Abnehmen per Spritze

Birgit Maronde

Fett weg auf Knopfdruck: Was nach hohlem Versprechen aus der Werbewelt klingt, scheint in der Realität immer wahrscheinlicher zu werden. Fett weg auf Knopfdruck: Was nach hohlem Versprechen aus der Werbewelt klingt, scheint in der Realität immer wahrscheinlicher zu werden. © Mauricio – stock.adobe.com

Gehört die Zukunft der Adipositastherapie den Medikamenten? Einiges deutet darauf hin. Immerhin gelang es in Studien mit verschiedenen Substanzen bzw. Kombina­tionen, eine Gewichtsreduktion um bis zu 22 % zu erzielen. 

Was die medikamentöse Behandlung der Adipositas angeht, gibt es seit letztem Jahr viele neue Erkenntnisse – im positiven wie im negativen Sinne. Von den negativen fiel vor allem der Rote-Hand-Brief zu amfepramonhaltigen Arzneimitteln auf. Zuvor hatte die Europäische Arzneimittel­agentur EMA wegen der ungüns­tigen Nutzen-Risiko-Relation den Widerruf ihrer Zulassung empfohlen. Die Substanzen waren über viele Jahre die am häufigsten verschriebenen Medikamente zur Gewichtsreduktion, „und sie funktionierten auch ganz gut“, meinte Prof. Dr. Jens Aberle vom Universitären Adipositas Zen­trum Hamburg. In der EU sind sie nicht mehr erhältlich.

Eine neue Option in der medikamentösen Adipositastherapie ist der GLP1-Rezeptoragonist Semaglutid – und das womöglich auch bei Kindern und Jugendlichen. So ließ sich mit dem Antidiabetikum in der Studie STEP TEENS im Verlauf von 68 Wochen eine Reduktion des Ausgangs-BMI um im Mittel 16,1 % erzielen. 40 % der Probanden der Verumgruppe verloren mehr als 20 % ihres Körpergewichts, in der Placebogruppe waren dies nur 3 %. An der placebokontrollierten Studie teilgenommen hatten 125 Mädchen und 76 Jungen im Alter zwischen 12 und 17 Jahren mit einem BMI über der 95. Perzentile bzw. über der 85., wenn gleichzeitig eine Komorbidität vorlag. Der mittlere BMI betrug 37 kg/m2. 

Riesiger Bedarf an Therapien für Kinder und Jugendliche

Prof. Aberle bewertete die Adipositastherapie mit Semaglutid als „extrem effektiv“. In den USA ist sie bereits ab dem 12. Lebensjahr zugelassen, in Europa darf man sie in dieser Altersgruppe noch nicht einsetzen. Aber das werde sich sicher bald ändern, der Bedarf sei auch in Deutschland riesig. Ausgelöst durch die Pandemie gebe es eine stark steigende Zahl adipöser Kinder und Jugendlicher, erklärte der Kollege. Unter der Behandlung ist allerdings mit Nebenwirkungen zu rechnen. Am häufigsten waren in der Studie Übelkeit und Erbrechen, in 5 % der Fälle traten Erkrankungen der Gallenblase, typischerweise Gallensteine auf. Dies muss man, so Prof. Aberle, gegenüber den jungen Patienten und ihren Eltern thematisieren. 

In der STEP-5-Studie wurden 304 Erwachsene mit einem mittleren BMI von 38,5 kg/m2 über 104 Wochen mit 2,4 mg Semaglutid oder Placebo subkutan behandelt. 141 von ihnen hatten einen Prädiabetes. Während der BMI unter Placebo bis Studienende nur um 2,6 % zurückging, verminderte er sich unter Semaglutid um 15,2 %, wobei dieses Niveau bereits zu Studienmitte ereicht wurde und fortan relativ konstant blieb. Viele Prädiabetiker wurden unter der Behandlung normoglykämisch.

Was passiert, wenn der GLP1-Agonist abgesetzt wird, zeigt die Extensionsstudie von STEP 1, die Prof. Aberle ebenfalls vorstellte. 1.961 Erwachsene ohne Diabetes, aber einem BMI ≥ 30 kg/m2 bzw. ≥ 27 kg/m2 plus mindestens einer gewichtsassoziierten Komorbidität hatten in STEP 1 bis Woche 68 zusätzlich zur Lebensstil­intervention einmal wöchentlich 2,4 mg Semaglutid subkutan oder Placebo erhalten. Unter dem Verum nahmen sie im Mittel 17,3 % ihres Körpergewichts ab, unter Placebo nur 2 %. Dann wurde die Behandlung gestoppt und die weitere Gewichtsentwicklung bis Woche 120 erfasst. In dieser Zeit legten die Patienten wieder ordentlich an Gewicht zu und holten etwa zwei Drittel des erzielten Verlustes wieder auf. Eine solche Entwicklung tritt aber nicht zwangsläufig ein, meinte Prof. Aberle. In jedem Fall müsse man die Patienten entsprechend aufklären. 

In Zukunft hat man womöglich eine Fixkombination aus Semaglutid und dem lang wirksamen Amylin­analogon Cagrilintid gegen Adipositas zur Verfügung, spekulierte der Diabetologe. Amylin wird aus Betazellen sezerniert, wirkt auch im ZNS – vor allem im mesolimbischen System – und beeinflusst dort das Belohnungssystem. 

In ersten Studien führte die Kombi zu einer deutlichen Gewichtsreduktion. Jetzt ist eine Phase-3-Studie (REDEFINE 2) zu diesem Therapieansatz bei adipösen Patienten mit und ohne Diabetes an den Start gegangen. 

Ein weiterer neuer Ansatz könnte die Kombination eines GLP1-Agonisten mit einem Glukagonrezeptor­agonisten sein. In einer Phase-1-Studie über 16 Wochen behandelte man 45 Nicht-Diabetiker mit einem mittleren BMI von 30 kg/m2 wöchentlich subkutan mit der Kombination. Die Gewichtsreduktion fiel mit knapp 14 % in dieser relativ kurzen Zeit so gut aus, dass nun eine Phase-3-Studie für die Indikationen Diabetes, Adipositas und nicht-alkoholische Fettleber geplant wird, berichtete Prof. Aberle.Die wesentliche Studie des letzten Jahres zur medikamentösen Gewichtsreduktion ist für den Kollegen aber SURMOUNT 1. 

Tirzepatid senkt Gewicht plus systolischen Blutdruck

Dafür wurden 2.539 Nicht-­Diabetiker mit Übergewicht oder Adipositas rekrutiert. Über 72 Wochen erhielten sie einmal wöchentlich den GIP*- und GLP1-Rezeptoragonisten Tirzepatid subkutan (5 mg, 10 mg oder 15 mg) oder Placebo. Unter 15 mg kam es zu einer durchschnittlichen Gewichtsreduktion um 22 % –ein „phänomenales Ergebnis“ laut Prof. Aberle. Auch in den anderen Dosierungsarmen zeigte sich die Effektivität des Medikaments. Zudem kam es zu einer deutlichen Abnahme des systolischen Blutdrucks um im Mittel 7,2 mmHg –„mehr als Sie im Schnitt mit einem Blutdruckmedikament erreichen würden“. Die Lebensqualität besserte sich ebenfalls. Hauptnebenwirkung war Übelkeit, wenn auch in geringerer Häufigkeit als unter einem reinen GLP1-Rezeptor­agonisten.

*    glukoseabhängiges insulinotropes Peptid 

Kongressbericht: 18. Diabetologie-Update-Seminar

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