Machen Smartphones die Jugend krank? Verhalten der „Generation Online“ ist zu einem Krankenkassenthema geworden

Gesundheitspolitik Autor: Jan Helfrich

Soziale Medien dienen als „sozialer Kitt“. Sie können Heranwachsende aber auch überfordern, frustrieren oder einsam machen. Soziale Medien dienen als „sozialer Kitt“. Sie können Heranwachsende aber auch überfordern, frustrieren oder einsam machen. © deagreez - stock.adobe.com

Instagram, TikTok & Co. sind fester Bestandteil des Alltags vieler Heranwachsender. Doch welche gesundheitlichen Auswirkungen hat die stundenlange Nutzung von Smartphones?

„17-Jährige entfernen sich im Schnitt den ganzen Tag nicht weiter als zwei Meter von ihrem Smartphone. Sie gehen damit zum Essen, ins Bett und wachen damit auf“, sagt Prof. Dr. Martin Korte, Hirnforscher an der TU Braunschweig. Vor allem soziale Netzwerke, Musik- und Videostreaming und Gaming begeistern die Heranwachsenden. 

Soziale Medien dienen Kindern und Jugendlichen zur Unterhaltung und zum Austausch mit Gleichaltrigen. Sie bieten Raum, um sich zu informieren, zu positionieren, kreativ zu sein, Hilfe zu erfahren. „Soziale Medien können Heranwachsende mit ihrem Überangebot und ihrer Flut an ungefilterten Nachrichten aber auch überfordern, frustrieren, Ängste schüren und einsam machen“, warnt Franziska Klemm, Psychologin und Expertin für Medienkompetenz bei der KKH. 

Laut einer forsa-Umfrage gibt es 56 % der 12- bis 19-Jährigen meist ein gutes Gefühl, wenn andere ihre Beiträge liken oder teilen. Gehen keine Reaktionen auf eigene Beiträge ein, macht das ein Viertel traurig. 

Online-Welt als echte und ernste Realität wahrnehmen

Ein Fünftel der befragten 12- bis 19-Jährigen hat auch schon negative Erfahrungen mit Mobbing gemacht. „Beleidigungen und Ausgrenzung von Menschen erfolgen im Netz anonym, meist über einen längeren Zeitraum, und sie erreichen mehr Menschen als offline. Dagegen aktiv anzugehen, ist schwer“, so Klemm. „Da das Smartphone im Alltag der Jugendlichen nahezu immer präsent ist, gilt das auch für das Mobbing.“ Das könne tief verunsichern, verletzen, zu sozialem Rückzug bis hin zu Ängsten und Depressionen führen.

„Kinder sind in der digitalen Welt wesentlich ungeschützter unterwegs als in der realen Welt“, betont Prof. Korte. Sie könnten sich von Pornografie bis zu den schrecklichsten Videos alles ansehen. „Erwachsene sollten die Online-Realität als echte und ernste Realität wahrnehmen.“ Das bedeute, die Kinder zu fragen, was sie denn da tun. „Die soziale Kompetenz im Umgang mit den Medien steigt, wenn man diese mit Freunden und Familie erlebt.“

Übermäßige Online-Zeiten und ein zu häufiges Abtauchen in digitale Welten schaden der Gesundheit, fasst KKH-Expertin Klemm zusammen. Versichertendaten der Kasse zeigen, dass der Anteil der 6- bis 18-Jährigen mit Sprach- und Sprechstörungen (ICD-10: F80.0, F80.1, F80.8, F80.9) von 2013 auf 2023 um 53 % zugenommen hat. Bei den 15- bis 18-Jährigen gab es sogar eine Verdoppelung. Bundesweit haben mehr als 16.000 6- bis 18-Jährige 2023 eine dieser Diagnosen erhalten, das ist ein Anteil von 8,6 %. Betrachte man, wie relevant die Sprache z. B. beim Schulabschluss oder bei Job-Bewerbungen sei, dürfe dieser Befund nicht unterschätzt werden, so Klemm. Zudem legte der Anteil der 6- bis 18-Jährigen mit motorischen Entwicklungsstörungen (F82) von 2013 auf 2023 um gut 37 % zu, bei den 15- bis 18-Jährigen sogar um rund 77 %. Rund 5.650 Kinder und Jugendliche haben 2023 bundesweit diese Diagnose erhalten. Das entspricht einem Anteil von 3 %. 

Klemm empfiehlt Eltern, sich zu fragen: „Wie gehe ich selbst mit Social Media um?“ Am Ende seien Mama und Papa immer noch Vorbilder für ihre Kinder, auch bei den digitalen Medien. Jugendliche wiederum könnten quasi als Expertinnen und Experten befragt und eingebunden werden. Prof. Korte betont: „Wir brauchen jetzt neben der digitalen Begeisterung auch einen Schritt, bei dem man betrachtet, was von dem Ganzen gut und was schädlich ist.“