Aktuelle Therapie der Nebenniereninsuffizienz

Dr. Dorothea Ranft, Foto: thinkstock

Müdigkeit, Gewichtsverlust, Erbrechen, orthostatische Hypotonie: Hinter solchen Symptomen kann sich eine lebensbedrohliche Nebenniereninsuffizienz verbergen.

Die primäre Nebenniereninsuffizienz (s. Kasten) betrifft vor allem Frauen im Alter zwischen 30 und 50 Jahren und geht in etwa 80 % der Fälle auf Autoimmunprozesse zurück, bei Kindern haben genetische Ursachen eine erhebliche Bedeutung. Die früher dominante Tuberkulose spielt dagegen nur noch eine geringe Rolle (< 10 %), berichten Dr. Evangelia Charmandari von der Endokrinologie der Universitätsklinik Athen und ihre Kollegen.

Die sekundäre Insuffizienz bevorzugt ebenfalls das weibliche Geschlecht und manifestiert sich meist im sechsten Lebensjahrzehnt – häufig nach einer Strahlentherapie.


Die tertiäre Insuffizienz schließlich entsteht meist auf dem Boden einer langfristigen hoch dosierten Glukokortikoidbehandlung, manifestiert sich aber auch z.B. nach der Therapie eines M. Cushing, der ebenfalls die Hypophysen-Nebennieren-Achse supprimiert.

Müdikeit, Gewichtsverlust, Erbrechen bei primärer Insuffizienz

Bei der primären Insuffizienz mangelt es an allen drei adrenokortikalen Hormonen (Aldosteron, Cortisol und Androgene). Wegen der unspezifischen Symptome (z.B. Müdigkeit, Gewichtsverlust, Erbrechen, orthostatische Hypotonie) wird die Erkrankung jedoch oft erst spät erkannt.

Wo sitzt die Störung?

Bei der Nebenniereninsuffizienz unterscheidet man drei Formen. Der primären Insuffizienz, auch M. Addison genannt, liegt eine Erkrankung der Nebennierenrinde zugrunde.


Bei der sekundären Störung sezerniert entweder die Hypophyse zu wenig Corticotropin oder die Nebennieren können darauf nicht adäquat antworten.


Schließlich gibt es noch eine dritte Form, bei der Synthese oder Wirkung der Releasinghormone aus dem Hypothalamus gestört sind.


Die klinischen Manifestationen der sekundären bzw. tertiären Form entstehen ausschließlich durch den Glukokortikoidmangel, während Aldosteron- und Androgensekretion erhalten bleiben. Therapeutisch steht der Ausgleich des Kortisondefizits bei der chronischen adrenalen Schwäche an ers­ter Stelle

Hydrocortison in zwei Dosen oder als „dual release“

Handelt es sich um eine primäre Insuffizienz, empfehlen die Autoren eine Dosis von 20 bis 25 mg Hydrocortison über einen Zeitraum von 24 Stunden, bei der sekundä­ren Form genügen 15 bis 20 mg, bei grenzwertig niedriger Cortisolantwort im Corticotropintest reichen evtl. auch 10 mg.

Medikamente im Spiel?

Auch Arzneimittel können eine adrenale Insuffizienz fördern: Beispielsweise induzieren Rifampicin und Antikonvulsiva Leberenzyme, die am Cortisolmetabolismus beteiligt sind. Eine antiretrovirale Therapie hemmt diese Enzyme.

Für die Dauertherapie ist eine Hydrocortison-Tagesdosis von 10–12 mg/m2 Körperoberfläche vorgesehen, aufgeteilt in zwei bis drei Einzeldosen – wobei die Hälfte bis zwei Drittel morgens verabreicht werden. Mittlerweile gibt es in Deutschland auch Präparate zur einmal täglichen Einnahme, die das Hydrocortison morgens und mittags sezernieren (dual release, A.d.R.). Von lang wirksamen Kortikoiden wie Prednisolon raten die Autoren wegen eines möglichen Kortison-Exzesses ab.


