Erschreckende Unter- und Fehlversorgung bei Patienten mit Tumorschmerzen in Deutschland

Dr. Barbara Kreutzkamp

Die Durchbruchschmerzen der Tumorkranken wurden nur bei 28,7 % ausreichend durch Medikamente gelindert. Die Durchbruchschmerzen der Tumorkranken wurden nur bei 28,7 % ausreichend durch Medikamente gelindert. © fotolia/Photographee.eu

Mehr als die Hälfte der Patienten mit tumorbedingten Dauerschmerzen erhalten keine angemessene Analgesie und über 70 % keine angemessene Therapie gegen Durchbruchschmerzen. Ärzte und Krebskranke neigen scheinbar dazu, die Beschwerden zu bagatellisieren.

Starke Dauer- und Durchbruchschmerzen sind bei Tumorerkrankungen trotz großer Fortschritte in der Schmerzmedizin noch immer eine Herausforderung, schreiben Privatdozent Dr. Michael A. Überall, Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie und Pädiatrie, Nürnberg, und Dr. Gerhard­ H. H. Müller-Schwefe­, Schmerz- und Palliativzentrum Göppingen. Bei vielen entwickeln sich die zunächst nur tumorbegleitenden Schmerzen zu einem eigenständigen Krankheitsbild, das manchmal gravierende Auswirkungen auf Alltag und Lebensqualität hat und damit die Tumorerkrankung in den Schatten stellt.

Zwar existieren Konzepte zur multimodalen Therapie von Tumorschmerzen und die WHO-Stufenleiter zur Behandlung tumorbedingter Schmerzen ist allgemein bekannt – dennoch ist die Versorgungsqualität der Patienten weltweit unzureichend. Das gilt auch für Deutschland, so das Ergebnis der größten jemals in Deutschland durchgeführten Patienten-Querschnittsbefragung zur Behandlung krebsbedingter Schmerzen.

Initiatoren der Studie waren die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin e.V. (DGS) und die Deutsche Schmerzliga e.V. (DSL). Basis des Online-Surveys bildeten die Empfehlungen der DGS-PraxisLeitlinien zur Tumorschmerztherapie und zu tumorbedingten Durchbruchschmerzen sowie der dazugehörige DGS-PraxisFragebogen. Die 20-Punkte-Selbstauskunft der Patienten soll Behandler unterstützen, Betroffene individuell und adäquat zu versorgen.

Anhand definierter Diagnosealgorithmen wurden die Teilnehmer ano­nymisiert in drei Diagnosegruppen unterteilt:

  • stabile tumorbedingte Dauer­schmerzen mit max. mittelstarken Schmerzen und lediglich geringer Fluktuation unter medikamentöser Steady-state-Therapie,
  • Durchbruchschmerzen,
  • unzureichend behandelte starke Dauerschmerzen.

Weiterhin lieferten die Daten die Grundlage für die Einteilung in adäquat, unter- und fehlversorgte Patienten entsprechend der Definition des Sachverständigenrats Gesundheit unter Berücksichtigung der DGS-PraxisLeitlinien für Tumorschmerzen und tumorbedingte Dauerschmerzen.

Der Fokus liegt meist auf der Krebstherapie

Einbezogen in die Auswertung waren 5576 Patienten, von denen

  • 33,5 % stabil eingestellt waren,
  • 47,4 % tumorbedingte Durchbruchschmerzen hatten,
  • 19,1 % über unzureichend behandelte Dauerschmerzen mit instabilen Tagesschmerzverläufen klagten,
  • 21,1 % mit Dauer- und 35,4 % mit Durchbruchschmerzen unterversort waren,
  • 7,7 % mit Dauer- bzw. 5,3 % mit Durchbruchschmerzen eine Fehlversorgung aufwiesen,
  • 23,7 % bzw. 30,6 % eine Kombination aus beidem zeigten und
  • lediglich 37,1 % eine formal adäquate Schmerztherapie erhielten.

Die Rate von ausreichend therapierten Dauerschmerzen lag mit 47,5 % deutlich über der von ausreichend behandelten Durchbruchschmerzen mit 28,7 %.

Die Ergebnisse deuten auf ein überraschend hohes Ausmaß an Unter- und Fehlbehandlungen, stellen die Autoren fest. Sie verweisen jedoch darauf, dass die Onlinebefragung aufgrund einer potenziell selektiven Beteiligung nicht repräsentativ sei und dass eine fehlende iatrogene Kontrollinstanz möglicherweise zu einer etwas verzerrten Darstellung geführt hat.

Wesentliche Faktoren für die Unterversorgung könnten der zurückhaltende Einsatz von Opioiden, das Verharren der Therapeuten auf den unteren WHO-Stufen sowie eine fehlende Co-Analgesie mit Anti­depressiva und Antikonvulsiva sein. Außerdem werden laut den Kollegen die Schmerzbeschwerden durch Ärzte und Patienten tendenziell bagatellisiert und der Behandlungsfokus eher auf die zugrunde liegende Tumorerkrankung gerichtet. Dr. Überall und Dr. Müller-Schwefe fordern Kollegen auf, Selbstauskunftfragebögen routinemäßig in der Krebsbehandlung einzusetzen. 

Quelle: Überall MA, Müller-Schwefe GHH. Schmerz­medizin 2018; 34: 38-48

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Die Durchbruchschmerzen der Tumorkranken wurden nur bei 28,7 % ausreichend durch Medikamente gelindert. Die Durchbruchschmerzen der Tumorkranken wurden nur bei 28,7 % ausreichend durch Medikamente gelindert. © fotolia/Photographee.eu