Antikoagulation – ja oder nein?

Dr. Melanie Söchtig

Pfortaderthrombose bei einem 25-jährigen Patienten. Die CT ist notwendig, um die genaue Ausbreitung des Gerinnsels zu erfassen und eine Darmischämie auszuschließen. Pfortaderthrombose bei einem 25-jährigen Patienten. Die CT ist notwendig, um die genaue Ausbreitung des Gerinnsels zu erfassen und eine Darmischämie auszuschließen. © Science Photo Library/Zephyr

Jede viszerale Thrombose erfordert rasches Handeln, um potenziell lebensgefährliche Komplikationen zu verhindern. Inwieweit eine antikoagulatorische Therapie angezeigt ist, hängt von mehreren Faktoren ab und ist nicht zuletzt eine individuelle Abwägung zwischen Nutzen und Risiko.

Die häufigste Form der Bauchvenenthrombose ist die Pfortaderthrombose (PFT), die akut oder chronisch auftritt und Leberschäden bis hin zu einer Zirrhose nach sich ziehen kann. Bei Erstdiagnose ist es wichtig, zwischen einer PFT mit bzw. ohne Zirrhose zu differenzieren und darüber hinaus eine maligne Grunderkrankung auszuschließen, schreiben Dr. Franziska Baumann-Durchschein und Dr. Hansjörg Schlager von der Universitätsklink für Innere Medizin in Graz. Denn davon hängen Prognose und weiteres Vorgehen ab.

Nicht-Zirrhotiker klagen über Fieber und Bauchschmerzen

Während bei einer PFT ohne Zirrhose die häufigsten Auslöser myeloproliferative Erkrankungen (21 %), Mutationen im Prothrombin-Gen (15 %) und ein Antiphospholipid-Syndrom (8 %) sind, stehen bei der zirrhotischen Form wahrscheinlich Veränderungen aller Komponenten der Virchow-Trias (Hyperkoagulation, Stase, Endothelschäden) im Vordergrund.

Klinisch präsentieren sich Patienten bei akuter Pfortaderthrombose ohne Zirrhose meist mit abdominellen Schmerzen und Fieber. Wenn Venen des splanchnischen Stromgebietes betroffen sind, kann eine akute ­Darmischämie auftreten. Anzeichen hierfür sind unter anderem gastrointestinale Blutungen, eine Laktaterhöhung, starke abdominelle Schmerzen und ein Aszites. Bleibt eine akute PFT trotz allem unerkannt oder misslingt die Rekanalisierung, kann es mittelfristig zu einer kavernösen Transformation kommen.

Diese manifestiert sich bei 22 % der Patienten innerhalb von fünf Jahren in Form von gastroösophagealen Varizen. Im Gegensatz dazu sind Betroffene mit einer zirrhotischen PFT oft asymptomatisch, sodass die Erkrankung häufig zufällig im Rahmen von Screening-Untersuchungen entdeckt wird. Nur selten kommt es zu einer akuten Dekompensation­.

Die Abdomensonographie liefert erste Hinweise auf eine PFT, wie echogenes Material im Lumen der V. portae, stark verminderter Blutfluss und zahlreiche paraportale Gefäße im Bereich der Thrombose. Zusätzlich sollte auf Anzeichen für eine Zirrhose oder ein HCC geachtet werden. Bei Erstdiagnose ist eine weitere Bildgebung (z.B. CT) obligatorisch, um die genaue Ausbreitung des Gerinnsels zu erfassen und gegebenenfalls eine Darmischämie zu erkennen. Sofern es keinen Anhalt für eine Leberzirrhose gibt, sollten mittels Genanalysen bzw. Knochenmarksbiopsie weitere Ursachen wie Thrombophilie und myoproliferative Erkrankungen ausgeschlossen werden.

Stets eine Magenspiegelung durchführen lassen

Standardmäßig ist ein Thrombophilie-Screening nur im Fall von familiärer Vorbelastung bzw. bei rezidivierenden oder multilokulären Thrombosen empfohlen. Zusätzlich sollte im Rahmen der Diagnostik aber stets eine Gastroskopie erfolgen, um etwaige gastroösophageale Varizen zu erkennen und gegebenenfalls eine Blutungsprophylaxe einzuleiten.

