Zuckerreduktion – eine Strategie mit Trippelschrittchen
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) verkündet: „Wissenschaftliche Untersuchung bestätigt Wirksamkeit der Reduktionsstrategie: Anteile an Zucker, Kalorien, Salz in Fertiggerichten rückläufig!“ Ministerin Julia Klöckner sieht sich durch eine Zwischenerhebung des Max Rubner-Instituts (MRI) zu Milchprodukten, Erfrischungsgetränken, Frühstückscerealien und Tiefkühl-Pizzen in ihrer Politik bestätigt. „Die Ergebnisse zeigen: Es geht in die richtige Richtung.“ Klöckner kündigt eine „engmaschige Erfolgskontrolle“ an. Die Zielvereinbarungen mit der Lebensmittelwirtschaft bis 2025 müssten erreicht werden. „Und dort, wo es hakt, muss nachgebessert werden.“
Als zentrale Ergebnisse hebt das Ministerium im Vergleich zur Basiserhebung 2016 hervor:
- 18 % weniger Zucker in Quarkzubereitungen für Kinder, Energiegehalt: -10 %,
- 17 % weniger Zucker in Knusper-Schoko-Cerealien für Kinder,
- 7 % weniger Zucker in Kinderjoghurts, Energiegehalt: -18 %,
- tendenziell weniger Salz in Tiefkühl-Pizzen und
- im Vergleich zu 2018: 35 % weniger Zucker in Erfrischungsgetränken für Kinder (bei einem Viertel der Getränke stehen auch Süßstoffe in der Zutatenliste).
Geschmacksempfinden auf „weniger süß“ umstellen
Dr. Sigrid Peter, Vizepräsidentin des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendärzte, sieht dringenden Handlungsbedarf, um die jüngere Generation vor Adipositas und anderen ernährungsbedingten Krankheiten zu schützen. „Unser Ziel sollte es sein, dass die Geschmackspräferenz ‚süß‘ sich nicht an Zucker oder Zuckerersatzstoffen festmacht. Wenn wir den Zuckergehalt nach und nach verringern, wird sich auch das Geschmacksempfinden auf ‚weniger süß‘ umstellen.“ Dr. Kai Kolpatzik, Abteilungsleiter Prävention im AOK-Bundesverband, fordert Kurskorrekturen bei der Nationalen Reduktionsstrategie: „Was wir brauchen, sind wirksamere und vor allem verpflichtende Reduktionsziele, die nicht erst in fünf Jahren umgesetzt sind. Statt einer laschen Zuckerreduktion sollte man die Produzenten entsprechend der WHO-Empfehlung zu einer schrittweisen Reduzierung auf 15 Gramm Zucker pro 100 Gramm verpflichten – und das nicht nur für Kindercerealien, sondern für das gesamte Segment.“ Der GfK-Untersuchung zufolge haben auch Einkommen und Bildung Einfluss auf das Konsumverhalten. Je niedriger der soziale Status, desto häufiger kaufen die jeweiligen Haushalte süße Cerealien-Varianten. Neben einer verbindlichen Reduktionsstrategie sei ein Verbot von Kindermarketing für ungesunde Lebensmittel nötig. „Solange die Unternehmen mit Comicfiguren auf oder mit Goodies in den Verpackungen sowie im TV und Internet werben dürfen, werden Familien ungesunden Produkten auch zukünftig nicht widerstehen können. Dass es auch ohne geht, zeigen übrigens Beispiele aus unseren Nachbarländern“, erklärt Dr. Kolpatzik.Hersteller verleiten Kinder dazu, viel Zucker zu konsumieren
„Die Studie der AOK zeigt erschreckend, dass die Hersteller nach wie vor Kinder gezielt dazu verleiten, viel Zucker zu konsumieren. Gerade die Frühstückscerealien mit Kinderoptik sind die mit dem höchsten Zuckergehalt – bis zu 43 %!“, kommentiert Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG, die aktuellen Ergebnisse. Insofern irritiere die positive Bilanz der Ernährungsministerin, da der MRI-Bericht für viele Kindercerealien gerade keine Zuckerreduktion feststelle. „Cornflakes mit Kinderoptik etwa enthalten im Median immer noch viermal so viel Zucker wie andere Cornflakes.“Ungesunde Produkte höher besteuern!
Der freiwillige Ansatz der Reduktionsstrategie funktioniere nicht, so Bitzer. „Notwendig sind effektive verbindliche Maßnahmen zum Schutz der kindlichen Gesundheit wie ein Verbot von an Kinder gerichteter Werbung und eine höhere Besteuerung für überzuckerte Produkte.“Quellen: BMEL, AOK-BV, DDG