Technik kann Raumklima verbessern – oder alles schlimmer machen

Gesundheitspolitik Autor: Manfred Godek

Sammeln sich Schadstoffe darin, werden Raumlufttechnik-Anlagen zum Risikofaktor. Der Betreiber haftet. Sammeln sich Schadstoffe darin, werden Raumlufttechnik-Anlagen zum Risikofaktor. Der Betreiber haftet. © iStock/KangeStudio

Raumlufttechnische Anlagen sollen für frische Luft und Wohlbefinden bei Patienten und Beschäftigten sorgen. Dazu müssen sie regelmäßig kontrolliert und gereinigt werden, besonders in Zeiten von Corona.

Eigentlich sollen sie die Luft sauberer und angenehmer machen. Raumlufttechnik-Anlagen können aber auch zum Risikofaktor werden. Und zwar dann, wenn sich Schadstoffe in der Anlage ansammeln. „Hier kommen drei problematische Faktoren zusammen: Staub, Wasser und Luft. Im Staub finden wir immer auch organisches Material – Reste von Blättern, Tierhaare, Hautschuppen, Staubmilben, Blütenpollen und so weiter. Davon wiederum leben Bakterien und Pilze, die ebenfalls mit dem Staub in die Lüftung geraten“, erklärt Professor Dr.-Ing. Uwe Franzke, Geschäftsführer des Instituts für Luft- und Klimatechnik in Dresden. Schimmelpilze und Bakterien sowie Endotoxine als deren Zerfallsprodukte können schwere Erkrankungen auslösen.

Vor allem bei Anlagen mit Befeuchtungssystemen und ganz besonders bei solchen mit Sprühbefeuchtern bestehe naturgemäß das Risiko einer Kontamination, auch mit den gefürchteten Legionellen, warnt das Robert Koch-Institut.

Eine Gefahr besteht grundsätzlich auch im Zusammenhang mit Coronaviren. Diese werden zwar durch Tröpfchen übertragen, aus Tröpfchen entstandene Aerosole können sich aber über die Luft verbreiten. Der Virologe Professor Dr. Chris­tian Drosten von der Charitémedizin Berlin wird dahingehend zitiert, dass etwa ebenso viele Infektionen über die großen Tröpfchen wie über Aerosole erfolgen.

Experten halten es für nicht ausgeschlossen, dass die Viren in feuchter Umgebung sogar mehrere Tage überleben und sich in den Räumen verbreiten können. Das Wissen darüber sei zwar noch sehr gering. Es gelte aber in jedem Fall, dass eine Klimaanlage gut gewartet und die Filter regelmäßig ausgetauscht werden sollten, vertritt Klaus Stadtmüller, Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Arbeitsmedizin.

Aber auch schon vor dem Auftreten des neuen Virus, im September 2019, sahen sich das Bundesumweltamt und das RKI veranlasst, an die Einhaltung der VDI-Richtlinie 6022 „Raumluft, Raumluftqualität“ zu erinnern. Diese Richtlinie hat quasi Gesetzeskraft, da sich u.a. das Arbeitsschutzgesetz, die Länder-Vorschriften zur Infektionshygiene in Kliniken und Heimen und die grundlegenden technischen Regeln für raumlufttechnische Anlagen in Gebäuden und Räumen des Gesundheitswesens darauf beziehen.

Einhaltung der VDI-Richtlinie gilt im Prinzip für alle Anlagen

Sie gilt für mobile Luftbefeuchter, Lufterfrischer, dezentrale Geräte und Splittgeräte ebenso wie für großvolumige Klimaanlagen. Auch Praxen in Wohngebäuden, die an „kontrollierte Raumentlüftungen“ angebunden sind, unterliegen dieser VDI-Richtlinie.

„Ich glaube, dass oft Unklarheit darüber herrscht, was wann zu prüfen oder zu reinigen ist. Und das im Klima-Bereich wie auch bei Heizung, Sanitär, Lüftung oder Elektro. Das gilt nicht nur für den gewerblichen Bereich und die Wohnungswirtschaft, sondern auch für Einrichtungen des Gesundheitswesens“, so Marc-A. Eickholz, Leiter Facility Management der Niederberger Gruppe, die als Gebäudedienstleister unter anderem Hygieneinspektionen und Anlagenreinigungen durchführt. Viele Betreiber seien schlichtweg erstaunt, wenn sie mit den Anforderungen konfrontiert würden (s. Kasten).

Klimahygiene in der Praxis

  • Anlagen mit Luftbefeuchtung sind alle zwei Jahre, ohne Befeuchtung alle drei Jahre zu inspizieren.
  • 14-tägige Keimzahlbestimmung bei Anlagen mit Befeuchterwasser (längere/kürzere Intervalle nach lufthygienischem Gutachten möglich)
  • Probenanalyse durch unabhängiges Fachlabor (akkreditiert nach DIN EN ISO/IEC 17025 und möglichst nach § 44 Infektionsschutz-Gesetz zugelassen)

Hygiene-Wartungen sind nicht Job eines Hausmeisters

Technische Instandhaltungen nach Herstellervorgaben decken nämlich nicht die hygienische Kontrolle und Wartung ab. Eickholz erklärt: „Neben einem regelmäßigen Filterwechsel müssen auch die Leitungen gereinigt werden. In größeren Netzen werden dafür Teleskope oder fahrbare Mini-Roboter eingesetzt.“ Durchgeführt werden dürfen solche Inspektionen nur von Personen mit einem Sachkundenachweis des TÜV oder des VDI. In der Regel ist das nicht der Hausmeister, sondern ein Fachbetrieb der Lüftungstechnik oder ein spezialisierter Gebäudedienstleister. „Bei den Überprüfungen durch die Gesundheitsämter spielt das Thema kaum eine Rolle, in vielen der marktbreit verfügbaren Checklisten taucht es nicht einmal auf“, so Matthias Bott, spezialisierter Berater und zertifizierter Hygienebeauftragter. Umso wichtiger sei es, dass die Betreiber sich die Risiken bewusst machten. Unwissenheit und selbst die Einschaltung eines externen Prüf- und Wartungsdienstleisters befreit nicht von der Verantwortung und Haftung, wenn Patienten oder Mitarbeiter erkranken. Der Auftraggeber muss sich davon überzeugen, dass die Prüffirma die vorgeschriebene Zertifizierung nach VDI 6022 besitzt. Qualifikation, Zustandsanalyse, Prüfschritte und jede einzelne Maßnahme müssen lückenlos und fälschungssicher dokumentiert werden. Im Fall eines Falles liegt die Beweislast beim Betreiber. Für den laufenden Betrieb empfehlen die Fachverbände der Klima- und Lüftungswirtschaft eine Lüftung mit möglichst hohem Außenluftanteil und geringen Umluftanteilen. Zudem sei es sinnvoll, die Anlagen schon vor der regulären Nutzungszeit, also der Praxisöffnung, und danach längere Zeit eingeschaltet zu haben. Die Raumluftfeuchtigkeit sollte „im Bereich des Behaglichkeitsfeldes“ zwischen 40 und 65 % gehalten werden. Bei Anlagen mit Befeuchtung kann ein Zielwert von 40 % vorteilhaft sein; weniger als 35 % stelle ein gesundheitliches Risiko dar. Laut verschiedener Untersuchungen sinkt bei einer geringeren Raumluftfeuchte die Übertragung von Influenzaviren. Über das Verhalten von Coronaviren wird noch geforscht.

Medical-Tribune-Bericht