Telematikinfrastruktur: „Das Kostenrisiko gesenkt“

Interview Autor: Michael Reischmann

Die elektronische Gesundheitskarte wird zukünftig auch einen eMedikationsplan bereithalten (Links: Uwe Eibich, Vorstand der CGM Deutschland AG, Koblenz). Die elektronische Gesundheitskarte wird zukünftig auch einen eMedikationsplan bereithalten (Links: Uwe Eibich, Vorstand der CGM Deutschland AG, Koblenz). © CGM; fotolia/Stockfotos-MG

Das Gesundheitsministerium will die Digitalisierung. KBV- und GKV-Spitzenverband haben sich auf eine neue TI-Finanzierungsvereinbarung verständigt. Kann es jetzt richtig losgehen? Mit Uwe Eibich, Vorstand der CompuGroup Medical Deutschland AG, die beim Rollout derzeit die Nase vorne hat, sprachen wir über Status quo und Aussichten.

Herr Eibich, brauchen wir noch die elektronische Gesundheitskarte?

Uwe Eibich: In der professionellen Umgebung der Patientenversorgung wird man die eGK weiterhin zur Authentifizierung brauchen. Denn es gibt dafür noch keine Alternative – früher sind die Versicherten mit dem Krankenschein zum Arzt gekommen. Aber zunächst bauen wir mit der Telematikinfrastruktur (TI) ein sicheres Netzwerk mit dem hohen Prinzip der Zwei-Schlüssel-Lösung für die Leistungserbringer auf. Dafür werden der Heilberufsausweis und die eGK gebraucht. Die TI bietet die Grundlage für viele medizinische Anwendungen. So wird es im kommenden Jahr den Notfalldatensatz und den elektronischen Medika­tionsplan geben. Im nächsten Schritt ist darüber nachzudenken, wie die Patienten Zugriff auf ihre Daten bekommen können. Die elektronische Patientenakte wurde ja bereits im eHealth-Gesetz angekündigt.

Sind die Bekenntnisse des Bundesgesundheitsministeriums zur TI denn jetzt eindeutig genug?

Eibich: Es gibt das Schreiben des Abteilungsleiters Digitalisierung im BMG, Gottfried Ludewig, in dem das Ministerium erklärt, dass es zum weiteren Ausbau der TI steht. Nach unserer Wahrnehmung war das auch nie fraglich.

Wie sieht es aktuell beim TI- Anschluss der Arztpraxen aus?

Eibich: Einen TI-Anschluss bestellt haben bei uns über 27 000 Arzt- und Zahnarztpraxen. Bei etwa 18 000 bis 20 000 davon sind die Installationen mittlerweile abgeschlossen. Viele Praxen müssen erst noch ihre Praxisausweise bestellen und geeignete Termine fürs Einrichten vereinbaren.

Wir können prinzipiell alle unsere Praxissoftware-Kunden sowie einen Großteil anderer Kunden an die TI anschließen. Die Zahl der Praxen, die noch kein CGM-System haben, aber bei uns die Komponenten und die Installation bestellen, nimmt ständig zu. Das sind mehrere Tausend. Voraussetzung ist allerdings, dass das Softwarehaus der Praxis auch ein TI-Modul liefern kann. Kommt es hier zu Verzögerungen, geht dies zulasten der Kunden. 

Die KBV hat vergangene Woche mitgeteilt, dass die Erstausstattungspauschale für den Konnektor im dritten Quartal 2018 nicht auf 720 Euro, sondern nur um 10 % auf 1719 Euro sinken wird. Ab dem vierten Quartal gibt es 1547 Euro. Müssen die Ärzte also nicht mehr fürchten, auf Kosten sitzen zu bleiben?

Eibich: Mit dieser Entscheidung ist dieses Risiko gesunken. Aktuell ist damit die Finanzierung im dritten Quartal für die Ärzte sicher. Aber die Krankenkassen können die Vereinbarung zum vierten Quartal kippen und eine niedrigere Pauschale verhandeln.

Die CGM will diese Sorge mit ihrem „Herzens-Angebot“ nehmen. Wir geben allen Ärztinnen und Ärzten, die bis zum 30. Juni den TI-Anschluss bei uns bestellen, das Versprechen, dass sie nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Entweder die Installation erfolgt noch im zweiten Quartal oder wir übernehmen die Differenz zur Förderung des Q3/2018. Damit richten wir uns ausdrücklich auch an die Anwender anderer Praxissoftwareanbieter. Wir haben dafür unsere Installations­kapazitäten ausgeweitet.

Über KoCoBox.de bietet CGM die TI-Komponenten den Ärzten auch zum Selberinstallieren an. Ist das wirklich so einfach?

