Asbestose: Verstärktes Bewusstsein und erweitertes Vorsorgeangebot sollen Mortalität senken

Dr. Dorothea Ranft

Folgen einer langjährigen Asbestexposition bei einem 72-jährigen ehemaligen Feuerungsmaurer: Das hochauflösende Low-Dose-Volumen-CT zeigt teilweise verkalkte breitbasige Plaques, die sich im konventionellen Röntgenbild nicht eindeutig identifizieren lassen – ein klarer Vorteil der CT. Folgen einer langjährigen Asbestexposition bei einem 72-jährigen ehemaligen Feuerungsmaurer: Das hochauflösende Low-Dose-Volumen-CT zeigt teilweise verkalkte breitbasige Plaques, die sich im konventionellen Röntgenbild nicht eindeutig identifizieren lassen – ein klarer Vorteil der CT. © Petersen J et al. Hamburger Ärzteblatt 2018; 72: 28-31, © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg, mit Genehmigung der Autoren

2016 wurden in Deutschland 2183 Asbestosen als berufsbedingt anerkannt – im Vorjahr waren es noch 1995 Fälle. Der Auftrag für die Praxis scheint banal und ist doch so wichtig: überhaupt an Berufskrankheiten durch Asbest denken. Nur so können hochgefährdete Personengruppen das effektive CT-Screening erhalten.

Wegen der langen Latenz von teils mehr als 30 Jahren bis zum Ausbruch asbestbedingter Erkrankungen steht der Höhepunkt erst noch bevor. Neben der Asbestose zeigte sich im Jahr 2016 auch bei Lungen- und Kehlkopfkrebs (912 Fälle) sowie bei Mesotheliomen (1031 Fälle) ein leichter Anstieg. Der Arbeitsmediziner Dr. Jens Petersen, Verwaltungs-Berufsgenossenschaft Hamburg, und seine Kollegen sprechen von einem relevanten Thema für die nächsten Jahrzehnte. Zumal sich die Manifes­tation aufgrund des Anstiegs der Lebenserwartung der Bevölkerung auf das höhere Alter ausweitet.

Fibrosierende Effekte am Lungenparenchym treten im Schnitt nach 10–15 Jahren auf. Diese verursachen eine Asbestose sowie Verdickungen, hyaline Plaques und Verkalkungen der Pleura. Die kanzerogene Wirkung betrifft Kehlkopf, Lunge, Rippenfell, Zwerchfell, Perikard, Peritoneum und Eierstöcke. Erst 2017 kam das Ovarialkarzinom neu in die Liste der Berufskrankheiten (BK) hinzu. Inzwischen kann das Mesotheliom des Skrotums im Bereich der Tunica vaginalis testis, einer Ausstülpung des Peritoneums, ebenfalls anerkannt werden (gem. § 9 Abs. 2 SGB VII).

In der Praxis geht es vor allem darum, an Asbest als eine mögliche Ursache von Krankheiten zu denken, betonen die Autoren. Mit einer detaillierten Arbeitsanamnese lässt sich der Kontakt genauer eruieren:

  • konkrete Tätigkeit, z.B. Bohren, Schneiden
  • Betrieb bzw. Betriebsstätten
  • Dauer der Exposition

Frühere Arbeitskollegen können dabei als wichtige Zeugen dienen. In Zweifelsfällen hilft ein Asbestexpositionskataster, eine zum fraglichen Zeitraum bestandene Gefährdung nachzuweisen. Ein entsprechendes Kataster gibt es für Hamburg, das wegen seiner zentralen Rolle als Umschlagsort (Hafenarbeiter etc.) die „traurige Spitzenposition“ unter den Berufskrankheiten durch Asbest belegt, schreiben die Experten.