Während der Therapie sollte man auf Zeichen der hormonellen Unterversorgung (z.B. Gewichtsverlust, Müdigkeit, Nausea, Myalgien) achten. Gleichzeitig gilt es, Hinweise auf eine Überdosierung (Gewichtszunahme, ventrale Adipositas, Striae, Hypertonus, Osteopenie, eingeschränkte Glukosetoleranz) nicht zu übersehen. Bei leichten Erkrankungen und chirurgischen Eingriffen kann man die Dosis auf das Dreifache der üblichen Menge steigern, in schweren Fällen bis auf das Zehnfache.

Androgen-Ersatz kann die Stimmung bessern

Patienten mit M. Addison brauchen eventuell auch einen Ausgleich des Mineralcortikoid-Defizits, um Natriumverlust und Hyperkaliämie zu verhindern. Dies wird allerdings nur erforderlich, wenn ihre Hydrocortison-Tagesdosis unter 50 mg liegt. Zum Start empfehlen die Autoren die Einmalgabe von 100 µg Fludrocortison morgens früh zusammen mit Hydrocortison. Die Tagesdosis wird anhand von Blutdruck und Elektrolytspiegeln titriert (50–250 µg, in heißen Sommern evtl. mehr).


Unter der Therapie ist auf Zeichen der Unterdosierung zu achten, etwa einen orthostatischen Blutdruckabfall (> 20 mmHg), Hyponatriämie und einen Anstieg der Plasma-Reninaktivität. Hochdruck, Hypernatriämie und Reninsuppression sprechen dagegen eher für eine Überdosierung.

M. Addison

Typische Hyperpig-
mentation bei einer 69-Jährigen mit 
M. Addison – rechts 
nach Therapie.

Foto: doccheck/
Petros Perros (2)


Eine Androgen-Ersatztherapie kommt infrage, wenn sich Patienten trotz Gluko- und Mineralkortikoidsubstitution nicht wohl fühlen. Dann kann Dehydroepiandrosteron (25–50 mg) die Stimmung nachhaltig bessern. Unter der Therapie sollte man bei Frauen Serumtestosteron und SHBG und bei beiden Geschlechtern Dehydroepiandrosteronsulfat bzw. Androstendion kontrolliren (24 Stunden nach der letzten Hormoneinnahme).


Damit die lebenslange Hormontherapie greift, ist eine gründliche Schulung der Patienten und ggf. auch ihrer Angehörigen unerlässlich. Wichtig ist z.B., dass die Patienten bei interkurrenten Erkrankungen die Kortisondosis auf das Zwei- bis Dreifache erhöhen und unmittelbar ärztliche Hilfe suchen. Gleiches gilt, wenn Erbrechen auftritt und sie die Kortisontabletten deshalb nicht bei sich behalten. Für den Notfall ist auch ein Hydrocortison-Autoinjektor sinnvoll. Patienten unter hoch dosierter Langzeitherapie mit sys­temischen Steroiden sollten einen Notfallausweis bei sich tragen und selbst nach nur zwei- bis dreiwöchiger Dauer die Behandlung nicht abrupt stoppen.

Lebensgefahr durch Addison-Krise bannen

Die akute Nebenniereninsuffizienz manifestiert sich häufig nach physischem Stress (Operation, Trauma oder Infektion). Erbrechen, Bauchschmerzen, Myalgien, Gelenkbeschwerden, schwere Hypotension und hypovolämischer Schock können auf die Addison-Krise hinweisen.


Hier ist eine sofortige Therapie gefragt – evtl. sogar bevor die Diagnose steht. An erster Stelle steht die Rehydrierung mit physiologischer Kochsalzlösung unter EKG-Kontrolle, zum Ausgleich des Kortison-Defizits injiziert man zunächst 100 mg Hy­drocortison i.v. und infundiert anschließend noch einmal 100 bis 200 mg in Glukose 5 %.


Quelle: E. Charmandari et al., Lancet 2014; online first

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