Softdrinksteuer Studie zeigt Vorteile einer Abgabe auf Softdrinks
Gezuckerte Getränke erhöhen das Risiko für Übergewicht und Erkrankungen wie Dia-betes. Die Selbstverpflichtung der Getränkeindustrie von 2018, den Zuckergehalt in Softdrinks zu reduzieren, bleibt allerdings deutlich hinter den Erwartungen zurück. Wissenschaftler*innen der Technischen Universität München (TUM) und der University of Liverpool haben nun berechnet, welche Auswirkungen die Einführung einer sog. Zuckersteuer für Deutschland hätte. „Wir haben simuliert, wie sich die gängigsten internationalen Besteuerungs-Ansätze im Zeitraum von 2023 bis 2043 auswirken würden“, berichtet Prof. Dr. Michael Laxy, der Public Health und Prävention an der TU lehrt.
Effekte auf Nachfrage und Rezepturen international belegt
Während z. B. in Großbritannien Unternehmen Abgaben leisten müssen, die sich nach der Zuckermenge in den Softdrink-Rezepturen richten, wird in Mexiko die Steuer unabhängig vom Zuckergehalt der Softdrinks erhoben. Letzteres führt vor allem zu einer verringerten Nachfrage nach Softdrinks, während die erste Variante zudem mit einer Änderung der Rezeptur hin zu weniger Zucker in den Softdrinks einhergeht.
Der Simulation zufolge würde bei einem 20-prozentigen Aufschlag auf die Softdrinkpreise der Zuckerkonsum pro Tag und Person um ein Gramm sinken. Bei Männern zwischen 30 und 49 Jahren wären es sogar knapp drei Gramm, berichten die Wissenschaftler*innen. Noch stärker würde sich eine Reduktion des Zuckers in den Rezepturen um 30 % auswirken, wie sie in Großbritannien nach Einführung der gestaffelten Herstellerabgabe verzeichnet wurde. Durch weniger Zucker in den Getränken würde der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland um täglich 2,3 Gramm reduziert bzw. um 6,1 Gramm für Männer zwischen 30 und 49.
Das Modell simulierte die deutsche Gesellschaft für den Zeitraum 2023 bis 2043. Menschen unter 30 wurden allerdings nicht berücksichtigt, da die meisten der betrachteten Erkrankungen vor allem in der zweiten Lebenshälfte auftreten. Da aber der Softdrinkkonsum im Teenageralter am höchsten ist, wäre die durchschnittliche Reduktion des Zuckerkonsums und somit der gesundheitliche Effekt noch größer, wenn auch Jüngere berücksichtigt würden, so die Münchner Forschenden.
Besteuerung gesüßter Getränke ist keine Seltenheit
Weltweit haben bis 2021 insgesamt 50 Regierungen Abgaben auf zuckerhaltige Getränke eingeführt. Die Wirksamkeit variiert je nach Ausgestaltung der Steuer, Zielgruppe, kulturellen Normen und Durchsetzungsmechanismen, heißt es in einer aktuellen Überblicksarbeit*. Das Potenzial der Steuern auf Softdrinks bei der Reduzierung der Aufnahme von zugesetztem Zucker sei signifikant, insbesondere wenn Lebensmittelhersteller ihre Produkte reformulierten. Messen lässt sich dies anhand von Kaufrückgängen und Konsumumstellungen. Die Belastung einkommensschwacher Gruppen lässt sich ausgleichen. Modellierungsstudien legen nahe, dass die Maßnahmen auch zu Verbesserungen beim Risiko für Typ-2-Diabetes führen können.
Der Zuckerkonsum liegt hierzulande bei täglich ca. 95 Gramm pro Kopf. Die WHO und die Deutsche Gesellschaft für Ernährung raten jedoch, dass maximal 10 % des Energiebedarfs durch Zucker gedeckt werden soll, was ca. 50 Gramm pro Kopf und Tag entspricht.
Die Ergebnisse der Simulation sind: Bei beiden Besteuerungsmodellen gäbe es deutlich weniger Fälle von Übergewicht, Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie entsprechend mehr qualitätskorrigierte Lebensjahre (QALYs, siehe Tab.). Beispielsweise würden durch eine Besteuerung innerhalb der nächsten 20 Jahre bis zu 244.100 Menschen später oder gar nicht an Typ-2-Diabetes erkranken, heißt es.
Mit einer Abgabe auf gezuckerte Getränke wären also weniger Behandlungen und Krankheitstage verbunden. Für den simulierten Zeitraum hat das Team bei einer gestaffelten Herstellerabgabe volkswirtschaftliche Einsparungen von rund 16 Mrd. Euro errechnet, davon etwa 4 Mrd. Euro an Gesundheitskosten. Bei einer 20-prozentigen Steuer wären es etwa 9,5 Mrd. Euro.
„Bundesregierung darf die Fakten nicht länger ignorieren“
Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG und Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), bemerkt zur Simulationsstudie: „Die Bundesregierung darf die wissenschaftlichen Fakten nicht länger ignorieren. Eine Herstellerabgabe auf stark gezuckerte Erfrischungsgetränke und im Gegenzug die steuerliche Entlastung von Obst, Gemüse und Hülsenfürchten sollte ein wesentlicher Baustein der Ernährungsstrategie der Bundesregierung werden. Nur mit gesamtgesellschaftlichen Maßnahmen können wir die heranrollende Adipositaswelle wirksam stoppen.“
Die Hinweise der Forschenden, dass steuerliche Modelle eine wichtige Maßnahme sind, um die Fälle von Typ-2-Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen wirksam einzudämmen, sollte für die Regierung ein Ansporn sein, solche fiskalischen Instrumente wieder ernsthaft zu prüfen. Doch in der Ernährungsstrategie der Bundesregierung – mit der Vision, dass „es bis 2050 für alle Menschen in Deutschland möglich und einfach ist, sich gut zu ernähren“ – ist davon nichts zu lesen, bedauert Bitzer.
Keine Mehrheit im Bürgerrat für eine Zuckersteuer
Der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ des Bundestages hat neun Empfehlungen formuliert, die mindestens 50 % Zustimmung der anwesenden Bürger*innen erhielten. Höchste Priorität hat demnach „kostenfreies und gesundes Mittagessen bundesweit an Kitas und Schulen für alle Kinder“. Auf Platz 2: Ein verpflichtendes staatliches Label soll bewusstes Einkaufen leicht machen. Der Rat empfiehlt auch 0 % MwSt. für z. B. Obst und Gemüse in Bio-Qualität, Hülsenfrüchte, Nüsse und Vollkorngetreide sowie Mineralwasser. Keine mehrheitliche Zustimmung erhielten die beiden Vorschläge einer gestaffelten Herstellerabgabe auf alle Getränke mit Zucker oder Süßungsmitteln bzw. einer Lenkungssteuer auf zuckerhaltige Getränke. Online:
Entscheidend sei aber auch, dass die geplanten Regelungen zum Kinderschutz in der Lebensmittelwerbung, die der Bundesernährungsminister bereits im Februar 2023 vorgestellt habe, endlich umgesetzt würden und dass diese sich an einer umfassenden Uhrzeitenregelung orientierten. „Andernfalls bleibt die Ernährungspolitik des Bundes eine Politik für die Interessen von Unternehmen und nicht für die Kindergesundheit.“