Asbestverbot in Osteuropa gilt erst seit 10–15 Jahren

Noch heute kann es zu einer beruflichen Exposition kommen, etwa bei der ungeschützten Sanierung von Gebäuden, die vor 1996 errichtet wurden. Wer aber die ohnehin obligaten Schutzmaßnahmen berücksichtigt, setzt sich den Autoren zufolge keiner Gefahr aus. In Osteuro­pa wurde das Verbauen von Asbestmaterialien erst vor ca. 10–15 Jahren verboten. Diesen Aspekt gilt es bei Migranten zu berücksichtigen. Sobald sich Anhaltspunkte für einen beruflichen Asbestkontakt ergeben, steht eine mögliche Synkanzerogenese im Raum. Darunter versteht man eine gegenseitige Verstärkung von mindestens zwei krebserregenden Stoffen, beispielsweise Asbeststaub und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe. Dadurch kann sich das Risiko einer Erkrankung verdoppeln. Auch der Kontakt mit Nickel, Chromaten, Arsen, Quarzstaub oder ionisierender Strahlung fördert die additive Kombinationswirkung.

Die Anamnese sollte neben beruflichen Details allgemeine Beschwerden und Begleiterkrankungen (z.B. COPD) sowie die Rauchgewohnheiten umfassen. Wichtig sind zudem die klinische Untersuchung der Lunge und eine radiologische Bildgebung (Indikation asbestexponierte Tätigkeit). Wird Gewebe zur Diagnostik entnommen, gehört Probenmaterial für histopathologische Analysen immer mit dazu.

Im Rahmen von Sektionen bietet das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf mittlerweile spezielle Untersuchungen des Lungengewebes an. Diese sind für Hinterbliebene nicht selten die einzige Möglichkeit, eine Asbestexposition für ein BK-Verfahren nachzuweisen, so die Kollegen.

Niedrigdosis-CT alle zwölf Monate

Für Versicherte mit besonders hohem Lungenkrebsrisiko hat die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) das Vorsorgeangebot um eine hochauflösende Computertomographie mit niedriger Strahlendosis im zwölfmonatigen Abstand erweitert (Low-Dose-Volumen-HRCT, s. Abb.). Erklärtes Ziel ist die Senkung der spezifischen Mortalität. Das Screening richtet sich an Personen

  • mit einer beruflichen Asbestexposition ≥ 10 Jahre oder anerkannter BK-Nr. 4103,
  • in einem Alter von mindestens 55 Jahren und
  • einem Zigarettenkonsum ≥ 30 pack years

Eine große sozialmedizinische Bedeutung für Versicherte und Angehörige hat die unverzügliche Anzeige des Verdachts auf eine Berufserkrankung, zu der jeder Arzt verpflichtet ist. Mesotheliome z.B. begründen immer eine Anzeige, betonen die Autoren. Entsprechende Formulare gibt es auf der Internetseite der DGUV*. Ein Widerspruch des Patienten stellt kein Hindernis dar, über die Anzeige muss er aber informiert werden.

* www.dguv.de

Quelle Text und Abb.: Petersen J et al. Hamburger Ärzteblatt 2018; 72: 28-31, © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg, mit Genehmigung der Autoren

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Folgen einer langjährigen Asbestexposition bei einem 72-jährigen ehemaligen Feuerungsmaurer: Das hochauflösende Low-Dose-Volumen-CT zeigt teilweise verkalkte breitbasige Plaques, die sich im konventionellen Röntgenbild nicht eindeutig identifizieren lassen – ein klarer Vorteil der CT. Folgen einer langjährigen Asbestexposition bei einem 72-jährigen ehemaligen Feuerungsmaurer: Das hochauflösende Low-Dose-Volumen-CT zeigt teilweise verkalkte breitbasige Plaques, die sich im konventionellen Röntgenbild nicht eindeutig identifizieren lassen – ein klarer Vorteil der CT. © Petersen J et al. Hamburger Ärzteblatt 2018; 72: 28-31, © Hamburger Ärzteverlag, Hamburg, mit Genehmigung der Autoren