Ab in die Notaufnahme

Dr. Andrea Wülker

Vermutet der Hausarzt aufgrund der Klinik ein ACS, sollte er den Patienten umgehend in die Notaufnahme bringen lassen. Vermutet der Hausarzt aufgrund der Klinik ein ACS, sollte er den Patienten umgehend in die Notaufnahme bringen lassen. © iStock/Ozgu Arslan

Nur wer auch die ungewöhnlichen Symptome eines akuten koronaren Ereignisses kennt und korrekt deutet, kann im Fall der Fälle lebensrettende Entscheidungen treffen. Dazu gehört auch, beizeiten den Krankenwagen zu rufen und Sanitätern und Notfallmedizinern die richtigen Hinweise mit auf den Weg zu geben.

Unter dem Begriff akutes Koronarsyndrom wird ein Spektrum von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zusammengefasst, die allesamt mit unklaren Thoraxbeschwerden einhergehen. Dazu gehören:

  • instabile Angina pectoris
  • Nicht-ST-Hebungsinfarkt (NSTEMI)
  • ST-Hebungsinfarkt (STEMI)

Allein durch die klinischen Symptome lassen sich die Krankheitsbilder nicht zuverlässig voneinander unterscheiden, erst EKG-Befunde und Troponin-Tests machen die Differenzierung möglich. Ursächlich für die Symptomatik beim akuten Koronarsyndrom (ACS) ist eine plötzliche Minderdurchblutung des Herzmuskels. Meist wird die Erkrankung durch eine Atherothrombose verursacht, die den Blutfluss in einer größeren Koronararterie drosselt.

Etwa 1 % der Patienten in der Hausarztpraxis werden wegen Brustschmerz vorstellig. Bei 2–4 % von ihnen diagnostiziert der Arzt dann ein akutes Koronarsyndrom, schreiben Dr. Ralf Harskamp von der Universität Amsterdam und Kollegen. Allerdings erhält im praktischen Alltag fast ein Drittel der Patienten, bei denen tatsächlich ein ACS vorliegt, zunächst eine falsche Diagnose. Nach klinischer Evaluation und Risikostratifizierung sinkt die Rate der Fehldiagnosen auf ungefähr 1 %.

Für die Patienten ist es aber essenziell, frühzeitig die richtige Therapie zu bekommen, betonen die Autoren. Denn ist der Herzmuskel erst einmal geschädigt, drohen Herzinsuffizienz, Rhythmusstörungen, kardiogener Schock und weitere Komplikationen. Die Ein-Jahres-Mortalität von fehldiagnostizierten Patienten beträgt 21,3 %, berichten Dr. Harskamp und Kollegen. Wird ein STEMI rechtzeitig erkannt, liegt sie hingegen bei 5,6 %, bei korrekt diagnostiziertem NSTEMI sind es 8,4 %.

Bei bis zu 90 % der Patienten mit akutem Koronarsyndrom sind Thoraxschmerzen das führende Symptom. Zu den möglichen Beschwerden zählen aber auch Kurzatmigkeit, Übelkeit, Palpitationen, (Prä-)Synkopen, plötzliche Fatigue ohne anderweitig erklärbare Ursache sowie Beschwerden im Bereich von Hals, Kiefer oder Armen. Beim Beurteilen von Patienten ist auch deren Ausgangsrisiko für eine Koronarsklerose von Bedeutung: Liegen Risikofaktoren wie Diabetes, Bluthochdruck, Hyperlipidämie, KHK, PAVK oder eine zerebrovaskuläre Erkrankung vor? Die körperliche Untersuchung fördert häufig keine Auffälligkeiten zutage, doch können Befunde wie Hypotonie oder pulmonale Rasselgeräusche wichtige Hinweise auf ein ACS liefern. Eine sorgfältige körperliche Untersuchung ist auch die Grundlage, um andere relevante Diagnosen stellen oder ausschließen zu können. Ein ACS-Verdacht im Praxis-Setting basiert hauptsächlich auf der klinischen Beurteilung und kann durch neu aufgetretene ST-Senkung oder T-Inversion im EKG untermauert werden. Eine ST-Hebung spricht für einen Infarkt.

Verdacht auf akutes Koronarsyndrom?

  • Denken Sie bei allen Patienten mit neu aufgetretenen oder zunehmenden Thoraxbeschwerden wie Brustschmerz, Druck- oder Engegefühl sowie bei Dyspnoe differenzialdiagnostisch stets an die Möglichkeit eines akuten Koronarsyndroms. Dies gilt auch bei lokalisierten und in Ruhe bestehenden Symptomen außerhalb des Thorax, etwa im Bereich von Hals, Kiefer oder Armen. Schicken Sie Patienten mit anhaltender Symptomatik großzügig in die Notaufnahme.
  • Viele Patienten nehmen erst mit Verzögerung medizinische Hilfe in Anspruch, insbesondere Frauen, ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen. Das gilt es zu bedenken, wenn Betroffene ihre Beschwerden schildern.
  • Wenn Sie ein ACS vermuten, sollten Sie dem Betroffenen Acetylsalicylsäure geben (160–325 mg) und unverzüglich den Krankentransport im Rettungswagen organisieren. Zur Schmerzlinderung kann – außer bei Hypotonie – Glyceryltrinitrat verabreicht werden.
  • Veranlassen Sie umgehend ein EKG. Zeigt es eine ST-Hebung, ist die sofortige koronare Reperfusion im Herzkatheterlabor erforderlich. Bei Patienten ohne ST-Hebung erfolgen in der Notaufnahme eine Evaluation und die Risikoeinschätzung.

Vermutet der Hausarzt aufgrund der Klinik ein ACS, sollte er den Patienten umgehend in die Notaufnahme bringen lassen. Ein EKG, abgeleitet in der Praxis oder im Rettungswagen, hilft beim Erkennen einer Ischämie und von Rhythmusstörungen und hat unter Umständen Einfluss darauf, in welches Krankenhaus der Patient gebracht wird. Ein unauffälliges EKG alleine schließt ein ACS aber keinesfalls aus, stellen die Experten klar.

In der Notaufnahme erfolgen serielle Messungen des kardialen Troponins im Serum – ein hochsensitiver, aber nicht besonders spezifischer Marker für Myokardschäden. Klinische Risikoscores, die neben Anamnese und Risikofaktoren auch EKG und Serum-Troponin berücksichtigen, bieten die beste Kombination aus Sensitivität und Spezifität für das akute Koronarsyndrom und kommen in den Notaufnahmen zur Risikostratifizierung und für Therapieentscheidungen zum Einsatz.

Quelle: Harskamp RE et al. BMJ 2022; 377: e069591; DOI: 10.1136/bmj-2021-069591

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Vermutet der Hausarzt aufgrund der Klinik ein ACS, sollte er den Patienten umgehend in die Notaufnahme bringen lassen. Vermutet der Hausarzt aufgrund der Klinik ein ACS, sollte er den Patienten umgehend in die Notaufnahme bringen lassen. © iStock/Ozgu Arslan