Eibich: Wenn man schaut, welche Softwareanbieter schon ein zugelassenes TI-Modul haben, dann könnten rund 100 000 Ärzte das Angebot nutzen und nach dem 31. Dezember gesetzeskonform arbeiten.

Ein Softwaretool prüft hierbei, ob das Praxisnetz okay ist oder noch etwas vorbereitet werden muss. Ein weiteres Tool leitet den Arzt durch den Installationsprozess und nimmt technische Einstellungen vor. Wir haben das mit Praxen pilotiert. Das klappte gut. Viele Ärzte haben auch technisch versierte Betreuer, die ihnen helfen. Mit dem Online-Angebot kann der Arzt selbst bestimmen, wann er installiert.

Der TI-Start verlief allerdings auch mithilfe von Dienstleistern nicht überall reibungslos. So gab es beispielsweise Klagen über „System­abstürze“, wenn von Versicherten G1-Karten vorgelegt wurden, aber auch über den Service bei Softwareproblemen. Haben Sie genügend Mitarbeiter im Einsatz?

Eibich: G1-Karten können nicht online aktualisiert werden. Die Kassen sagen: Wir haben allen Versicherten neue Karten, G1+ oder G2, geschickt. Aber es kommen halt immer noch Patienten mit alten Karten in die Praxen. Das ist ein organisatorisches Problem.

Bei 20 000 Arztpraxen, die innerhalb weniger Monate an die TI angeschlossen wurden, gibt es natürlich auch den ein oder anderen technischen Problemfall. Das wird zu Markte getragen. Man kann also sagen, die Installation läuft problemlos. Wir haben 500 Techniker ausgebildet, die das Projekt betreuen und bearbeiten. Und Support-Rückfragen bei Updates sind üblich – dafür haben wir ja die Hotlines.

Sie haben schon auf die kommenden TI-Anwendungen Notfalldaten und eMedikationsplan verwiesen. Wie geht es da konkret weiter?

Eibich: Die Spezifikationen der gematik dafür gibt es seit Ende letzten Jahres. Mit der technischen Entwicklung sind wir so gut wie fertig. Es folgen die Prüfungen beim TÜV und beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Im Herbst beginnt dann in Westfalen-Lippe der Feldtest mit 70 Teilnehmern – Ärzten, Apotheken, einem Krankenhaus, einer Notfallpraxis. Ich gehe davon aus, dass die beiden Anwendungen 2019 bundesweit verfügbar und abrechenbar sein werden; dafür wird es wieder Updates für den Konnektor und die Praxissoftware geben.

Und wie könnte bei der elektronischen Gesundheitsakte der Zeithorizont aussehen?

Eibich: Schwer zu sagen. Unsere elektronische Gesundheitsakte nutzen schon rund zwei Millionen Patienten für Online-Terminbuchung, Rezeptbestellung, Befundübermittlung. Die Frage ist: Was verlangt die gematik, etwa bezüglich des Zulassungsverfahrens? Das wissen wir noch nicht.

Wie wirkt sich die vom Deutschen Ärztetag angestoßene Liberalisierung der Fernbehandlung auf die TI-Nutzung aus? Es ist ja jetzt schon möglich, Videosprechstunden anzubieten – was aber kaum passiert.

Eibich: Der Ärztetag hat sich nach meiner Wahrnehmung prinzipiell positiv zu Digitalisierung und eHealth ausgesprochen. Klar ist: Es ergeben sich neue Möglichkeiten für Produktangebote. Mit der Video­sprechstundensoftware „elVi“ von der Firma La-Well, die wir im April übernommen haben, haben wir solch ein Produkt in unserem Portfolio. Heute ist die Videosprechstunde im EBM noch auf wenige Vergütungsfälle begrenzt. Das kann sich aber ändern. Im privatärztlichen Bereich ist die Videosprechstunde durchaus ein genutztes Instrument.

Die Idee, in einem „Bürgerportal“ die Abgabe der Steuererklärung, eine Passbeantragung und den Datenaustausch im Gesundheitswesen zu koordinieren, damit nicht jeweils eigene digitale Identitäten benötigt werden, klingt für Sie realistisch?

Eibich: Gegenfrage: Sollte so etwas nicht schon seit der Einführung des neuen Personalausweises möglich sein? Die Idee einer einheitlichen digitalen Identität ist grundsätzlich nicht schlecht. Aber im Gesundheitswesen haben wir ein selbstverwaltetes System und da ist die eGK der Identitätsnachweis. Die Frage ist auch: Möchte ein Patient die Verquickung seiner Gesundheitsdaten mit digitalen Gängen zum Amt oder dem Austausch mit dem Finanzamt in einer Identitätswolke? Kurz: Ich halte diese Idee für keinen Selbstgänger.