Wer, wenn nicht der Hausarzt?
Wer sollte sich primär um eine Insomnie kümmern? So das Thema eines Kurzvortrags im Rahmen eines Updates Schlafmedizin, um den man mich kürzlich gebeten hatte. Ich machte mir also im Vorfeld so meine Gedanken dazu: Wer sollte sich primär kümmern?
Als ich mich vor 45 Jahren entschloss, Hausarzt zu werden, hätte auf diese Frage wahrscheinlich die Antwort „Natürlich der Hausarzt, wer denn sonst?“ vollkommen ausgereicht. Denn Patienten erzählen nun mal oft – mehr so nebenbei – in der Sprechstunde von ihrem schlechten Schlaf. Damals waren sie dann froh über eine kleine Tranquilizer-Verordnung.
Heute hat sich nicht nur die (Schlaf-)Medizin erheblich weiterentwickelt, sondern auch der Beruf und die Kompetenz des Hausarztes – was sich aktuell auch in der Wahl des Hausarztes Klaus Reinhardt zum Präsidenten der Bundesärztekammer ausdrückt. Damals galt dagegen, der Hausarzt ist der praktische Arzt (Entscheidung des Deutschen Ärztetages 1956 in Münster), der nach einer Tätigkeit als Medizinalassistent seine Approbation bekam und sich dann nach drei Jahren Weiterbildung niederlassen konnte. Die Bezeichnung Allgemeinarzt bzw. Arzt für Allgemeinmedizin und ihre gleichberechtigte Einfügung in die Weiterbildungsordnung wurde erst Ende der 1960er-Jahre durchgesetzt. Den praktischen Arzt gibt es jetzt nicht mehr.
Heute durchlaufen die künftigen Allgemeinärzte eine fünfjährige strukturierte Weiterbildung und befinden sich damit auf Augenhöhe zu jedem anderen Facharzt. Der Allgemeinarzt ist heute der Garant dafür, dass die sowieso schon teilweise vorhandene Pathologisierung der Bevölkerung nicht noch weiter zunimmt. Das kann auch den Spezialisten nur recht sein, wird doch damit verhindert, dass sie mit Banalitäten und Befindlichkeitsstörungen ohne Krankheitswert zugemüllt werden.
Bestes Beispiel dafür ist die seit Jahren anhaltende Debatte um die überfüllten Ambulanzen der Krankenhäuser. Hier muss der Hausarzt die wesentliche Rolle spielen, er triagiert die Patientenströme, was er in seiner gefächerten Weiterbildung gelernt hat und in seiner Praxis täglich macht. Natürlich gibt es Fächer wie Augenheilkunde oder Gynäkologie, die zu normalen Praxiszeiten von den Patienten primär aufgesucht werden. Außerhalb dieser Zeiten müssen aber auch diese über die Bereitschaftspraxen triagiert werden.
Dringender Regelungsbedarf besteht für die leider sich zuspitzende Situation „volle (z.B. Augen-)Ambulanz im Krankenhaus zu besten Praxiszeiten“. Das ist bzw. sollte vor Ort in den Regionen geregelt werden beispielsweise durch kollegiale Vertretung und korrekt besprochene Anrufbeantworter. Der Hausarzt in der (Bereitschaftsdienst-)Praxis kann zwar nicht jeden Notfall therapieren, aber er kann „die Spreu vom Weizen“ trennen. Denn nicht jeder sogenannte Notfall ist auch wirklich einer und wenn doch, kann der Hausarzt die weiteren Schritte veranlassen.
Zurück zu den „Praktikern draußen“: Sie sind angekommen, auch bei der akademischen Alma Mater. Den Allgemeinmedizinern bieten sich heute vielfältige Möglichkeiten der Berufsausübung in freier und angestellter Tätigkeit, in Voll- oder Teilzeit, auch in Gebietskombinationen, im Unternehmertum der eigenen Praxis, im akademischen Mittelbau oder im Ordinariat. Gerade die noch junge universitäre Allgemeinmedizin hat sich zum Bindeglied zwischen Universität und Praxis entwickelt mit einer Forschung, die sich ausrichtet an der hausärztlichen Tätigkeit.
Alles paletti? Leider nein. Nicht nur die Hausärzte, sondern alle Niedergelassenen müssen sich heute wehren gegenüber Allmachtsgelüsten der Krankenkassen mit ihrem verlängerten Arm, dem MDK, die uns das Leben in der Praxis mit immer neuen Formularen, Ablehnungen und Anfragen schwermachen und unseren Nachwuchs abschrecken. Eine Gegenwehr schaffen wir, wie an dieser Stelle bereits immer mal wieder angesprochen, nicht jeder für sich alleine, sondern nur gemeinsam und zusammen mit unseren Patienten.
Falls ich, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Ihr Interesse geweckt habe, dann schreiben Sie mir doch einfach mal: gg@wissen-gesundheit.de. Vielleicht kommen wir ja ins Gespräch – und der Idee des gemeinsamen Handelns einen kleinen Schritt näher.