Änderung der Asthma-Leitlinie gefordert

Dr. Angelika Bischoff

Histologischer Schnitt durch Lungengewebe eines Asthmatikers: Das Lumen einer Bronchiole ist durch Mukus verlegt, die Basalmembran erscheint verdickt. Histologischer Schnitt durch Lungengewebe eines Asthmatikers: Das Lumen einer Bronchiole ist durch Mukus verlegt, die Basalmembran erscheint verdickt. © Science Photo Library/Gschmeissner, Steve

Der Nachweis einer reversiblen Obstruktion gepaart mit typischen Symptomen begründet die Diagnose eines Asthmas und legt den Grundstein einer einheitlichen symptombasierten Stufentherapie. Experten fordern eine Änderung dieses Konzeptes hin zum individuellen Vorgehen.

Diagnostik und Management des Asthma bronchiale finden überwiegend in Hausarztpraxen statt. Dort orientiert man sich oft nur an Symptomen, unterstützt durch einfache Lungenfunktionstests. Allerdings sind Beschwerden nicht spezifisch genug und eine Obstruktion kann sehr variabel ausfallen. Die Diagnose Asthma sicher zu stellen, fällt somit schwer. 

Steht sie aber fest, wird eine allgemeine Stufentherapie angesichts der Dissoziation zwischen Entzündung, Obstruktion und Symptomen bei einem großen Teil der Patienten zum Scheitern verurteilt sein, schreiben Professor Dr. Dominick Shaw von der Division of Respiratory Medicine der Universität Nottingham und Mitarbeiter. Effektive Medikamente würden ineffektiv eingesetzt, das Asthma bleibe schlechter kontrolliert als notwendig. 

Um diese Situation zu verbessern, schlagen die Kollegen vor, umzudenken. Therapieentscheidungen sollten künftig auf der objektiven Erfassung behandelbarer Merkmale beruhen. Basis der neuen Strategie ist die Beob­achtung, dass die eosinophile (Typ-2-) Entzündung und die Obstruktion, die beide das Asthma bronchiale charakterisieren, oft keine Beziehung zueinander haben. 

Behandlung erst mal zeitlich begrenzen 

Deshalb müssen beide erfasst werden, um die Morbidität von Patienten individuell zu ermitteln und die Therapie anzupassen. Als einfach zu messende Biomarker der Typ-2-Inflammation dienen die fraktionierte Stickoxid(NO)-Konzentration in der Ausatemluft und die Bluteosinophilie. Die eosinophile Inflammation steigert unabhängig von der Symptomkontrolle das Risiko für Asthmaattacken und die Wahrscheinlichkeit, dass inhalative Steroide und Biologika wirken. 

Zur initialen Diagnose eines Asthma bronchiale sollte man, wie in Leitlinien empfohlen, zunächst die variable Bronchialobstruktion nachweisen. Erscheint ein Asthma plausibel, erhält der Patient zeitlich begrenzt eine Bedarfstherapie mit niedrig dosierten inhalativen Steroiden (ICS) und rasch wirksamen Beta-Agonisten. Damit sinkt das Exazerbationsrisiko bei steroidresponsiver Inflammation. Gleichzeitig werden Asthmatiker ohne diese Entzündung nicht dem Risiko einer potenziell schädlichen höher dosierten Steroiddauertherapie ausgesetzt, die leitliniengemäß bereits an der Reihe wäre.

Die meisten Menschen mit leichtem bis mittelschwerem Asthma werden auf die Testtherapie ansprechen. Bessern sich die Symptome nicht, raten die Autoren, vor einer Eskalation beide Marker der eosinophilen Entzündung zu messen und eine detaillierte qualitätsgesicherte Spirometrie durchzuführen. Bei anhaltend erhöhten Markern trotz der Reliever-Kombination gepaart mit einer pathologischen Spirometrie sollte man zunächst überprüfen, ob vielleicht schlechte Adhärenz oder falsche Inhalationstechnik die Ursache sind. Ansonsten erlauben in der Zusammenschau Bio­marker, Symptome und Spirometrie eine Einteilung der Patienten in vier Gruppen mit entsprechenden Therapieempfehlungen (s. Tabelle). 

Die vier Gruppen von Asthmatikern
Typ
Therapieoptionen
Marker der Typ-2-Inflammation hoch, Obstruktion nachgewiesen
  • ICS hoch dosiert + LABA
  • ICS hoch dosiert + LABA und LAMA
  • Biologika
Marker der Typ-2-Inflammation hoch, keine Obstruktion
  • ICS niedrig dosiert
  • ICS hoch dosiert
  • Biologika
Marker der Typ-2-Inflammation niedrig, Obstruktion nachgewiesen
  • LAMA
  • LAMA + LABA
  • Makrolide
  • Thermoplastie
Marker der Typ-2-Inflammation niedrig, keine Obstruktion
  • Diagnose überprüfen!
  • Komorbiditäten, Lebensumstände und Verhalten prüfen
ICS: inhalative Kortikosteroide
LABA: langwirksame Beta-2-Sympathomimetika
LAMA: Langwirksame Muskarinantagonisten

Der Zeitpunkt der Eskalation zu Biologika ist gekommen, wenn die Marker trotz gesteigerter Steroidtherapie erhöht bleiben (FeNO > 40 ppb = parts/billion, Eosinophile > 300 µl). Spätestens dann kommt der Facharzt ins Spiel. Die symptombasierte Therapie mit ICS und rasch wirksamen Betamimetika kann beibehalten werden. 

Weniger Über- und weniger Untertherapie

Die Autoren sehen in diesem Vorgehen gegenüber der in Leitlinien empfohlenen generellen Stufentherapie mehrere Vorteile: Zum einen macht der vorausgehende Therapieversuch die Diagnose Asthma sicherer. Zum anderen sinkt der Verbrauch an kurzwirksamen Beta-Agonisten, es gibt weniger Über- und Untertherapie. Der Zeitpunkt, wann Patienten von der Primärversorgung zum Pneumologen wechseln sollten, ist klarer definiert. Eliminiert wird auch die Notwendigkeit, initial zwischen Asthma und COPD zu unterscheiden. Und man verhindert eine unnötig lange Steroidgabe.

Quelle: Shaw DE et al. Lancet Respir Med 2021; DOI: 10.1016/S2213-2600/(21)00021

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Histologischer Schnitt durch Lungengewebe eines Asthmatikers: Das Lumen einer Bronchiole ist durch Mukus verlegt, die Basalmembran erscheint verdickt. Histologischer Schnitt durch Lungengewebe eines Asthmatikers: Das Lumen einer Bronchiole ist durch Mukus verlegt, die Basalmembran erscheint verdickt. © Science Photo Library/Gschmeissner, Steve