Antihypertensiva am Abend einnehmen?

Dr. Angelika Bischoff

Ob eine abendliche Einnahme sinnvoll ist, kommt auf den Dipping-Status an. Ob eine abendliche Einnahme sinnvoll ist, kommt auf den Dipping-Status an. © iStock/SuzanaMarinkovic

Besonders die Laienpresse, aber auch Fachmedien haben durch zahlreiche Berichte über eine spanische Studie Unsicherheit gesät. Sollen Hypertonie-Patienten ihre Blutdrucksenker nun lieber abends einnehmen?

In der Hygia-Studie wurde bei fast 20 000 Patienten die Effektivität einer abendlichen Einnahme mit der einer morgendlichen Einnahme von Blutdrucksenkern über sechs Jahre verglichen. Heraus kam ein deutlicher Vorteil der abendlichen Einnahme, sowohl im Hinblick auf die Senkung des Blutdrucks als auch auf die Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse.

Was von dieser Studie zu halten ist, haben Professor Dr. Joachim­ Schrader­, Institut für Hypertonie- und Herz-Kreislauf-Forschung in Cloppenburg und Kollegen kürzlich zusammengefasst. Die sicherste Aussage zum optimalen Einnahmezeitpunkt liefert nach ihrer Ansicht die ambulante 24-h-Blutdruckmessung (ABDM), mit der sich auch das kardio- und zerebrovaskuläre Risiko am besten abschätzen lässt. ABDM-Messungen zeigen, dass der Druck bei den meisten Patienten mit unkomplizierter Hypertonie nachts um 10–20 % abfällt (Dippers).

Etwa 30 % der Hypertoniker erleben den nächtlichen Abfall allerdings nicht (Non Dippers), bei manchen steigt der Druck sogar (Inverted Dippers). Diese beiden Formen beobachtet man gehäuft bei sekundären Hypertonieformen, Diabetes mellitus, obstruktiver Schlafapnoe oder hypertensiven Endorganschäden. Sie gehen mit einer schlechteren Prognose einher und es wird in solchen Fällen schon länger empfohlen, Antihypertensiva auch in einer Abenddosis zu verordnen, um den nächtlichen Blutdruck zu normalisieren. Anders sieht dies bei Älteren aus, die nachts einen sehr starken Blutdruckabfall um mehr als 20 % aufweisen (Extreme Dippers). Im Alter über 70 Jahren steigt dadurch das kardiovaskuläre Risiko deutlich, möglicherweise durch nächtliche Ischämien unter der Therapie. Gerade diese Patienten sollten ihre Antihypertensiva nicht abends erhalten.

Die Ergebnisse der Studie lassen sich nach Aussage der Autoren nicht verallgemeinern. Dies zeigt schon ein Blick auf das Kollektiv. Fast 60 % wiesen Diagnosen auf, die häufig mit einem „non-dipping“ verbunden sind, und von denen man schon länger weiß, dass die abendliche Gabe besser ist. Für klare Aussagen hätte dringend nach dem Dipping-Status differenziert werden müssen.

24-h-Blutdruckmessung sollte vorausgehen

Ebenfalls als problematisch beurteilen die Experten, wie unterschiedlich Antihypertensiva-Klassen zu den Tageszeiten eingesetzt wurden, z.B. Kalziumantagonisten häufiger abends, wo sie bekanntermaßen deutlich besser wirken. Dies könnte die Ergebnisse verzerrt haben. Sehr verwundert auch, dass kardiovaskuläre Ereignisse bei einem Abfall des systolischen Mittelwerts um 1,3 mmHg um mehr als 40 % abnahmen.

Unter dem Strich könne man also keine generelle Präferenz für die abendliche Gabe ableiten, schließen die Experten. Einige Kranke könnte das Vorgehen durch stumme nächtliche Ischämien sogar in Gefahr bringen. Der Entscheidung dafür sollte daher immer eine ABDM vorausgehen.

Quelle: Schrader J. et al. Internist (Berl.) 2020; 61: 980-988; DOI: 10.1007/s00108-020-00806-z

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Ob eine abendliche Einnahme sinnvoll ist, kommt auf den Dipping-Status an. Ob eine abendliche Einnahme sinnvoll ist, kommt auf den Dipping-Status an. © iStock/SuzanaMarinkovic