Interview „Prinzipiell brauchen wir mehr Zeit“

Autor: Günter Nuber und Michael Reischmann

Dr. Maximiliane Knöfel (2. v.r.), Dr. Jonas Laaser (3. v.r.) und Jasmin von Zezschwitz (6. v.r.) haben mit uns auf dem diesjährigen Diabetes Kongress in Berlin über die Arbeit und Herausforderungen der DDG-Arbeitsgemeinschaft Nachwuchs aka „Junge Wilde“ gesprochen. Dr. Maximiliane Knöfel (2. v.r.), Dr. Jonas Laaser (3. v.r.) und Jasmin von Zezschwitz (6. v.r.) haben mit uns auf dem diesjährigen Diabetes Kongress in Berlin über die Arbeit und Herausforderungen der DDG-Arbeitsgemeinschaft Nachwuchs aka „Junge Wilde“ gesprochen. © DDG/Dirk Michael Deckbar

Sie hat schon Tradition, die Podcast-Folge mit der AG Nachwuchs während des Diabetes Kongresses. Dieses Mal waren drei „junge Wilde” dabei. Gesprochen haben sie über ihre Pläne und Hoffnungen und die Nachwuchsförderung der DDG.  

Jonas, Du bist neu in der Runde. Was sind die Herausforderungen der AG Nachwuchs, mit denen Du Dich als Sprecher beschäftigst?

Dr. Jonas Laaser: Als Stipendiat bin ich seit 2017 dabei, 2018 habe ich die ersten Miniprojekte in der AG übernommen, jetzt darf ich Micha Kortemeier beerben und finde eine super aufgeräumte, gut funktionierende AG vor. Das Ziel des Teams und mein Ziel ist es, die Strukturen weiter zu professionalisieren, noch enger mit der Geschäftsstelle zusammenzuarbeiten und die AG nicht nur mit dem Fokus auf das Stipendiatenprogramm arbeiten zu lassen, sondern so langsam in weitere Gremien überzugehen. Dieses Jahr durfte ich u.a. im Programmkomitee mitarbeiten und habe Symposien vorgeschlagen, die auch angenommen wurden.

Inwiefern ist es Euch gelungen, auf dem Kongress Nachwuchs für die Diabetologie zu gewinnen?

Irena Drozd: Wir haben ein sehr umfangreiches Reisestipendiatenprogramm. Viele waren davon begeistert und wollen in die Diabetologie gehen. Und genau das wollen wir langfristig erreichen.

Jasmin von Zezschwitz: Ein Riesenvorteil ist, dass man Leute kennenlernen kann. Sehr viele sind beim Kongress über die AG schon in Famulaturen oder Praktika reingekommen, haben Stellen gefunden. Das ist für uns richtige Nachwuchsförderung und der größte Vorteil einer Präsenzveranstaltung.

Welche Erwartungen und Perspektiven hat denn der Nachwuchs an die und in der Diabetologie?

Dr. Laaser: Wir brauchen genug Zeit für die Ausbildung. Wir brauchen die Möglichkeit, früh berufspolitisch mitzusprechen und gehört zu werden. Wir brauchen eine gute Ausbildung, wir brauchen genug Ausbildungsstellen. Wir als AG arbeiten zusammen mit der DDG daran, dass das Niveau in Zukunft mindestens erhalten bleibt, aber eigentlich noch viel, viel besser werden muss.

Alle Redner*innen auf dem Kongress sind sich einig: Ja, es muss eine Krankenhausreform geben. Wie erlebt Ihr die Situation in der Klinik?

Dr. Laaser: Ich komme gerade aus knapp dreieinhalb Jahren universitärer Ausbildung und hatte das Glück, sehr gut endokrinologisch-diabetologisch ausgebildet worden zu sein. Aber sobald es in die benachbarten Fächer ging, hatte ich oft das Gefühl, ein Case-Manager zu sein. Ich arbeite so eher Fälle ab, als als Arzt zu arbeiten. Deshalb ist es eine der Kernforderungen der AG Nachwuchs, dass explizit Zeit dafür da sein muss. Wir wünschen uns, dass die DDG dies für uns weiterträgt. Zeit muss im Personalbemessungstool für die Weiterbildung integriert werden und die ärztliche Weiterbildung darf nicht weiter im Kreislauf der Ökonomisierung stattfinden. Also: Prinzipiell brauchen wir mehr Zeit und diese Zeit muss uns von außen politisch gegeben werden.

Was bekommt Ihr selbst mit von den Nachwuchsproblemen und vom Personalmangel?

Dr. Laaser: Ich wurde heute schon von mehreren Kolleginnen und Kollegen angesprochen, die mir gesagt haben: „Ich bin Anfang 60 und ich möchte gerne irgendwann meine Praxis abgeben. Wie finde ich denn Nachwuchs?“

Drozd: In der Klinik ist der Personalmangel ein Problem, wir sind überarbeitet und kommen nicht hinterher. Da muss sich politisch etwas ändern. 

