für die Apoplexmortalität.
Auch Lärm begünstigt Schlaganfälle. Studien haben gezeigt, dass eine stärkere Lärmexposition mit einer erhöhten Apoplexinzidenz assoziiert ist. Eine effektivere Lärmbekämpfung, z.B. durch Reduktion des Verkehrslärms, könnte deshalb zur Vorbeugung von Schlaganfällen beitragen.
Alle Schadfaktoren in der Gesamtschau betrachten
Ebenfalls gesenkt wird das Apoplexrisiko außerdem durch mehr gut zugängliche Grünflächen in der näheren Wohnumgebung. Bisher wurden alle umweltbedingten Faktoren, denen wir ausgesetzt sind, in entsprechenden Studien mehr oder weniger isoliert betrachtet. Eine gemeinsame Betrachtung von Luftschadstoffen, Lärm, Temperatur, Grünflächen, Lebensstil, Ernährung und sozioökonomischen Bedingungen im Sinne eines „Exposoms“ würde den realen Bedingungen sicher besser gerecht werden. Dies ist jedoch eine Herausforderung, die wahrscheinlich die Methoden der künstlichen Intelligenz erfordert, sagte Dr. Wolf.
* Effects of Low-Level Air Pollution: a Study in Europe
Kongressbericht: 40. Arbeitstagung NeuroIntensivMedizin