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Tumorschmerz: In der Palliativsituation sind Opioiden keine Grenzen gesetzt

Um die Schmerzen von Patienten mit malignen Erkrankungen effektiv behandeln zu können, sind zunächst die folgenden zwei Punkte relevant:
- Die ausführliche Schmerzanamnese und die daran orientierte körperliche Untersuchung,
- Ausreichende Informationen über Wirkung und Wirkdauer der geplanten Schmerztherapie.
Für die Schmerzanamnese können Sie auf verschiedene Skalen zurückgreifen, erklärt Dr. Andreas Rost, Internist aus Groß-Umstadt. Entweder lassen Sie den Patienten die Stärke seiner Schmerzen auf einer verbalen Skala einschätzen („kein“, „leicht“, „mäßig“, „stark“). Oder Sie greifen zu den detaillierteren numerischen Skalen, die beispielsweise von 0 bis 10 reichen, wobei 10 Punkte für die stärksten denkbaren Schmerzen stehen. Kann der Betroffene selbst keine Auskunft geben, fragen Sie Angehörige oder das Pflegepersonal nach ihrer Einschätzung. Die Erhebung sollte regelmäßig während der Therapie wiederholt werden, sowohl in Ruhe als auch unter Belastung.
Wenn Sie den Patienten über Wirkung und Wirkdauer der einzusetzenden Präparate aufklären, sollten Sie deutlich machen, dass er die Medikamente regelmäßig einnehmen muss, z.B. alle sechs oder acht Stunden, und nicht nur nach Bedarf. Krebsschmerzen sind ein Dauerzustand, erinnert Dr. Rost. Hält sich der Kranke nicht an die Vorgaben, kann es zu qualvollen Exazerbationen der Schmerzen kommen. Der schriftliche Medikationsplan ist regelmäßig zu überprüfen und bei Bedarf zu aktualisieren.
Durchbruchschmerz lässt sich oftmals voraussehen
Zusätzlich sollten Sie ein Präparat für Durchbruchschmerzen verschreiben und dabei eine nicht-retardierte Formulierung wählen. Schließlich muss die Substanz sofort wirken. Manchmal lässt sich bereits abschätzen, dass es zu solchen Schmerzen kommen wird, etwa wenn eine Mobilisierung oder Pflegemaßnahmen anstehen. Dann kann der Patient das Mittel mit etwas zeitlichem Vorlauf nehmen, z.B. selbstständig als Nasenspray (Fentanyl), Sublingualtablette (Buprenorphin) oder über einen Bolus aus der Schmerzpumpe.
Die Wahl des Analgetikums hängt von der Art, der Stärke und der Lokalisation der Schmerzen ab. Treten diese beispielsweise ausschließlich bei Belastung und im Stammskelett (Wirbelsäule, Hüfte) auf, handelt es sich vermutlich um Knochenschmerzen. Sind Metastasen die Ursache, kann man je nach Allgemeinzustand und Wunsch des Betroffenen auch eine Schmerzbestrahlung andenken.
Im Prinzip gilt das bekannte WHO-Stufenschema, wobei die Deutsche Krebsgesellschaft und die Deutsche Krebshilfe in ihrer Leitlinie auf Stufe 2 verzichten. Für Sie heißt das: Sie beginnen mit Nicht-Opioid-Analgetika (Stufe 1) und fügen ggf. ein stark wirksames Opioid (Stufe 3) hinzu.
Saft oder Tee überdecken unangenehmen Geschmack
Metamizol bzw. Novaminsulfon wirkt nicht nur analgetisch, sondern auch spasmolytisch, was sich vor allem bei Abdominalschmerzen als günstig erweist. Ebenso kann es bei opioidrefraktären Pleuritisschmerzen (Pleurakarzinose) helfen. Geben Sie Betroffenen von Anfang an die Tageshöchstdosis (4 x 1 g), am besten als Tabletten oder Tropfen. Bei Letzteren lässt sich der unangenehme Geschmack durch schwarzen Tee oder Obstsaft überdecken. Die gefürchtete Hypotonie tritt im Allgemeinen nur bei zu schneller Injektion auf, schreibt Dr. Rost. Ist die parenterale Gabe notwendig, rät er zu einer Kurzinfusion mit Volumina von 100–250 ml.
Nebenwirkungen vorbeugen
- Übelkeit (sistiert oft bei längerer Einnahme): vor den Mahlzeiten niedrig dosiertes Haloperidol 3 x 5 Tropfen, alternativ Metoclopramid bis 3 x 10 mg
- Obstipation: Macrogol mit reichlich Flüssigkeit, alternativ Bisacodyl, Lactulose (cave: Blähungen), bei mehrtägiger Obstipation Klysmen, Einläufe. Ultima Ratio: Naltrexon, das peripher die Opioidwirkung antagonisiert.
- ZNS: Benommenheit/Sedierung sind oft eher erwünscht, bei Halluzination oder Delir: Opioid absetzen/wechseln
- Myoklonien (häufig unter Morphin): auf Hydromorphon oder Fentanyl umsetzen
Beispiele für Koanalgetika bei Tumorschmerzen und ihre Indikationen | |||
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Substanz(klasse) | Indikation | Dosis | Kommentar |
Antikonvulsiva | starke neuropathische Schmerzen | Gabapentin: Beginn mit 300 mg/d bis max. 3600 mg/d
Pregabalin: Beginn mit 25–75 mg abends, max. 600 mg/d auf mehrere Gaben verteilt | Müdigkeit möglich, daher erste Dosis am besten zur Nacht geben; nach längerer Einnahme nicht abrupt absetzen ➞ Entzugskrämpfe! |
Antidepressiva | Mirtazapin bei begleitender Schlafstörung, Appetitmangel
Citalopram bei Antriebsschwäche
Amitriptylin bei nächtlichen brennenden Ruheschmerzen | 7,5–15 mg zur Nacht
10 mg am Morgen
25–50 mg (max. 75 mg) | Vorsicht mit Amitriptylin bei Herz- und Lebererkrankungen, Harnretention |
Benzodiazepine | Schlafstörungen | Lorazepam: 0,5–2 mg | |
Butylscopolamin | viszerale spastische Schmerzen | parenteral oder als Kurzinfusion geben | |
Bisphosphonate, Denosumab | Knochenschmerzen | je nach Präparat optimalerweise parenterale Gabe alle 3–4 Wochen | ggf. Kalzium und Vitamin D substituieren
vorher Kieferosteonekrose ausschließen lassen |
Dexamethason | Leberkapselspannungsschmerz | Einmalgabe am Morgen cave: psychische Nebenwirkungen (Schlafstörungen, Albträume) können Wirkung konterkarieren |
Koanalgetika in bestimmten Situationen sinnvoll
Buprenorphin- oder Fentanyl-Matrixpflaster haben ihren Stellenwert bei stabilen Schmerzen, Schluckproblemen und mangelhafter Resorption. Auch lässt sich mit ihnen die Zahl der täglich einzunehmenden Tabletten reduzieren, so Dr. Rost. Nicht vergessen werden dürfen auch die sogenannten Koanalgetika (s. Tabelle). Diese lindern zwar nicht per se die Schmerzen, können aber in bestimmten Situationen effektiv helfen.Quelle: Rost A. Arzneiverordnung in der Praxis August 2020
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