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Argumente pro und kontra Boostern

Schon im Juli 2021 begann Israel, immunsupprimierte Patienten ein drittes Mal mit der mRNA-Vakzine von BioNTech/Pfizer (BNT162b2) zu impfen. Innerhalb weniger Wochen wurde die Booster-Kampagne dann auch auf jüngere Menschen ausgeweitet, berichten Dr. Noam Barda vom Clalit Research Institute in Tel Aviv und Kollegen.1 Wie sicher diese Strategie vor schweren COVID-19-Verläufen schützt, haben die Forscher anhand einer großen Bevölkerungsstudie untersucht. Das Studienkollektiv umfasste 728.321 Menschen (medianes Alter 52 Jahre, 51 % Frauen), die frühestens fünf Monate nach der zweiten BNT162b2-Impfung eine Auffrischungsdosis erhalten hatten. Die gleich große Kontrollgruppe bestand aus – hinsichtlich soziodemografischen und klinischen Parametern – passenden Personen, die keine Drittimpfung erhalten hatten.
Am Ende der Nachbeobachtungszeit (median 13 Tage) erwies sich die Booster-Strategie als überlegen: Die Effektivität der dritten Dosis bezüglich der Verhinderung von COVID-19-bedingten Hospitalisationen betrug im Vergleich zur Zwei-Dosis-Strategie 93 %. Hinsichtlich schwerer Erkrankungsverläufe waren es 92 %, hinischtlich der COVID-19-assoziierten Todesfälle 81 %.
39 % der Älteren sechs Monate nach zweiter Dosis ungeschützt
Beim gegenwärtigen Wiederaufflammen des Pandemiegeschehens spielt außer der höheren Infektiösität der Deltavariante auch die nachlassende Immunität der Geimpften eine entscheidende Rolle, so Dr. Barda und Kollegen. Die Untersuchungsergebnisse sprechen deshalb ihrer Meinung nach klar für eine Auffrischungsimpfung.
Ähnlich sehen es deutsche Forscher um Pinkus Tober-Lau von der Charité – Universitätsmedizin Berlin: Angesichts der zunehmenden Hospitalisierungen (selbst in Ländern mit hoher Impfquote, z.B. Israel), der starken epidemiologischen Evidenz im Hinblick auf einen nachlassenden Immunschutz sowie des hohen Risikos für schwere Verläufe in der älteren Bevölkerung empfehlen Tober-Lau und Kollegen Booster-Impfungen zunächst für diese vulnerable Population.2
Ihre Einschätzung begründen die Wissenschaftler zudem mit den Ergebnissen einer eigenen prospektiven Studie: Sie verglichen die Immunantwort von Senioren nach zwei Dosen BNT162b2 mit der von jüngeren Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten. Hierzu führten sie sechs Monate nach der Erstimpfung eine Reihe serologischer Tests bei 80 älteren (medianes Alter 83 Jahre) und 97 jüngeren Individuen (medianes Alter 35 Jahre) durch.
Das Ergebnis: Die Senioren schnitten im Hinblick auf sämtliche untersuchte Immunitätsmarker schlechter ab als die jüngeren Personen. So wiesen sie beispielsweise signifikant geringere Seropositivitätsraten des gegen SARS-CoV-2 gerichteten S1-IgG auf. Auch hatten sie eine schlechtere T-Zell-Reaktivität. Zudem war bei 39 % der Senioren nach sechs Monaten keine neutralisierende Aktivität gegenüber der momentan dominierenden Deltavariante mehr nachweisbar. Zum Vergleich: Im Kollektiv der jüngeren Personen war Letzteres nur in 5 % der Fälle so. Weitere Studien, so die Forscher, müssen nun die Langzeitimmunität nach COVID-19-Impfung in Hochrisikopopulationen beleuchten und die Sicherheit sowie die Effektivität von Booster-Impfungen klären.
Impfung auch für Genesene sinnvoll
Weltweite Impfstoffknappheit wird weiter verschärft
Unklar sei zudem, ob die Nutzen-Risiko-Abschätzung einer Drittimpfung für jüngere Menschen anders ausfällt als für ältere. Abschließend gibt er zu bedenken, dass die Praxis der reichen Länder, auch jüngere Menschen ein drittes Mal zu impfen, die weltweite Impfstoffknappheit weiter verschärfen wird. Nicht ausreichend immunisierte Populationen könnten dann zur Brutstätte für neue gefährlichere Virusvarianten werden, die erneute globale Infektionswellen triggern könnten.1. Barda N et al. Lancet 2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)02249-2
2. Tober-Lau P et al. Lancet Respir Med 2021; 9: e104-e105; DOI: 10.1016/S2213-2600(21)00456-2
3. Reddy KS. Lancet 2021; DOI: 10.1016/S0140-6736(21)02388-6
4. Bozio CH et al. MMWR Morb Mortal Wkly Rep 2021; 70: 1539-1544; DOI: 10.15585/mmwr.mm7044e1
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