Erfahrungsaustausch zum Klimaschutz
Wie Krankenhäuser weniger Schadstoffe ausstoßen und grüner werden
Schon jetzt führt der Klimawandel auch in unseren Breiten zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Dringlichkeit zu handeln untermauert Dr. Christan Schulz, Anästhesist und Geschäftsführer von KLUG, der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit, mit Fakten aus einer Studie der BKK Nordwest: Die Zahl der AU-Tage infolge von Hitzeschäden hat sich seit 2011 fast verdreifacht. Krankenhauseinweisungen wegen Dehydrierung nahmen um rund 32 % zu, Pollenallergien um fast 30 %. Die Zahl der Fälle von Lyme-Borreliose erhöhte sich in Thüringen und Nordrhein-Westfalen seit 2010 um gut 50 %. Es gab fast 80 % mehr Hautkrebsbehandlungen.
„Mit unserem schmutzigen Gesundheitssystem befeuern wir die Klimakrise“, so Dr. Schulz. Es komme jetzt darauf an, Planetary Health und Medizin zu vereinen.
Welche konkreten Maßnahmen zum Klimaschutz im Gesundheitswesen möglich sind, zeigt „KLIK green“. Das Projekt des BUND für Umwelt und Naturschutz Berlin, der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen (KGNW) und des Universitätsklinikums Jena wird von der nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums gefördert.
Friedhelm Beiteke, KLIK-green-Projektleiter bei der KGNW, konnte nach zweieinhalb Jahren Laufzeit des Projekts eine Erfolgsbilanz vorweisen. Seit dem Start 2019 konnten mehr als die 250 Kliniken zur Teilnahme gewonnen werden. Die Häuser haben Mitarbeiter zu Klimamanagern ausgebildet und Maßnahmen zur Ressourceneinsparung, vor allem beim Energieverbrauch, entwickelt.
Mit einem Klimamanager allein ist es nicht getan
Das habe zu niedrigeren Betriebskosten geführt und die CO2-Emissionen verringert. Rund 1.000 Klimaschutzmaßnahmen seien von den teilnehmenden Kliniken geplant oder schon umgesetzt. Beiteke sprach von 135.000 Tonnen CO2-Emissionen, die trotz der besonderen Belastungen durch die Pandemie bereits eingespart werden konnten.
Zum Erreichen des Ziels der Klimaneutralität von Kliniken bietet das Projekt Unterstützung an. Beiteke verwies auf die entstandene Datenbank, die mit mehr als 200 Einträgen Erfahrungen und Anregungen für die Klimamanager liefere. Sie werde demnächst auch für Nicht-Projektteilnehmer geöffnet. Einer dieser Klimamanager ist Benjamin Lütkehaus vom Evangelischen Krankenhaus Lippstadt. Seine Klinik hält 328 Planbetten vor und beschäftigt 800 Mitarbeiter, die jährlich 16.800 Patienten in zehn Fachabteilungen versorgen. Sein Fazit lauet: Ein Klimamanager allein reicht nicht. Die ganze Kollegenschaft, vor allem aber die Geschäftsführung, seien gefordert. Sein Geschäftsführer, Jochen Brink, ist zugleich Präsident der KGNW.
Mit dem wöchentlichen „Grünen Donnerstag“ als Klimaarbeitstag seien die Kollegen für kleine, aber effektive Aktionen wie den Verzicht auf Pappbecher am Kaffeeautomaten gewonnen worden. „Dadurch konnte der Jahresverbrauch von 45.000 Pappbechern erheblich reduziert werden“, so Lütkehaus.
