Analgetische Basis- und Begleitmedikation individualisiert gestalten

Dr. Andrea Wülker

Die Behandlung mit Opioiden führt häufig zu unerwünschten Effekten wie Obstipation, Nausea und Sedierung. (Agenturfoto) Die Behandlung mit Opioiden führt häufig zu unerwünschten Effekten wie Obstipation, Nausea und Sedierung. (Agenturfoto) © iStock/ KatarzynaBialasiewicz

Zwar sind die Grundlagen der Tumorschmerztherapie seit Jahrzehnten etabliert. Doch immer wieder ändert sich der Blick auf die Vor- und Nachteile von Einzelsubstanzen und begleitender Medikation. Besonders bei der Obstipationsprophylaxe hat sich in den letzten Jahren einiges getan.

Vor wenigen Jahren hat die WHO ihre Leitlinie zur Tumorschmerztherapie aktualisiert und dabei das gängige Schema neu bewertet. Die einzelnen Stufen sollen nun nicht mehr Schritt für Schritt durchlaufen werden, erläutern Dr. Katharina Schütte und PD Dr. Ulrich Schuler, beide vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden. Bei stärkeren Schmerzen könne durchaus auf Stufe 3 gestartet werden.

Was die Nichtopioid-Analgetika anbelangt, so sind in den letzten Jahren deren renale und kardiovaskuläre Risiken in den Fokus gerückt. Tabelle 1 listet die verschiedenen Nichtopioid-Analgetika und deren Bedeutung für die Therapie von Tumorschmerzen auf. Mit Metamizol steht in Deutschland ein starkes Nichtopioid zur Verfügung, das in anderen Ländern wegen des Agranulozytoserisikos kaum zum Einsatz kommt.

Tab.1: Nichtopioid-Analgetika in der Schmerztherapie von Tumorpatienten (nach Schütte u.
Schuler)

Wirkstoff/
Substanzklasse

mögliche
Nebenwirkungen/Kommentar

Stellenwert in der Therapie von
Tumorschmerzen

Acetylsalicylsäure

Ulcus ventriculi/duodeni

wegen Blutungsneigung kaum von

Bedeutung

Ibuprofen

eher wenig Nebenwirkungen

bei Knochenschmerzen u.a.

Paracetamol

Leberschädigung möglich

nur geringer analgetischer Effekt

Coxibe

eher teuer

bei Tumorschmerzen wenig geprüft,

Off-Label-Einsatz

Metamizol

Agranulozytose

gut analgetisch und spasmolytisch

wirksam
international nicht überall zugelassen

andere NSAR
(z.B. Diclofenac)

Nierenschäden, Ödeme, Übelkeit,
Ulcus ventriculi/duodeni

bei vorbestehenden Schädigungen
(kardial, renal) vorsichtig einsetzen
bei gastrointestinalem Blutungsrisiko
PPI erwägen

Bei den Opioiden hat die WHO die strenge Unterscheidung zwischen Stufe 2 und Stufe 3 aufgegeben. Niedrig dosierte Stufe-3-Opioide werden demnach der Stufe 2 zugeordnet, erklären Dr. Schütte und Dr. Schuler. Das bedeutet, dass Opioide in einer Tagesdosis unterhalb von 30 mg oralem Morphinäquivalent als Stufe-2-Opioide gelten. Bezüglich der Auswahl des Stufe-3-Opioids zeigen sich die WHO-Experten
offen. Pflastersysteme mit Fentanyl oder Buprenorphin haben in den Empfehlungen an Bedeutung gewonnen.

In bestimmten Situationen ist ein Opioidwechsel angebracht:

  • bei nicht ausreichender Wirksamkeit
  • bei Nebenwirkungen, die sich durch andere Wirkstoffe möglicherweise reduzieren lassen
  • bei sich entwickelnder Niereninsuffizienz, insbesondere unter Morphin
  • wenn eine andere Applikationsform Vorteile bietet (z.B. Pflaster statt oral)

Tabelle 2 fasst die Äquivalenzdosen und die daraus resultierenden relativen Wirkstärken zusammen.

Tab. 2: Relative Wirkstärke verschiedener Opioide und Opioidformulierungen sowie deren
Wirkdauer (nach Schütte u. Schuler)

Substanz

Wirkstärke relativ zu oralem Morphin

Wirkdauer (h)

Codein
Dihydrocodein

1/10

3-6

Pethidin

1/8

2-4

Tapentadol

1/3

4-6

Hydrocodon

2/3

4-8

Oxycodon

1,5 (2)

3-4

Methadon*

5-10*

8-12

Hydromorphon

4-5 (5-7,5)

4-5

Buprenorphin
(sublingual)

80

6-8

Buprenorphin
(Tagesdosis)

100 (75-115)

abhängig von
der
Formulierung
(72–168)

Fentanyl
(Tagesdosis)

100 (150)

72

* Äquivalenzdosis bei Methadon ist dosisabhängig und bei Levomethadon zu halbieren

Trotz Basistherapie mit Opioiden können Durchbruchschmerzen auftreten. Zur Behandlung dieser Schmerzspitzen muss der Patient eine schnell wirksame orale oder transmukosale Bedarfsmedikation erhalten, die sich an der Gesamtmenge des zur Basistherapie verordneten Opioids orientiert. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Behandlung von Durchbruchschmerzen mit 1/12 der Tagesdosis den Schmerz ähnlich gut lindert wie die Gabe höherer Mengen.

Kein Platz für Cannabinoide

Der Stellenwert von Cannabinoiden in der Schmerztherapie wird lebhaft und ausgesprochen kontrovers diskutiert. Dabei zeigt die Evidenz aus randomisierten Studien allenfalls sehr geringe Effekte, berichten Dr. Schütte und Dr. Schuler und verweisen auf eine Stellungnahme der NICE* aus dem Jahr 2019. Deren Autoren raten ausdrücklich davon ab, chronischen Schmerz mit Nabilon, Dronabinol, Delta-9-
Tetrahydrocannabinol (THC) oder der Kombination aus Cannabidiol (CBD) und THC zu behandeln. In ihre Negativempfehlung beziehen die britischen Experten tumorbedingte Schmerzen ausdrücklich ein.

* National Institute for Health and Clinical Excellence

Die Behandlung mit Opioiden führt häufig zu unerwünschten Effekten wie Obstipation, Nausea und Sedierung. Damit Übelkeit und Brechreiz gar nicht erst auftreten, wird eine Primärprophylaxe ab Beginn der Opioidtherapie empfohlen. Verordnet wird meist Metoclopramid. Bei Patienten, die zu Durchfall neigen, und bei Patienten, die nur sehr geringe Opioiddosen erhalten, muss zunächst keine
Primärprophylaxe gegen Verstopfung durchgeführt werden. Alle anderen sollten primär ein osmotisch wirksames oder stimulierendes Laxans bekommen. Darüber hinaus stehen peripher wirksame Morphinrezeptorantagonisten, die sogenannten PAMORA, zur Verfügung, die aber teuer sind und nur in Ausnahmesituationen, etwa bei vorbestehender massiver Verstopfung, primärprophylaktisch gegeben werden können.

Quelle: Schütte K, Schuler U. internistische praxis 2022; 65: 187-197

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Die Behandlung mit Opioiden führt häufig zu unerwünschten Effekten wie Obstipation, Nausea und Sedierung. (Agenturfoto) Die Behandlung mit Opioiden führt häufig zu unerwünschten Effekten wie Obstipation, Nausea und Sedierung. (Agenturfoto) © iStock/ KatarzynaBialasiewicz