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Acht Fachgesellschaften einigen sich auf eine Leitlinie

Die neue S3-Leitlinie zur Gicht* ist ein wichtiger Meilenstein in der Behandlung dieser Kristallarthropathie, betonte PD Dr. Uta Kiltz vom Rheumazentrum Herne. Das Werk enthält insgesamt 25 Empfehlungen zu Diagnostik und Therapie und wurde – unter Federführung der DGRh – von insgesamt acht Fachgesellschaften erstellt.
Am Anfang steht auch bei der Arthritis urica die Diagnose, die meist klinisch und anamnestisch unter Berücksichtigung des Harnsäurewerts gestellt werden kann. Im ersten Anfall kommt es meist zu einer akuten Entzündung des Großzehengrundgelenks. Klinisch fallen Schwellung, Schmerz und Rötung (Podagra) auf, die nach einigen Tagen spontan abklingen. Typisch ist ein Schmerzmaximum ohne Prodromi innerhalb von 24 Stunden.
In anderen Gelenken tritt die Gicht selten primär auf, eher gesellen sich weitere Lokalisation im Verlauf der Erkrankung dazu. Am häufigsten betroffen sind neben dem Hallux die Sprung- und Kniegelenke. Etwa 10 % der Erkrankten entwickeln Tophi, die an der Bursa praepatellaris und olecrani tast- und sichtbar sind, eventuell z. B. auch an der Ohrhelix. Einen wichtigen Hinweis geben erhöhte Harnsäurewerte. Diese können aber im Anfall und bei anderen inflammatorischen Zuständen erniedrigt sein und sollten deshalb auch nach dem Abklingen der Entzündung bestimmt werden.
In ätiologisch unklaren Fällen wird eine weiterführende Diagnostik empfohlen. Geeignet dafür sind die Gelenkpunktion mit Untersuchung des Punktats unter dem Polarisationsmikroskop, die Sonografie und die Dual-Energy-Computertomografie (DECT). Zur Differenzialdiagnose können Röntgenaufnahmen erwogen werden, das Gleiche gilt für die Bestätigung einer Gicht fortgeschrittenen Stadiums. In der hausärztlichen Praxis wird die Diagnose in der Regel rein klinisch gestellt, dem Facharzt rät man zur Punktion, zitierte Dr. Kiltz die Leitlinie.
Diagnose im Verlauf der Erkrankung kritisch prüfen
Ist eine weiterführende Diagnostik erforderlich, aber Bildgebung und Punktion nicht möglich, können die EULAR/ACR-Klassifikationskriterien herangezogen werden. Auf jeden Fall sollte man die Diagnose im Krankheitsverlauf kritisch überprüfen.
Die antiinflammatorische Behandlung sollte beim akuten Gichtanfall möglichst früh erfolgen. Mittel der Wahl sind Colchicin, Low-dose-Glukokortikoide und NSAR in alphabetischer Reihenfolge. Die Entscheidung richtet sich nach Komedikation, Begleiterkrankungen und etwaigen Kontraindikationen. Der Einsatz des Anti-IL-1b-Antikörpers Canakinumab kann erwogen werden, wenn die vorgenannten Substanzen unzureichend wirken, Kontraindikationen vorliegen oder mindestens drei Attacken in den vorangegangenen zwölf Monaten aufgetreten sind.
Welche Kost bei Gicht?
Eine spezifische Gichtdiät zur Reduktion von Attacken gibt es nicht. Stattdessen empfiehlt die Leitlinie eine ausgewogene, gesunde, pflanzenbetonte Ernährung und die Reduktion des Fleischkonsums. Außerdem sollten mit Fruktose angereicherte Lebensmittel vermieden werden.
Pro Anfall nicht mehr als 6 mg Colchzin einsetzen
Colchizin sollte so niedrig wie möglich dosiert eingesetzt werden, also in einer Tagedosis von maximal 2 mg und höchstens 6 mg pro Anfall. Für die Steroidtherapie eignet sich eine morgendliche Einmalgabe von 30 mg Prednisolonäquivalent über fünf Tage. Falls die Beschwerden nicht innerhalb von 24 bis 72 Stunden nachlassen, ist eine Re-Evaluation und ggf. Therapiemodifikation indiziert. Gerade beim akuten Gichtanfall ist es durch den klinischen Blick nicht immer möglich, eine andere Kristallarthopathie oder eine septische Arthritis auszuschließen, unterstrich Dr. Kiltz. Zur Prophylaxe weiterer Anfälle hat es sich bewährt, schon beim ersten Ereignis alle Behandlungsoptionen zu besprechen.
Das zweite Standbein der Therapie bleibt die Reduktion der Harnsäure mit einem Xanthinoxidase-Inhibitor. Sie ist indiziert nach einem einschränkenden Anfall, mehr als einer Attacke im Jahr oder tophösem Verlauf. Bei Betroffenen mit Arthritis urica sollte ein Harnsäurespiegel unter 6 mg/dl erreicht werden, bei Tophi eventuell auch < 5 mg/dl.
Mit dieser Einschätzung ist die DEGAM nicht einverstanden. Sie spricht sich in ihrem Sondervotum für ein patientenzentriertes Vorgehen aus. Dazu gehören klinische Verlaufskontrollen ggf. mit Dosisanpassungen wie bei anderen Dauermedikationen. Eine generelle Treat-to-Target-Therapie sollte nach Meinung der DEGAM nicht erfolgen, wohl aber nach Ansicht der DGRh , betonte Dr. Kiltz.
Wenn Urikostatika wie Allopurinol und Febuxostat nicht eingesetzt werden können oder trotz maximal möglicher Dosierung unzureichend wirken, plädiert die Leitlinie für Urikosurika wie Benzbromaron oder Probenezid. Auch eine Kombination beider Therapieprinzipien kann sinnvoll sein.
Besonders wichtig ist, die Erkrankten darüber aufzuklären, dass Übergewicht und Adipositas sowie starker Alkoholkonsum das Risiko für Gichtanfälle steigern, erinnerte Dr. Kiltz. Medikamente, die die Serumharnsäure erhöhen, insbesondere Schleifen- und Thiaziddiuretika sollten nur bei klarer Indikation und fehlenden Alternativen eingesetzt werden.
* S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der Gicht“, AWMF-Registernr. 060-005, www.awmf.org
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