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Medikamentensucht: Opioide erfolgreich ausschleichen

Vor allem jüngere Patienten zwischen 20 und 40 Jahren, Männer sowie Personen mit psychischen Komorbiditäten laufen Gefahr, von den ihnen verschriebenen Opioiden abhängig zu werden. Auch wer gleichzeitig Tranquilizer oder hohe Tagesdosen von mehr als 120 mg Morphinäquivalent nimmt, trägt ein erhöhtes Abhängigkeitsrisiko. Gleiches gilt bei positiver Familienanamnese, heißt es in der neuen S3-Leitlinie der DGPPN* und der DG-Sucht** zu medikamentenbezogenen Störungen. Diese Faktoren gilt es, vor Ansetzen entsprechender Präparate zu beachten. Patienten mit vorbekanntem Abusus (z.B. Alkohol) sollten möglichst keine Opioide erhalten.
Auf Verhaltensweisen achten, die für Abhängigkeit sprechen
Wiederholt zeigte sich in Studien und Metaanalysen, dass sogar eine medizinisch indizierte Opioidtherapie zu Toleranz und demnach auch zu Entzugserscheinungen führen kann. Allerdings sind die Kriterien einer Abhängigkeit erst erfüllt, wenn neben den körperlichen Symptomen auch psychische Phänomene auftreten, etwa ein pathologischer Drang zum Substanzkonsum – das Craving – oder ein Kontrollverlust (s. Kasten).
Diese Zeichen deuten auf eine Abhängigkeit hin
- starker Ruheschmerz, Diskrepanz zwischen Schmerzangabe und Verhalten
- Fordern eines bestimmten Opioids
- Einnahme v.a. zur Linderung anderer Symptome wie Unruhe, Schlafstörung, Angst oder Depression
- Widerstand gegen Therapieänderung trotz Wirkungslosigkeit oder negativer psychotroper Effekte (z.B. Konzentrationsstörungen, Müdigkeit)
- grundloses Horten von Pillen
- Borgen/Stehlen von Opioiden
- Rezeptfälschung
- intravenöse und orale Anwendung transdermaler Präparate
Punkte-Score für Opioid-Entzugssymptome | ||||
---|---|---|---|---|
Symptom | nein | mild | mäßig | schwer |
Spontanschmerz (Waden, Rücken) | 0 | 1 | 2 | 3 |
motorische Unruhe | 0 | 1 | 2 | 3 |
Schlaflosigkeit | 0 | 1 | 2 | 3 |
Gähnen | 0 | 1 | 2 | 3 |
Niesen | 0 | 1 | 2 | 3 |
Augentränen | 0 | 1 | 2 | 3 |
Piloerektion (Gänsehaut) | 0 | 1 | 2 | 3 |
Hitze-/Kältewallungen | 0 | 1 | 2 | 3 |
auffallendes Schwitzen | 0 | 1 | 2 | 3 |
Rhinorrhö | 0 | 1 | 2 | 3 |
Herzklopfen | 0 | 1 | 2 | 3 |
Erschöpfung, Müdigkeit | 0 | 1 | 2 | 3 |
Benommenheit | 0 | 1 | 2 | 3 |
Muskelsteifigkeit | 0 | 1 | 2 | 3 |
spontane Muskelzuckungen | 0 | 1 | 2 | 3 |
Tremor | 0 | 1 | 2 | 3 |
Erbrechen | 0 | 1 | 2 | 3 |
Diarrhö | 0 | 1 | 2 | 3 |
Magenkrämpfe | 0 | 1 | 2 | 3 |
Kältegefühl | 0 | 1 | 2 | 3 |
Quelle: modifiziert nach Bradley BP et al. Br J Addict 1987; 82: 1139-1142 | ||||
0–9 Punkte: leichtes Entzugssyndrom 10–20 Punkte: mittelschwere Ausprägung ab 20 Punkten: schwere Ausprägung |
Bei Kombination mit SSRI droht ein Serotoninsyndrom
Zur Behandlung leichterer Entzugssymptome (und ggf. additiv) eignet sich das trizyklische Antidepressivum Doxepin. Es ist für diese Indikation ebenso zugelassen wie zur Behandlung der Depression. Als Initialdosis mit anschließender Reduktion werden 3 x 50 mg/d empfohlen. Die Komedikation von SSRI/SNRI-Antidepressiva mit Opioiden, insbesondere Tramadol, ist mit einem erhöhten Risiko für ein Serotoninsyndrom verbunden. In begründeten Einzelfällen können auch Schmerzpatienten eine Substitutionsbehandlung erhalten. Voraussetzung ist eine nachgewiesene Opioidabhängigkeit mit fortgesetztem Missbrauch dieser Analgetika. Außerdem müssen zuvor alle schmerz- und suchttherapeutischen Möglichkeiten ausgeschöpft sein. Eine Schwangerschaft stellt bei opioidabhängigen Frauen ebenfalls eine Indikation zur Substitution dar.* Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde
** Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie
Quelle: S3-Leitlinie Medikamentenbezogene Störungen, AWMF-Register-Nr. 038-025
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