Von Zezschwitz: Ich arbeite in einer Kinderarztpraxis. Auch dort bräuchte man entweder drei Paar Hände mehr oder die entsprechende Vergütung. Aber selbst dann gibt es ja zu viele Patient*innen. Eigentlich muss man überall gleichzeitig ansetzen.

Dr. Laaser: Die Quintessenz eines Vortrags von Dr. Oana-Patricia Zaharia zu den Perspektiven des Nachwuchses in der Forschung war, dass ihr Weg nicht möglich gewesen wäre ohne gutes Mentoring und die hilfreichen Strukturen des DZD. Auch da müssen die DDG und jeder Diabetologe, jede Diabetologin sich hinterfragen: Mache ich genug für den Nachwuchs? Welche Möglichkeiten gibt es noch, mich zu engagieren?

Wo gibt es derzeit den dringendsten Handlungsbedarf?

Dr. Laaser: Wenn man das auf einen einzigen Punkt runterbrechen könnte, wäre es vermutlich einfach zu lösen. Wir brauchen mehr Diabetes­berater*innen, es muss besser vergütet werden. Wir brauchen mehr Personal in den Praxen, in den Kliniken. Wir brauchen mehr Lehre. Wir brauchen mehr davon, um die Menschen im Endeffekt gut versorgen zu können, denn das ist das Hauptziel von all dem, was wir hier machen: Wir wollen eine gute Versorgung gewährleisten.

Während des Symposiums „Blick in die Zukunft: Erfolgsfaktor Diabetes-Team“ wurde der Teamgedanke als Erfolgsbringer angesprochen. Wie seht Ihr das?

Drozd: Diabetologie ist Teamarbeit, weil die Therapie so komplex ist. Leider ist in den jetzigen Plänen zur Krankenhausreform diese Interdisziplinarität nicht in der Vergütung abgebildet. Das ist schlecht, denn ohne ein gutes Team, ohne eine gute Vergütung für das ganze Team kann es nicht funktionieren.

Wie stellt Ihr selbst Euch Euren Arbeitsplatz der Zukunft vor?

Dr. Laaser: Mein Arbeitsplatz der Zukunft sollte patientenzentriert, strukturiert und wenn möglich digital sein. Er ist außerdem flexibel, im besten Falle sowohl zeitlich wie vielleicht manchmal auch örtlich. Vor allem wünsche ich mir, dass der Spaß an der Arbeit nicht vergeht. 
Von Zezschwitz: Patientenzentriert ist ein gutes Stichwort. Wir stecken so viel Zeit und Energie in Fragen wie: Habe ich genug Zeit? Was wird bezahlt? Diese Zeit und Energie würde ich lieber für die Patient*innen nutzen. Wenn man engagiert ist, geht das, aber es geht auf Kosten der eigenen Gesundheit und der eigenen Zeit. Und das sollte nicht der Fall sein.

Drozd: Ich wünsche mir, dass ich patientenorientiert arbeiten kann, dass ich Zeit für Dinge habe, die mir Spaß machen, klinisch und auch in der Forschung. Und dass ich auch die Möglichkeiten habe, mich zu engagieren und mitzusprechen.

Wie beurteilt Ihr denn das Jahr 2024 bezüglich der Unterstützung Eurer AG durch die DDG?  

Dr. Laaser: Ich habe mich wirklich gefördert gefühlt – durch die Möglichkeit, mich im Programmkomitee einzubringen, die Möglichkeit, hier Vorträge zu halten und auf einer Bühne mit den Größen der DDG zu stehen. Das motiviert ungemein und bestärkt mich noch mehr, die Arbeit für die AG und die DDG auszubauen.
Von Zezschwitz: Gerade mit der Geschäftsstelle ist der Kontakt so gut, unkompliziert und schnell, dass wir uns nicht beschweren können.  

Warum sollten junge Menschen in die Diabetologie einsteigen?

Drozd: Aktuell ist alles so innovativ und vielfältig, dass uns als Nachwuchs in Praxis und Forschung z.B. im Rahmen des DZD sehr viele Wege offenstehen. Ich finde es sehr motivierend und inspirierend, dass wir in einer Zeit tätig sind, in der wir so viel erreichen, forschen und als Team vorankommen können.

Von Zezschwitz: In der Diabetologie passiert so viel und ich persönlich liebe Diabetes – das darf ich sagen, weil ich selbst Diabetes habe. Ich finde auch cool, dass man so viele Möglichkeiten zur Prävention hat. Und es gibt, glaube ich, kein anderes Fach, in dem man so viele Stellschrauben hat. Man hat nicht nur eine Chance, Menschen zu helfen, und immer wieder gibt es Erfolge.  

Dr. Laaser: Für mich macht die Diabetologie aus, dass sie sowohl hochspezialisiert und technologisiert ist, aber auch oft einfach sehr breit und hausärztlich. Dieses Spektrum fasziniert mich extrem.