Freitodbegleitung bei Depression Pensionierter Berliner Hausarzt muss sich zum zweiten Mal vor Gericht verantworten

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Gibt es ein Recht auf Freitodbegleitung bei schweren psychischen Erkrankungen? Gibt es ein Recht auf Freitodbegleitung bei schweren psychischen Erkrankungen? © sudok1 – stock.adobe.com

Zurzeit wird vor dem Berliner Landgericht der Fall des Dr. Christoph Turowski verhandelt. Er steht vor Gericht, weil er einer schwer depressiven Studentin Sterbehilfe leistete.

Der ehemalige Hausarzt kannte die Frau seit Juni 2021. Sie hatte ihn kontaktiert, weil er ihr aus den Medien bekannt war. Er war 2018 wegen unterlassener Hilfeleis­tung bei Freitodbegleitung angeklagt und freigesprochen worden.

Die Frau berichtete über eine 16-jährige Leidensgeschichte einschließlich Suizidversuchen. Sie erklärte auch, dass sie das Studium der Tiermedizin u.a. aufgenommen habe, weil Tierärzte Natriumpentobarbital verschreiben dürften. Zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme war die 37-Jährige im Praktischen Jahr. 

Suizidversuch endete mit Einweisung in Psychiatrie

Eine medikamentöse Therapie hatte ihr nicht geholfen, andere Behandlungsoptionen wie Lithium, Elektrokrampftherapie und Ketamin lehnte sie kategorisch ab. Sie wollte auch keine Sterbehilfeorganisation einbeziehen und untersagte die Kontaktaufnahme zu ihren behandelnden Ärzten sehr bestimmt. Einen gewaltsamen Tod durch Erhängen hatte sie bereits detailliert geplant.

Dr. Turowski empfahl der Frau zum Suizid Chloroquin-Tabletten und Diazepam-Lösung und stellte dafür auch die Rezepte aus. Allerdings blieb es aufgrund mehrfachen Erbrechens beim Suizidversuch. Nach Rufen des Rettungsdienstes durch einen Dritten und Einschaltung des Sozialpsychiatrischen Dienstes erfolgte für vier Wochen die Unterbringung in der geschlossenen Abteilung einer psychiatrischen Klinik. Umgehend nach der Entlassung wandte sich die Frau erneut an den Arzt. Es folgte ein umfangreicher Austausch über E-Mails, Telefonate, WhatsApp und Sprachnachrichten. 

Weit über 100 Kontakte waren es im Juni und Juli 2021. Die allermeisten Äußerungen hätten den wohlüberlegten Sterbewunsch beinhaltet, bemerkte der Arzt vor Gericht. Er machte der Frau schließlich sieben Gramm Thiopental per Infusion verfügbar. Im Video ist zu sehen, wie die Frau das Infusionssystem öffnet. Nach acht Minuten ist sie laut Dr. Turowski „sehr ruhig, friedlich und menschenwürdig gestorben“. 

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2020 ein grundrechtlich geschütztes Recht auf selbstbestimmtes Sterben betont. Aber rechtfertigt dies die Freitodbegleitung von psychisch Erkrankten? Besteht bei starker Depression ein freier Wille zum Sterben? In Berlin ist ein Urteil zum Fall für Ende März angekündigt.

Quelle: Medical-Tribune-Bericht


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