Vor allem aber größere und investive Aktionen konnten den Energieverbrauch und damit die CO2-Emissionen reduzieren. Alle Leuchtmittel seien auf LED umgestellt und die Lüftung umgerüstet worden. Eine Photovoltaik-Anlage wurde installiert, die seit ihrer Inbetriebnahme im August 2021 25,6 Megawattstunden Strom produziere, was dem Verbrauch von 6,5 Einfamilienhäusern entspreche. Bei einer Investition von 200.000 Euro für die erste Ausbaustufe könnten die Energiekosten um 18.000 Euro pro Jahr reduziert werden. Die CO2-Einsparung betrage rund 38 Tonnen jährlich. Die Märkischen Kliniken Lüdenscheid sind noch größer in die Energieerzeugung eingestiegen: Ihre eigene Energiegesellschaft betreibt vier Heizwerke.
Dass auch ärztliche Initiative zum Klimaschutz in Kliniken beitragen kann, berichtet die Anästhesistin Dr. Stephanie Snyder-Ramas. Sie hat im Krankenhaus Salem in Heidelberg für die Reduktion von Narkosegasen gesorgt. Denn Narkosegase verursachten 50 % der CO2-äquivalenten Emissionen im OP.
Ungefiltert hätten die Gase Sevofluron und Desfluran eine Verweildauer in der Atmosphäre von 1,1 bzw. 14 Jahren. Damit erzeugten sie den negativen Treibhauseffekt nicht nur für die Dauer der Narkose, sondern „über Jahre“. Umgerechnet auf die Emissionen von Autos entspreche eine Desflurannarkose sechs Stunden oder rund 900 Kilometer Auto fahren. Mit anderen Worten: „Der Anästhesist fährt während einer Narkose einmal durch Deutschland“, so Dr. Snyder-Ramas.
Alle Narkosegase seien direkte und potente Treibhausgase und hätten einen substanziellen Einfluss auf die globale anthropogene Klimaerwärmung. „Doch ohne Narkosegase geht es nicht.“ Was ist zu tun? Am Klinikum Salem wurden im Wesentlichen drei Maßnahmen getroffen: Desfluran wird nur noch bei wenigen Indikationen eingesetzt; spezielle Narkosefilter fangen die Gase auf und ermöglichen das Recycling; die Niedrigflussnarkose erlaubt eine Reduzierung der Menge der eingesetzten Narkosegase. Die Bilanz fällt ökologisch wie ökonomisch positiv aus. Im Vergleich zu 2018 wurde die Anzahl der eingesetzten Narkosegasflaschen von 341 auf 165 gesenkt. Die CO2-Äquivalente verminderten sich von 298,3 Tonnen auf 94,6 Tonnen. Auch die Kosten für die zehn OP-Säle der Klinik wurden um 10.800 Euro geringer. Das Ziel sei klar: Salem wolle 2030 ein Zero-Emission-Hospital werden.
Bitter sei, wenn die Krankenkassen in den Budgetverhandlungen solche Einsparungen zur Reduzierung des Anteils der Betriebskosten an den DRGs heranziehen würden, beklagt Robert Färber vom Referat „Qualitätsmanagement, IT und Datenanalyse“ der KGNW. KLUG-Geschäftsführer Dr. Schulz sieht ein wesentliches Hindernis beim Erreichen der Decarbonisierungsziele im Wirtschaftlichkeitsgebot des SGB V. Damit könnte das Gebot der Nachhaltigkeit torpediert werden. Denn nicht immer sei das kostengünstigste Angebot auch das nachhaltigste – ein klassischer „Zielkonflikt“.
Investitionsbedarf bei Kliniken, Praxen und Heimen
In der neuen Legislaturperiode müsse das System der Krankenhausfinanzierung reformiert werden, so Dr. Schulz. Zusammen mit anderen Persönlichkeiten hat er einen Thinktank eingerichtet, um der Politik wissenschaftlich fundierte Vorschläge zu machen.
Auch die Ärztekammer Nordrhein fordert eine nationale Strategie für ein klimafreundliches Gesundheitswesen. Kammerpräsident Rudolf Henke betont: „Diese Strategie muss den notwendigen Investitionsbedarf für den Bau klimaneutraler Arztpraxen, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen berücksichtigten“.
Quelle: 15. Umwelttag der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen