Erhöhtes Thromboembolierisiko Durch COVID-19 zum Schlaganfall

Autor: Dr. Andrea Wülker

Bei Patient:innen mit einer SARS-CoV-2-Infektion sollte man sorgfältig auf Zeichen arterieller oder venöser Thrombosen achten. Bei Patient:innen mit einer SARS-CoV-2-Infektion sollte man sorgfältig auf Zeichen arterieller oder venöser Thrombosen achten. © Kateryna Kon – stock.adobe.com

COVID-19-Patienten mit schweren respiratorischen Verläufen, kardiovaskulärem Risikoprofil und Komorbiditäten sind besonders gefährdet, einen Schlaganfall zu erleiden. Die Komplikation trifft allerdings auch bis dato gesunde Coronakranke mit relativ geringen Symptomen.

Eine 47-jährige Frau entwickelt plötzlich eine linksseitige Hemiparese und eine Dysarthrie. Chronische Erkrankungen sind nicht bekannt, allerdings ist bei ihr elf Tage zuvor eine SARS-CoV-2-Infektion mittels PCR-Test nachgewiesen worden. In der Notaufnahme stellen die Ärzte bei der hustenden und fiebernden Patientin eine latente distal motorische Armparese links fest. In der CT (einschließlich Angiografie mit Perfusions-CTA/CT-Perfusion) zeigt sich ein Verschluss der rechten A. cerebri media im distalen M1-Segment mit einem ausgedehnten Perfusionsdefizit der rechten Hemisphäre, deutlichem Mismatch und Infarkt-Frühzeichen insulär und frontotemporal rechts. Als Nebenbefund stellen sich bei der nicht gegen Corona geimpften Frau in beiden Lungenspitzen Infiltrate dar, die für eine COVID-19-Pneumonie sprechen. Die Laboruntersuchungen ergeben Normalwerte für Thrombozytenzahl und INR, die D-Dimere sind dagegen fünffach erhöht. 

Mechanische Thrombektomie erfolgreich durchgeführt

Da die Patientin bereits Infarkt-Frühzeichen aufweist, verzichten die Kollegen auf eine systemische Thrombolyse und entscheiden sich nach interdisziplinärer Fallbesprechung für eine umgehende mechanische Thrombektomie. Sie kann erfolgreich durchgeführt werden.

Da laborchemische Hinweise auf eine bakterielle Superinfektion fehlen, sehen die Ärzte keine Indikation für Antibiotika und behandeln mit Dexamethason. Nur kurz bleibt die Patientin auf der Intensivstation und wird dann auf eine Stroke Unit verlegt. Die zerebrale Kontroll-CT ergibt eine Demarkation des Hirninfarkts ohne sekundäre hämorrhagische Transformation.

Ergebnislos verläuft die Ursachenforschung: Weder finden sich Hinweise auf ein arterio-arteriell-embolisches Geschehen noch auf ein kardio-embolisches. Und auch die Thrombophiliediagnostik fördert keine Auffälligkeiten zutage. Die Ärzte gehen daher angesichts fehlender Vorerkrankungen und Risikofaktoren davon aus, dass die Frau im Rahmen von COVID-19 einen kryptogenen, embolischen Schlaganfall erlitten hat. Nach insgesamt elf Kliniktagen wird sie mit einer latenten distalen Armparese links und rückläufigen Lungeninfiltraten nach Hause entlassen.

Abhängig von der Erkrankungsschwere entwickeln bis zu 3,1 % der COVID-19-Patienten einen Schlaganfall, schreiben ­Hikmat ­Walid und Kollegen von der Asklepios Klinik Nord – Heidberg in Hamburg. Verschlüsse großer Gefäße sind dabei deutlich häufiger als mikroangiopathische Infarkte. Die Mehrzahl der COVID-19-assoziierten Hirninfarkte ist embolisch bedingt, wobei sich die Emboliequelle häufig nicht identifizieren lässt. Bei zuvor kardiovaskulär Gesunden kann das Coronavirus direkt oder über Entzündungsprozesse eine Thrombophilie induzieren. 

Kein Unterschied in der Schlaganfallbehandlung

Berichtet wird über eine Aktivierung der Gerinnungskaskade mit Anstieg von D-Dimeren und Fibrinogen im Plasma. In manchen Fällen resultiert eine Hyperkoagulabilität aus Antiphospholipidantikörpern bzw. Lupus-Antikoagulanzien.

Bei Patienten mit einer SARS-CoV-2-Infektion sollte man sorgfältig auf Zeichen arterieller oder venöser Thrombosen achten, mahnen die Kollegen. Die Behandlung der ­COVID-19-assoziierten Ischämie erfolge wie bei Patienten ohne Infektion: mit intravenöser Thrombolyse und/oder mechanischer Thrombektomie.

Quelle: Walid H et al. Hamburger Ärzteblatt 2022; 76: 30-31