Wird die Diagnose einer akuten PFT ohne Zirrhose gestellt, sollte sich für mindestens sechs Monate eine Antikoagulation anschließen. Diese kann mit Heparin begonnen und mit Vitamin-K-Antagonisten fortgeführt werden. Nach sechs bis zwölf Monaten ist der Verlauf zu kontrollieren. Handelt es sich hingegen um eine chronische Form der nicht-zirrhotischen PFT, wird die Antikoagulation nur in Ausnahmefällen empfohlen. Dazu zählen Patienten mit nachgewiesener Thrombophilie, wiederkehrenden Thrombosen oder einer vorangegangenen Darmischämie.

Deutlich schwieriger gestaltet sich die Entscheidung im Fall von zirrhotischer PFT, denn bei diesen Patienten kommt es in 40–70 % spontan zur Rekanalisierung. Die Leitlinien empfehlen eine Antikoagulation deshalb nur bei Kandidaten für eine Lebertransplantation sowie Personen mit Thrombusausbreitung in die V. mesenterica superior, dauer­haft erhöhtem Thromboserisiko oder Thrombusprogress. In allen anderen Fällen muss der behandelnde Arzt die Entscheidung auf Basis einer individuellen Nutzen-Risiko-Abwägung treffen. Hinsichtlich der Effektivität ist die aktuelle Studienlage uneinheitlich. Zumindest aber scheint die Antikoagulation nach vorheriger Blutungsprophylaxe sicher zu sein. Da große prospektive Studien fehlen, ist bislang weder die Art noch die Dosierung der Koagulanzien in den Leitlinien festgelegt. Im klinischen Alltag wird bei Erstdiagnose häufig eine gewichtsadaptierte Therapie mit niedermolekularem Heparin (NMH) angefangen und später auf Vitamin-K-Antagonisten umgestellt.

Vor Beginn einer Antikoagulation ist in jedem Fall eine Blutungsprophylaxe angeraten. Wenn keine Antikoagulation­ eingeleitet wird, muss die Thrombusausbreitung nach drei Monaten mittels Bildgebung überprüft werden. Patienten mit Progress sollten dann antikoaguliert werden.

Seltener als die PFT sind das Budd-Chiari-Syndrom und die Mesenterialvenenthrombose. Ersteres ist eine venöse Abflussstörung der Leber. Typische Befunde sind neben abdominellen Schmerzen und Fieber ein geringgradiger Aszites, Hepatomegalie, Ikterus und periphere Ödeme. Der Therapiealgorithmus sieht als erste Stufe für alle Betroffenen eine dauerhafte Antikoagulation vor.

Mesenterialvenenthrombose geht mit Darmdilatation einher

Bei der Mesenterialvenenthrombose ist häufig die V. mes­enterica superior Ausgangspunkt der Thrombose, meist sind zudem Pfortader, V. lienalis und V. mesenterica inferior betroffen. Im CT können sich neben vaskulären Veränderungen auch andere typische Anzeichen zeigen, z.B. Verdickungen der Darmwand, Dilatation des Darms, Flüssigkeit im mesenterialen Fettgewebe, Pneumatosis intestinalis oder Gasbläschen in der Pfortader. Die First-Line-Therapie für Betroffene ohne Peritonitis besteht neben adäquater Schmerzmedikation und nicht-medikamentösen Maßnahmen aus der Antikoagulation mit Heparin, die zwei bis drei Wochen nach der akuten Phase begonnen und für mindestens drei bis sechs Monate fortgeführt wird.

Quelle: Baumann-Durchschein F, Schlager H. Z Gefäßmed 2021; 18: 5-11

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Pfortaderthrombose bei einem 25-jährigen Patienten. Die CT ist notwendig, um die genaue Ausbreitung des Gerinnsels zu erfassen und eine Darmischämie auszuschließen. Pfortaderthrombose bei einem 25-jährigen Patienten. Die CT ist notwendig, um die genaue Ausbreitung des Gerinnsels zu erfassen und eine Darmischämie auszuschließen. © Science Photo Library/Zephyr