Pharma-Bashing bis hin zur Verstaatlichung?

Kolumnen Autor: Erich Kögler

© fotolia/bualuang_fotolia

Das Image der deutschen Pharmaindustrie - in unserer Meinungskolumne "Mit spitzer Feder".

Und täglich grüßt das Murmeltier: Wieder einmal bescheinigt eine Untersuchung der deutschen Pharmaindustrie ein miserables Image. Im "Healthcare-Barometer 2017" ist die Branche nach Einschätzung von fast drei Vierteln der Deutschen (73 %) vor allem auf ihren eigenen Gewinn bedacht und wirtschaftet zulasten der Sozialkassen. Nur 19 % glauben, dass es sich im Pharmabereich um Unternehmen handelt, die mit ihren innovativen Produkten Krankheiten heilen helfen.

Wie gut kann man sich fühlen, wenn man von der Seite der wahrhaft Guten gewissermaßen von oben und mit einer Spur nicht versteckter Verachtung von Unternehmern, Angestellten, Lobbyisten der Pharmaindustrie, ja einer ganzen Branche pure Selbstlosigkeit und Opferwillen einfordert. Schließlich geht es um unser aller höchstes Gut, unsere buchstäbliche Existenz, den gesunden ("Volks"-)Körper mit den diese Menschen niederträchtigerweise Schindluder zu dem einen Zweck der Profitmaximierung treiben. Ja, so einfach kann die Welt sein, wenn man nur auf der richtigen Seite steht.

"Ethikwächter auf Dauerstreife arbeiten sicher ohne Lohn und leben von Luft und Liebe"

Diese Ethikwächter auf Dauerstreife haben aber vielleicht eines noch nicht bemerkt: Das Experiment des Sozialismus, gar der Umsetzung eines kommunistischen Ideals ist gescheitert. Und zwar auf ganzer Linie. Das kann man bedauern, es ändert aber nichts an den Tatsachen. Karl, Lenin, Che und jetzt sogar der bis dahin fast unsterblich anmutende Fidel Castro sind mausetot. Gewiss leben die Mahner und Verteufeler der bösen Pharmaindustrie von Luft und Liebe und stellen ihre Arbeitskraft kostenlos ganz der Gemeinschaft zur Verfügung …

Was für eine bodenlose Heuchelei! Man kann – und muss sicherlich – darüber reden, inwieweit die Gesellschaft in der wir in Deutschland und vielen anderen westlichen Industrieländern leben, Antworten auf die großen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft hat. Das mag mit Recht angezweifelt werden. Oder welchen Spielraum insbesondere vor dem Hintergrund der umfassenden wirtschaftlichen Globalisierung der nationalstaatlichen Regulation noch bleibt.

Man kann und muss über die Notwendigkeit von "freien Zonen", die nicht nach der Logik kapitalistischen Verwertungsmaximen funktionieren sprechen, über die Zukunft traditionell staatlich organisierter Sektoren wie Bildung, Recht, Ordnung, Sicherheit und Infrastruktur, denn auch hier ist die Privatisierung unaufhaltsam auf dem Vormarsch und das verheißt bekanntermaßen nicht immer Gutes.

"Dann muss man schon ehrlich sein und gleich die Verstaatlichung der Branche fordern"

Aber eine Branche von vielen anderen an den Pranger stellen als unmoralisch und unrechtmäßig gewinnorientiert? Dann muss man doch schon so ehrlich sein und die Verstaatlichung fordern, besser aber wohl eine umfassende sozialistische Revolution. Denn was heißt es denn anderes, wenn Unternehmen ihren ureigenen Zweck, nämlich Mehrwert zu generieren, Gewinne zu erwirtschaften, Menschen davon in Lohn und Brot zu halten und Innovationen zu entwickeln, wenn diese Unternehmen all dies nicht mehr dürfen sollen?

Die machen Gewinne, die Fieslinge, mit der Entwicklung von pharmazeutischen Produkten, die unser Leben verlängern und unsere Lebensqualität auch im Alter und bei Krankheit verbessern? Das darf nicht sein, also her mit Zwangsrabatten, wahnwitzigen Auflagen zur Einschränkung der Forschungsfreiheit und anderen lustigen Instrumenten zur Gängelung dieser unliebsamen Branche. Wenn man mal so drüber nachdenkt, kann man schon an der Vernunftbegabung manch eines derlei engagierten Protagonisten in Politik und Medien zweifeln …

Was wäre denn die Alternative? Die Verstaatlichung von Wissenschaft und Forschung etwa? In einem Staat, dem es noch nicht einmal gelingt, dem akademischen Nachwuchs im Medizinbereich Studienplätze in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen? Ich schweige taktvoll von den anderen "blühenden Landschaften" in staatlicher Obhut.

"In dieser Logik weitergedacht sind alle Leute aus PR- und Marketing Kriminelle"

Auch Pharmafirmen sind Wirtschaftsunternehmen, auch ihnen stehen Gewinne zu – wir leben eben nicht im Sozialismus. Umso unverständlicher ist die permanente Medienschelte, die oftmals auch noch im gebetsmühlenartig wiederholten Vorwurf gipfelt, die Industrie "schmiere" die Ärzte, um sie für die Verschreibung ihrer Produkte positiv zu stimmen. In dieser Logik weitergedacht sind alle Leute in Marketing und PR, in den Kommunikationsabteilungen und Medien Kriminelle, die sich an dieser großen Maschinerie zur Beeinflussung von "Zwischenhändlern", Verordnern und zur Gehirnwäsche des Verbrauchers (in allen Branchen!) beteiligen. Netter Gedanke.

Doch zurück zur Pharmaindus­trie: Mit einem Umsatz von fast vierzig Milliarden Euro und weit über 100 000 Mitarbeitern ist sie ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber. Forschung und Entwicklung ist die Grundlage der gesamten Branche. Alle Unternehmen leben von den Innovationen. Die Erfinder vermarkten sie als Originalpräparate, die anderen später als Generika.

Aber jedes generische Arzneimittel war einst eine Innovation. Im Jahr 2015 investierten die Pharmahersteller in Deutschland 11,9 % ihres Umsatzes in Forschung und sind damit auf Platz zwei aller Branchen. Die Ausgaben betrugen 2013 rund sechs Milliarden Euro. Etwa jeder sechste Pharma-Mitarbeiter forschte oder entwickelte neue Präparate. Keine so üble Bilanz.

Was bleibt, ist daher wohl nur die Empfehlung an die “Macher“ in der Branche, in Sachen Öffentlichkeitsarbeit künftig noch aktiver zu werden nach dem Motto "Tue Gutes und rede darüber". Ich habe mal angefangen – und stehe auf keiner der einschlägigen Gehaltslisten!