Schwerkranken nicht den assistierten Suizid verwehren

Gesundheitspolitik Autor: Cornelia Kolbeck

Schwerkranke wünschen den Tod. Ärzte sollen beim Sterben helfen. Doch die Gesetzeslage bringt Probleme. Schwerkranke wünschen den Tod. Ärzte sollen beim Sterben helfen. Doch die Gesetzeslage bringt Probleme. © iStock.com/dszc

Die FDP setzt sich seit Jahren für Selbstbestimmung in allen Lebenslagen ein, einschließlich der persönlichen Entscheidung, das eigene Leben zu beenden und dabei Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit einem Gesetzentwurf drängen die Freien Demokraten jetzt auf Rechtssicherheit in der nichtkommerziellen Sterbehilfe.

In ihrem neuen Vorstoß für Selbstbestimmung am Lebensende erinnern FDP-Bundestagsabgeordneten an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom März 2017 (Az.: 3 C 19.15). Es besagt, dass das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) Suizidwilligen, die sich wegen einer schweren und unheilbaren Erkrankung in einer extremen Notlage befinden, den Erwerb eines Betäubungsmittels nicht verwehren darf. Dieses Urteil steht jedoch in Konflikt zu § 217 Strafgesetzbuch, mit dem der Bundestag 2015 die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung unter Strafe gestellt hatte. „Der Rechtsprechung des BVerwG folgend müsste der Staat einem Schwerstkranken den Suizid ... ermöglichen. Ein Arzt hingegen macht sich strafbar, wenn er wiederholt bei einem Suizid assistiert“, erklärt die FDP und fordert die Bundesregierung auf, bestehende Wertungswidersprüche aufzulösen.

Staatsanwaltschaft prüft

Aus Sicht von Dignitas Deutschland e.V. brach der Gesundheitsminister mit der Missachtung des BVerwG-Urteils seinen Amtseid, Recht und Gesetz zu achten und höchstrichterlichen Entscheidungen zu folgen. Beim Berliner Justizsenator Dr. Dirk Behrendt erstattete die Organisation deshalb im vergangenen November Strafanzeige gegen Spahn. Wie Rechtsanwalt Dieter Graefe gegenüber Medical Tribune erklärte, wurde der Fall inzwischen an die Staatsanwaltschaft übergeben. Hier laufen derzeit Vorermittlungen.

Über 100 Anträge auf Abgabe eines Betäubungsmittels

In der Praxis führt der Konflikt dazu, dass die bisher beim BfArM eingegangenen mehr als 100 Anträge auf Abgabe eines tödlich wirkenden Betäubungsmittels nicht genehmigt wurden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat per „Nichtanwendungserlass“ die Abgabe untersagt. Eine Expertenanhörung des Gesundheitsausschusses im Bundestag machte – wie schon die Diskussion um die Einführung des Strafrechtsparagrafen 217 – deutlich, wie kontrovers die Sterbehilfe in Deutschland gesehen wird.

Anhörung zeigt kontroverse Sicht auf Sterbe-Beihilfe

Nach Ansicht des Strafrechtsexperten Professor Dr. Helmut Frister könnte im Betäubungsmittelgesetz definiert werden, wann die Verschreibung von Betäubungsmitteln für die Selbsttötung erlaubt ist. Der Rechtstheoretiker Professor Dr. Reinhard Merkel bestätigt die „rechtlich wie ethisch rundum überzeugende Entscheidung“ des BVerwG. Der Gesetzgeber solle diese Entscheidung nicht „zum Schaden aller“ zurücknehmen. Ärzte leisteten „Hilfe beim Sterben, aber nicht zum Sterben“, macht die Bundesärztekammer erneut deutlich. Vor Routinen, die sich aus extremen Notlagen ergeben könnten, warnt die Ethikerin Professor Dr. Dr. Sigrid Graumann. 

Medical-Tribune-Bericht