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Analgetische Basis- und Begleitmedikation individualisiert gestalten

Vor wenigen Jahren hat die WHO ihre Leitlinie zur Tumorschmerztherapie aktualisiert und dabei das gängige Schema neu bewertet. Die einzelnen Stufen sollen nun nicht mehr Schritt für Schritt durchlaufen werden, erläutern Dr. Katharina Schütte und PD Dr. Ulrich Schuler, beide vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden. Bei stärkeren Schmerzen könne durchaus auf Stufe 3 gestartet werden.
Was die Nichtopioid-Analgetika anbelangt, so sind in den letzten Jahren deren renale und kardiovaskuläre Risiken in den Fokus gerückt. Tabelle 1 listet die verschiedenen Nichtopioid-Analgetika und deren Bedeutung für die Therapie von Tumorschmerzen auf. Mit Metamizol steht in Deutschland ein starkes Nichtopioid zur Verfügung, das in anderen Ländern wegen des Agranulozytoserisikos kaum zum Einsatz kommt.
Tab.1: Nichtopioid-Analgetika in der Schmerztherapie von Tumorpatienten (nach Schütte u. | ||
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Wirkstoff/ | mögliche | Stellenwert in der Therapie von |
Acetylsalicylsäure | Ulcus ventriculi/duodeni | wegen Blutungsneigung kaum von Bedeutung |
Ibuprofen | eher wenig Nebenwirkungen | bei Knochenschmerzen u.a. |
Paracetamol | Leberschädigung möglich | nur geringer analgetischer Effekt |
Coxibe | eher teuer | bei Tumorschmerzen wenig geprüft, Off-Label-Einsatz |
Metamizol | Agranulozytose | gut analgetisch und spasmolytisch wirksam |
andere NSAR | Nierenschäden, Ödeme, Übelkeit, | bei vorbestehenden Schädigungen |
Bei den Opioiden hat die WHO die strenge Unterscheidung zwischen Stufe 2 und Stufe 3 aufgegeben. Niedrig dosierte Stufe-3-Opioide werden demnach der Stufe 2 zugeordnet, erklären Dr. Schütte und Dr. Schuler. Das bedeutet, dass Opioide in einer Tagesdosis unterhalb von 30 mg oralem Morphinäquivalent als Stufe-2-Opioide gelten. Bezüglich der Auswahl des Stufe-3-Opioids zeigen sich die WHO-Experten
offen. Pflastersysteme mit Fentanyl oder Buprenorphin haben in den Empfehlungen an Bedeutung gewonnen.
In bestimmten Situationen ist ein Opioidwechsel angebracht:
- bei nicht ausreichender Wirksamkeit
- bei Nebenwirkungen, die sich durch andere Wirkstoffe möglicherweise reduzieren lassen
- bei sich entwickelnder Niereninsuffizienz, insbesondere unter Morphin
- wenn eine andere Applikationsform Vorteile bietet (z.B. Pflaster statt oral)
Tabelle 2 fasst die Äquivalenzdosen und die daraus resultierenden relativen Wirkstärken zusammen.
Tab. 2: Relative Wirkstärke verschiedener Opioide und Opioidformulierungen sowie deren | ||
---|---|---|
Substanz | Wirkstärke relativ zu oralem Morphin | Wirkdauer (h) |
Codein | 1/10 | 3-6 |
Pethidin | 1/8 | 2-4 |
Tapentadol | 1/3 | 4-6 |
Hydrocodon | 2/3 | 4-8 |
Oxycodon | 1,5 (2) | 3-4 |
Methadon* | 5-10* | 8-12 |
Hydromorphon | 4-5 (5-7,5) | 4-5 |
Buprenorphin | 80 | 6-8 |
Buprenorphin | 100 (75-115) | abhängig von |
Fentanyl | 100 (150) | 72 |
* Äquivalenzdosis bei Methadon ist dosisabhängig und bei Levomethadon zu halbieren |
Trotz Basistherapie mit Opioiden können Durchbruchschmerzen auftreten. Zur Behandlung dieser Schmerzspitzen muss der Patient eine schnell wirksame orale oder transmukosale Bedarfsmedikation erhalten, die sich an der Gesamtmenge des zur Basistherapie verordneten Opioids orientiert. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die Behandlung von Durchbruchschmerzen mit 1/12 der Tagesdosis den Schmerz ähnlich gut lindert wie die Gabe höherer Mengen.
Kein Platz für Cannabinoide
Der Stellenwert von Cannabinoiden in der Schmerztherapie wird lebhaft und ausgesprochen kontrovers diskutiert. Dabei zeigt die Evidenz aus randomisierten Studien allenfalls sehr geringe Effekte, berichten Dr. Schütte und Dr. Schuler und verweisen auf eine Stellungnahme der NICE* aus dem Jahr 2019. Deren Autoren raten ausdrücklich davon ab, chronischen Schmerz mit Nabilon, Dronabinol, Delta-9-
Tetrahydrocannabinol (THC) oder der Kombination aus Cannabidiol (CBD) und THC zu behandeln. In ihre Negativempfehlung beziehen die britischen Experten tumorbedingte Schmerzen ausdrücklich ein.
* National Institute for Health and Clinical Excellence
Die Behandlung mit Opioiden führt häufig zu unerwünschten Effekten wie Obstipation, Nausea und Sedierung. Damit Übelkeit und Brechreiz gar nicht erst auftreten, wird eine Primärprophylaxe ab Beginn der Opioidtherapie empfohlen. Verordnet wird meist Metoclopramid. Bei Patienten, die zu Durchfall neigen, und bei Patienten, die nur sehr geringe Opioiddosen erhalten, muss zunächst keine
Primärprophylaxe gegen Verstopfung durchgeführt werden. Alle anderen sollten primär ein osmotisch wirksames oder stimulierendes Laxans bekommen. Darüber hinaus stehen peripher wirksame Morphinrezeptorantagonisten, die sogenannten PAMORA, zur Verfügung, die aber teuer sind und nur in Ausnahmesituationen, etwa bei vorbestehender massiver Verstopfung, primärprophylaktisch gegeben werden können.
Quelle: Schütte K, Schuler U. internistische praxis 2022; 65: 187-197
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